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1986

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

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Neuerscheinungen

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765

Theologische Literaturzeitung III. Jahrgang 1986 Nr. 10

766

Diese vier Vcrehrungsmodelle haben religionsgeschichtliche,
mythologische und psychologische, archetypische Entsprechungen
und Hintergründe, die in dem Bild der Großen Mutter und ihrer
Hochzeit mit ihrem Brudcr-Sohn-Gelicbten gebündelt erscheinen
(wobei hier dem Männlichen die Sonne, der Mond dem Weiblichen
zugeordnet werden, bei Gerda Weiler genau umgekehrt). In der „kosmischen
Frau" Maria kehren die Mond-Himmelskönigin, die Mutter
und autarke Lebensspenderin Anat/Astarte/Isis. . . und ihr Sohn-
Mann-Hcros Baal/El/Osiris/Adam . . . wieder (!97fT). Archetypisch
(und m. E. zu unkritisch an Jung und Neumann orientiert) gesehen
leiten diese Mythen und Rituale zur Wiedcrhereinnahme des im
Laufe der patriarchalisierenden Geschichte immer mehr abgespaltenen
weiblichen Unbewußten an. wie sie exemplarisch im Verhalten
Jesu verwirklicht ist: In ihm ist das neue Männliche in Erscheinung
getreten, und dieses wird in der Begegnung mit der kosmischen Frau
immer wieder neu geboren (202). Indem die Frau durch Jungfräulichkeit
= weibliche Autarkie ihr androzentrierendes Bindestrich-Dasein
(Frau von . . .) abstößt, wird sie frei zum Gebären des neuen Männlichen
.

Ist die cmanzipatorisch-fcministische Rekonstruktion der Mariolo-
gie in Umrissen klargeworden, dann sollen abschließend noch einige
kritische Anfragen gestellt werden: Passiert hier z. B. mit der Jung-»
fräulichkeit nicht dieselbe Entmythologisierung auf ein autonomes
Selbstvcrständnis hin wie in Bultmanns sonst zu Recht verworfener
existcntialer Interpretation? Wird der patriarchalische Fortschrittsglaube
z. B. mit seiner Entwicklung zum Golt-Vater-Monothcismus
einfach umgekehrt in eine Abfällgeschichte von der pantheistisohen
Großen Mutter? Steht ein Matriarchat am Anfang und am Ende der
Geschichte und entsprechend eine einseitige Mutterbindung oder
Androgynität und damit Abarbeitung von falschen Elternbindungcn
in der Begegnung der Geschlechter (156, 159, 233 u. ö.)?Sind die vier
mariologischen Aspekte alte anthropologische Symbole (231) oder
Rahmenbedingungen auch für die Christologie? Zusammengefaßt in
einem problematischen Satz: „Nur sie (Frau) kann das Göttliche in
diese Welt bringen. Diese Verantwortung wurde ihr von der Göttin
Natur in den Schoß gelegt" (1 56). Traditionell: Maria wird um Jesu
Christi willen zur Gottes-Muttcr erwählt: hier: Maria bringt als
Repräsentantin der Göttin Natur den göttlichen Jesus Christus zur
Welt, der das Exemplar des neuen Männlichen darstellt (weil das
Weibliche von Anfang an in sich selbst erlöst ist?). Frau Mulack hat
eine provozierende Mariologic vorgelegt, der in der breiten Bewegung
Feministischer Theologie einerseits ganz ablehnende (Daly) und
andererseits stärker sozial orientierte Auslegungsmodelle zur Seite
stehen (Halkcs, Moltmann-Wendel. Ruethcr). Auf jeden Fall ist klassische
Theologie beider Konfessionen zur Diskussion dieser Mariologic
und damit weitergehend der androzentrischen Theologie aufgefordert
.

Darmstadt Uwe Gerber

Moltmann-Wendel. Elisabeth: Das Land, wo Milch und Honig fließt.

Perspektiven einer feministischen Theologie. Gütersloh: Gütersloher
Verlagshaus Gerd Mohn 1985. 205 S. m. Abb. 8' = GTB. Siebenstern
, 486. Kart. DM 16,80.

E. Moltmann-Wendel erlaubt dem Leser ausdrücklich, erst dort
einzusteigen, wo etwas „Neues über feministische Theologie" zu
erfahren ist (18). Das findet man im dritten Teil. Voran gehen die
Teile I „Selbst-Findung" und 2 „Kritische Theologie". Dann folgt im
Teil 3 „Neuorientierungan der Jesus-Fraucngeschichte". Diechristo-
logischc Konzeption wird in dem ersten Abschnitt entfaltet „Der
Jesus der Frauen". Wie erlebten Frauen Jesus? Die Antwort besteht
nicht in einer Theorie. Vielmehr sind es Skizzen zu Erfahrungen mit
ihm: Erfahrung von Gegenseitigkeit, die „Nachtseite seiner [Jesu]
menschlichen Existenz" (132), die Beziehungsfähigkeit als Gabe Gottes
an die Menschen. - Die rcchtfcrtigungsthcologischen Strukturen
erschließt die Vfn. von der Rückbesinnung auf die zentrale Mitte protestantischer
Theologie: das Wissen von der Befreiung des Menschen
ohne Eigenleistung, von seiner bedingungslosen Annahme (156). Sie
versteht diese Mitte als „Urgeschichte", d. h. als Rückgewinnung des
eigenen Wertes, die Wiedereinsetzung in Kindschaft. Sohnschaft
(157). Auslegung erfährt dieses Verständnis durch die Sätze: Ich bin
gut. Ich bin ganz, Ich bin schön. Konsequenzen? Zum Beispiel:
„Nicht für alle, die sich an den frauenfeindlichen Bildern reiben, ist
das Vaterbild bedrängend. Aber für andere demonstriert die Formel:
,lm Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes' versteckt
männliche Macht" (205). Sie plädiert Für Füllung der Formel mit der
Abba-Jcsus-Beziehung.

M. P.

Eicher. Peter [Hg.]: Theologie der Befreiung im Gespräch. Leonardo
Boll", Peter Eicher, Horst Goldstein, Gustavo Gutierrez, Josef Sayer.
München: Kösel 1985. 128 S. 8' = Evangelium konkret. Kart.
DM 15,80.

Ist die Theologie der Befreiung eine Gefährdung der christlichen
Botschaft oder ihre aktuelle legitime Artikulation? So wird auf dem
Umschlag gefragt. Durch pastoralc Ausrichtung, biblische Unmittelbarkeit
, Umkehr der Kirche und Erneuerung der Theologie kommt es
zum „Standortwechsel einer reichen Kirche zu den Armen selbst"
(14). Gutierrez artikuliert die Fragen, die aus den lateinamerikanischen
Gemeinden und ihrer Geschichte seit dem Vatikanum II
stammen, BofTsoll öffentlich Gehör gegeben werden, als er zum Verstummen
gebracht worden war. Folgende Themen sind besprochen
worden:

Die Armen cvangclisicrcn, G. Gutierrez im Gespräch mit J. Sayer. 25-50;
Pastoral der Befreiung: Erfahrungen mit der ..Kirche d.er Armen", von J. Sayer,
51-79; Vorweggenommene Fragmente des endzeitlichen Heils. L. Boll' im
Gespräch mit H. Goldstein, 81-106; „Ihr habt mich nicht aufgenommen".
Zum kirchlichen Kampf um die Theologie der Befreiung, von P. Eicher.
107-126. Eingeführt in den Band wird der Leser durch P. Eicher, 7-23.

M. P.

Heidler. Fritz: Karl Barth - Alpdruck der Lutheraner? (LM 25. 1986.
249-251).

Holze. Henry. Jürgen Becker u. Gottfried Voigt: Hoffnung gegen Apokalyp-
tik. Hannover: Lutherisches Verlagshaus 1986. 70 S. 8" = Bekenntnis. Fuldacr
Hefte. 29. DM 16.80.

Huber. Wolfgang: Wer ist Christus für uns. Bonhoefiers Bedeutung für die
ZukunftderChristenheittEK 19,1986,191-194).

Klein. Wolfgang: Der „neue Mensch" und die „alte Gesellschaft". Ein christlicher
Beitrag zum Bild des Menschen. Konstanz: Christliche Verlagsanstalt
1986.46 S. m. Abb. 8' = Konstanzer theologische Reden. 3.

Krcck. Walter: Christliche Kirchen und ihr Friedensauftrag (CV 28, 1985,
127-146)

Vergebung in einer unversöhnten Welt (Themenheft ConcUium 22. 1986,
Heft 2): Die anthropologische Dimension (J. Peters. R. Stuzinski, F. Genti-
loni/J. R. Regidor)(83-I03)- Die theologische Dimension (C. Duquoc. J. Sob-
rino.G. Soares-Prabhu)( 104-126)- Die geistliche Dimension (V. Elizondo. M.
Rubio, D. BorobioM127-158).

Systematische Theologie: Ethik

Eid, Volker [Hg.]: Euthanasie oder soll man auf Verlangen töten? 2..

erw. Aufl. Mainz: Grünewald 1985. 211 S. 8° = Moraltheologie
interdisziplinär. Kart. DM 29,80.

Dieses Buch ist bereits 1975 in erster Auflage erschienen und für die
zweite Auflage um eine Bestandsaufnahme der aktuellen Diskussion
und einige Dokumente erweitert worden. Das Thema ist gewiß noch
ebenso brisant wie vor zehn Jahren: Wie weit kann einem sterbenden
Patienten Erleichterung durch Mittel gewährt werden, die sein Leben
verkürzen? Dabei sind die Unterschiede zwischen direkter und