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1986

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Theologische Litcralurzeitung 111. Jahrgang 1986 Nr. 1 I

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der Bevölkerungszuwachs und theologischer und kirchlicher Liberalismus
, gegründet worden ist. führt den Autor zu generalisierenden
Aussagen über das Verhältnis von C hristentum und Industrialisierung
, die weiterer Klärung bedürfen. Ist dieses Verhältnis wirklich
schon tief genug erläßt, wenn behauptet wird, das ..Christentum
katholischer und reformierter Observanz ... in der frühen Neuzeit"
sei ..viel mehr eine Religion der Dörfer als der Städte gewesen" oder
wenn es in Kurzformel heißt: ..Das Christentum als Dorfreligion"
(171)7 Ts ist auch zu fragen, ob gängige Klischeevorstcllungen
(z. B. 171: ..Bäuerliche Menschen erleben Gott als den Schöpfer in
ihrer naturhaften Arbeit; der städtische Mensch des Industriezeitaltcrs
ist ein Produkt der Technik . . .") zur Erhellung der komplizierten
Sachverhalte beitragen können. Ist nicht die zum Modell der Stadtmissionsarbeit
erwogene Alternative von Basisgemeinden für die
damalige Situation ahistorisch? - ..Anmerkungen zur Wirkungsgeschichte
eines Frömmigkeitstyps in der Moderne", d. h. zu den
wenig bekannten Verbindungen von evangclikaler Frömmigkeit und
gewerkschaftlicher Organisation unter der Bergarbeiterschaft Rheinland
-Westfalens zu Beginn des 20. Jahrhunderts, trägt Martin
Greschat bei: ..Industrialisierung. Bergarbeiterschaft und .Pietismus'"
(173-192). - Zweimal ist Hermann Kutter Gegenstand von Untersuchungen
. Klaus-Jürgen Wrage: ,.Zwischen prophetischem Anspruch
und kirchgemeindlicher Praxis. Aporien der Selbstwahrnehmung
bei Hermann Kutter auf dem Hintergrund pietistisch geprägter
Diakonie und Gemeindeorganisation" (193-209); Hermann
Kocher Simon Kuert: ..Hermann Kutters .Sie müssen': Eine Kampfschrift
im Schnittpunkt zwischen 19. und 20. Jahrhundert. Eine
Studie zur Rezeption des Werkes und Bemerkungen zum theologischen
Werdegang Kutters vor 1904" (210-235). W. arbeitet Kutters
prophetische Verkündigungsstruktur heraus, durch die ein unüberbrückbarer
Graben zur kirchlichen Verkündigung genauso wie zum
diakonischen Wirken auf Vereinshasis bestand. Er weist auf Verbindungslinien
(auch hinsichtlich eines prinzipiell negativen Reli-
gionsbegriffcs) zu Karl Barth hin. Mit dem ,,Eindruck . . ., daß
Kutter allen Erfahrungen eigener sozialer Gestaltung bewußt aus
dem Wege ging, weil sie seiner theologischen Idcologiebildung ... im
Wege stand", wird W. das Richtige treffen. Die Verschärfung, daß
Kutter diese Idcologiebildung ,,selbst zur prophetischen Predigt
stilisierte" (209: vgl. auch 198: ,,Kutters Selbststilisierung als
Prophet") wird weder Kutter gerecht, noch ist es dem Phänomen des
Prophetischen angemessen. In der hreit angelegten Studie von K./K.
werden u. a. sowohl die Impulse, die Kutter der sich formierenden
religiös-sozialen Bewegung gab. ohne daß er selbst als .Religiös-
Sozialer' bezeichnet werden könnte, aufgewiesen, als auch die Ansätze
einer Linienführung zur späteren dialektischen Theologie. - Die
Überzeugung von Ragaz. wesentliche Anliegen des Pietismus aufzunehmen
und zur Erfüllung zu führen, stellt Eberhard Busch dar:
...Fortsetzung eures Programms'. Das Gespräch von Leonhard Ragaz
mit dem Pietismus" (236-258). Als im Nachhinein durch Ragaz festgestellte
Berührungspunkte zum Pietismus nennt B. die unmittelbare
Glaubensgewißheit, die Akzentuierung von Lehre statt Leben und
eine chiliastische Erwartung. Das durch seinen Jenaer Lehrer Friedrich
Nippold geweckte Interesse an den .Schwärmern' der Reformationszeit
war ebenfalls von Bedeutung. - Eine eindringende Studie
über Samuel Jaeger. den Hg. der Bielefelder christlichen Tageszeitung
.Aufwärts' und Leiter der 1905 gegründeten .Theologischen Schule' in
Bethel, fügt Kurt Nowak bei: ..Gottes Herrschaft im öffentlichen
Leben. Samuel Jaeger (1864-1927) und sein christlich-soziales Engagement
in den Anfangsjahren der Weimarer Republik". Der Autor
arbeitet die Anliegen, aber auch Grenzen (z. B. Abhängigkeit von
Stoeckers Aversionen gegen Rom. Juden. Bolschewismus) des aktiven
westfälischen Theologen heraus, der sich nicht wie andere Bcthelcr
mit der diakonischen Perspektive begnügte. - Die politischen Aktivitäten
für die Bürgerpartei (die Deutschnationalen) durch den späteren
württembergischen Kirchenpräsidenten Wurm sowie sein Verhältnis
zum Christlichen Volksdienst, vor allem auf Grund noch nicht edierter
Briefe Wurms und des befreundeten Eugen Reift', untersucht Hartmut
Lehmann: ..Christlich-soziale Politiker am Scheideweg. Aus
einem Briefwechsel zwischen Eugen Reiff. Wilhelm Simpfendörfcr
und Theophil Wurm im Vorfeld der württembergischen Landtagswahlen
des Jahres 1928" (277-295). Beachtung verdient L.s Impuls,
daß bei der Aufarbeitung der Kirchengeschichte der Weimarer Republik
auch die verhängnisvollen Folgen einer fatalen politischen Perspektivverkürzung
selbst bei Persönlichkeiten wie Wurm, deren
Widerstand gegen die NS-Maßnahmen außer Frage steht, nicht übergangen
werden sollten. - Die zeitgeschichtlichen Bezüge werden in
dem theologiegeschichtlichen Beitrag von Josep Castanyi nur angedeutet
(bei de Quervain im Kirchenkampf Akzentvcrlagerung der
ekklcsiologischen Kennzeichen von der unsichtbaren auf die sichtbare
Kirche): ..Kirchenverständnis in Elberfeld. Hermann Friedrich
Kohlbrügge (1833-1875) und Alfred de Quervain (1931-1938)"
(296-317). - Interessante Einblicke in die differenzierte Situation des
religiösen Sozialismus vor 1933 gewährt Manfred Jacobs Interview
mit dem eigengeprägten achtundachtzigjährigen Blumhardtianer und
praktischen Sozialisten Heinz Kappes: ..Religiöser Sozialismus und
Mystik. Ein Blumhardtianer berichtet aus seinem Leben und
Werden" (318-344). Der nicht mit den Spielarten des religiösen
Sozialismus vertraute Leser wird eine Kurzvita von K. vermissen. -
Über die Problematik einer Spenerausgabe. angesichts der schriftstellerischen
Fruchtbarkeit Spcners und seiner immensen Belesenheit
sowie fehlender ausreichender Vorarbeiten informiert Johannes
Wallmann, um dann für eine Beschränkung auf die 2. der vier Brief-
wechselpcrioden (die Frankfurter, nach der Straßburger und vor der
Dresdner sowie Berliner Zeit) zu plädieren: ..Überlegungen und Vorschläge
zu einer Edition des Spenerschen Briefwechsels, zunächst aus
der Frankfurter Zeit (1666-1686)" (345-353).

Seiner Anlage gemäß enthält das Jahrbuch einen Rezensionsteil
und die Pietismus-Bibliographie 1985 von Klaus Deppermann und
Dietrich Blaufuß (363-384) sowie ein Orts- und Personenregister.

Hgg. und Autoren gebührt Anerkennung für diese Würdigung
Andreas Lindts. Der Bd. bezeugt in seiner Themenstellung die Position
eines Christentums, die dem verstorbenen Berner' Kirchenhistoriker
wichtig war und die er selbst in seiner Geschichte der Christenheit
zwischen 1917 und 1945 markiert hat als ein ..Christentum,
das sich an der biblischen Botschaft selbst orientierte und von da her
sich in politischen Entscheidungssituationen auf die Seite der freiheitlichen
Kräfte stellte".

Berlin Siegfried Bräuer

Bertinetti. Ilse: /.um 100. (ieburtstag von Paul Tillich (Standpunkt 14. 1986.
176-178).

Plajer. Dietmar [Sibiu]: Karl Barths früher Widerhall in unserer Kirche. Zu
seinem 100. Geburtstag (Kirchliehe Blätter 52. 1986.8).

Schräge. Wolfgang: Heil und Heilung im Neuen Testament. Ernst Käsemann
zum 80. Geburtstagann 12. 7. 1986(EvTh46. 1986. 197-214).

Bibelwissenschaft

Bijbels I landhock, onder Redactie van M. J. Mulder. B. J. OosterhofT.
J. Reiling. H. N. Riddcrbos, W. C. van Unnik t en A. S. van der
Woude. Deel IIB: Tussen Oude en Nieuwe Testament. doorG. J. D.
Aalders Hwzn. J. L. Koole, M. J. Mulder. J. T. Nelis en A. S. van
der Woude. Kampen: Kok 1983. VI. 319 S. m. 48 Abb. gr. 8'. Lw.
hfl 55.-.

Nachdem auf den 1981 erschienenen Band I dieses vorbildlich gestalteten
Standardwerkes der Bibelwissenschaft (De Wereld van de
Bijbel: bespr. ThLZ 107, 1982, 719-722) zügig Band IIA (Het Oude
Testament; bespr. ThLZ 109. 1984. 16-18) gefolgt war. ließ nun auch
Band IIB nicht lange auf sich warten. Gleichsam als erweiterter und
vcrselbständigter Anhang zu den Ausführungen über die kanonischen