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Ausgabe:

1986

Spalte:

754-756

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Titel/Untertitel:

L'Episcopat (2). Juillet 1553 - Septembre 1564 1986

Rezensent:

Moeller, Bernd

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Theologische Literaturzeitung III. Jahrgang 1986 Nr. 10

754

Nichtjuristen ist das sehr verständlich formulierte Referat Schiaichs
von Interesse, in dem nicht nur Luthers Juristenäußerungen zusammengestellt
, sondern die Konsequenzen der theologischen Position
Luthers für das Kirchenrecht (85: Für das kanonische Recht gilt, daß
von den grundlegenden Rechtsnormen her noch dem Codex von 1983
der Protest Luthers sicher wäre: 88: Dem evangelischen „Kirchenrecht
hat Luther - im Verein mit anderen Kräften - im 20. Jahrhundert
zu einem völligen Neubeginn verholfen."). In ähnlicher
Weise werden die Konsequenzen für das Reichs- und das Territorialrecht
skizziert. Honecker schildert Luther als Vertreter des klassischen
Politikverständnisses (Politik als Ordnung des Gemeinwesens,
nicht Gestaltung des Lebensganzen). Die Unterscheidung der zwei
Reiche wird als „Anwendung des reformatorischen Rechtfertigungsglaubens
auf die politische Existenz, des Christen, und zwar bezogen
auf jeweilige konkrete Situationen und Verhältnisse", vorgestellt
(III). Luther als „Fürstenknecht und Reaktionär" kann längst nicht
mehr als „die gängige marxistische Interpretation" des Verhaltens im
Bauernkrieg bezeichnet werden (104).

In einem 3. Teil, „Im Dialog mit Zeitgenossen", sind folgende Beiträge
zusammengestellt: J. F. Gerhard Goeters: Zwingli und Luther
(119-141); Hans Waldenfels: Martin Luther und Ignatius von
Loyola (143-158); G. Adriänyi: Luthers Beziehungen zu Ungarn
(159-182). Goeters vermag durch minutiöse Auswertung der Quellen
dem alten Thema Zwingli/Luthercin paar neue Lichter aufzustecken.
Seine Vorlesung gibt wohl das gegenwärtig difTerenziertestc Bild von
der Bedeutung Luthers für Zwingli. Der unkonventionelle Vergleich
von Luther und Ignatius durch Waldenfels weist auf einen erstaunlichen
„Grundkonsens im Ausgangspunkt" bei beiden hin und macht
den am Ende dominierenden Dissens an „der je anderen Einstellung
zur konkreten Kirche" fest (155). Es stellt sich die Frage, ob die von
Waldenfels konstatierte Übereinstimmung im Ausgangspunkt nicht
stärker auf andere reformatorische Theologen (z. B. Müntzer) zutraf
als auf Luther, z. B. der Gedanke einer Art individueller Inspiration
des göttlichen Willens als Normalfall (153). Adriänyi stellt dankenswerterweise
vor allem die politschc Situation in Ungarn zur Reformationszeit
auf Grund ungarischer Forschungen dar.

Aus drei Beiträgen besteht auch der 4. Teil „Im Horizont der Ökumene
": Heinz Schütte: Ist Luthers Sakramentsverständnis kirchentrennend
? (185-199): Hans Jorissen: Ökumenische Erschließung
Martin Luthers. Zur Frage nach Luthers Ekklcsiologie (201-223):
Hans L. Martensen : „Crux Probat Omnia". Das Kreuz Christi und
die Einheit der Christen (225-238). Schütte kann wahrscheinlich
machen, daß Luthers Sakramentsverständnis, von seinen Intentionen
her interpretiert, nach heutiger tieferer Einsicht kaum noch als
kirchentrennend bezeichnet werden muß. Er muß allerdings zugestehen
, daß diese Frage „in der Kürze der Ringvorlesung nicht ausdiskutiert
werden" kann (199). Jorissens Referat, die überarbeitete
Fassung eines ursprünglich für eine ökumenische Tagung zum
Lutherverständnis 1982 in Strasbourg vorgesehenen Beitrages, unternimmt
einen ähnlichen Versuch in Blick auf Luthers Ekklcsiologie.
Stärker noch als Schütte bringt er Luthers zeitbedingte Akzentuierung
ins Gespräch und folgert: „Die Alternative: Kirche oder Rechtfertigung
ist vor Luther und von ihm her nicht zu verantworten." (221)
Am stärksten setzt sich Martensen Luthers Gedanken aus. Er kann auf
eigene Vorarbeiten über Luthers Deutung von Phil 2,5-12 zurückgreifen
und sieht in Luthers Kreuzestheologic ein biblisches Grund-
kritcrium zum Zuge gekommen, vor dem Welt und Kirche zu bestehen
haben. Das Lutherwort in der Überschrift seines Vortrages nahm
er sogar als seinen Wahlspruch an und setzte ihn in sein Bischofswappen
genauso wie in sein Bischofskreuz. Ersieht sich durch Luthers
Kreuzestheologic auch herausgefordert, an den Abschnitt „Das Evangelium
und die Welt" im Malta-Bericht zu erinnern, der bisher nicht
von ungefähr zu wenig in der Diskussion aufgegriffen worden ist.
Schütte erwartet via Sakramentsverständnis „Ansätze einer ökumenischen
Verständigung über Luther" (199). Jorissen erkennt in
Luthers „Ekklcsiologie ein gewaltiges und noch längst nicht ausgeschöpftes
ökumenisches Potential für die Verwirklichung des Weges
zur Einheit der Kirche" (223). So sehr das Engagement eines ökumenischen
Lutherverständnisses zu begrüßen ist, kann doch nicht übersehen
werden, daß Luthers theologischen Erkenntnissen nach evangelischer
Einsicht keine Verbindlichkeit zukommt. Insofern bringt
Martensens Lutherinterpretation eine andere Dimension ins ökumenische
Gespräch, daß Luther sich mit seinem Diktum „Crux probat
omnia" am Neuen Testament orientiert.

Der schmale 5. Teil, „Reformatorisches und neuzeitliches Bewußtsein
", umfaßt die beiden Referate: Gerhard Müller: Luther und die
moderne Welt (241-252) und Karl-Heinz zur Mühlen: Luthers
Freiheitsverständnis im Horizont des neuzeitlichen Bewußtseins
(253-266). Beide Autoren beschäftigen sich mit Luthers Freiheits-
theologic, Müller indem er Luthers Grundanlicgen allgemeinverständlich
darstellt, zur Mühlen in Anlehnungan eigene frühere Arbeiten
im kritischen Dialog mit Herbert Marcusc.

Der vorliegende Band trägt die Merkmale des Genres. Seine Stärken
liegen in der interdisziplinären Konzentration auf einen Themenkreis
, im Bemühen, weniger Ergebnisse eigener Spezialforschungen.
sondern einen Überblick über den derzeitigen Diskussionsstand zu
geben. Der hohe Grad der Allgemcinverständlichkeit gehört gleichfalls
zu den Vorzügen. Die Schwächen liegen vor allem auf der konzeptionellen
Ebene. Bei allem Interesse an einem weitgespannten
Fragenkreis ist eine gewisse Zufälligkeit der einzelnen Vorlesungsthemen
nicht zu übersehen. Den Beiträgen des 1.. 2. und 3. Teiles
(Erben, Schiaich. Goeters. Waldenfels) kann die reformationsge-
schichtliche Forschung wichtige Impulse entnehmen. Es zählt gewiß
zu den verheißungsvollen Aspekten des Jubiläums 1983. daß der
4. Teil der Publikation mit den ökumenischen Beiträgen am geschlossensten
ausgefallen ist.

Druckfehler: Darunib las (87); Wladislaws 1516 (164); Hier kämpfen wir
(178).

Berlin Siegfried Bräuer

Pflug. Julius: Correspondance recueillie et edilce avec inlroduction et
notes par J.V. Pollet, O. P. IV: L'Episcopat (II) Juillet 1553 -
Septembre 1564. VIII, 647 S. m. 30 Abb.. 16 Taf. Lw. htl. 150,-. V:
Supplement. Icrc Partie. VI. 315 S. m. 10 Abb.. lOTaf. Lw. hfl.
100.-. 2° Partie: Julius Pflug et l'allemagne du XVF siecle. Etudes
etdocumcntsparJ. V. Pollet, O.P. VII. 518 S. m. 30 Abb.. 16 Tal'..
3 Ktn.. 2 Tabellen. Lw. hfl. 150,-. Leiden: Brill 1979/82. gr. 8".

Diese hier schon bei früheren Gelegenheiten1 gerühmte und empfohlene
Edition hat nunmehr ihren rühmlichsten Status erreicht: Sie
ist zum Abschluß gekommen. Und zwar darf man sie, was bei Projekten
dieser Art heute ganz selten geworden ist, ein ganz im Sinn des
Wortes „vollendetes" Werk nennen, von einem einzelnen Autor
binnen kurzer Zeit nach einheitlichen Grundsätzen durchgeführt.

Daß es so zustande gekommen ist. ist gewiß auch ein Verdienst des
Verlages, dem olfenbar das rasche Erscheinen der sechs stattlichen
Bände mit ihren vielschichtigen typographischen Problemen innerhalb
von nur 13 Jahren keine großen Probleme bereitet und der es
üppig, ja geradezu verschwenderisch ausgestattet hat. Daß jedoch das
eigentlich Erstaunliche die Leistung des Hg. selbst ist, springt jedem
Leser in die Augen - nicht zuletzt angesichts der ungewöhnlichen und
zum Teil seltsamen Züge, die das Werk auch aufweist.

Denn es handelt sich nicht nur um eine Briefedition. Vielmehr sind
die knapp I 000 Briefe, die dargeboten werden, allesamt sorgsam und
teilweise weitläufig in ihren geschichtlichen Kontext hineingestellt,
und ihnen ist eine Fülle weiterer Texte beigegeben. Das ist in den beiden
1982 erschienenen Supplementbänden fast ins Extrem getreten.
In Grenzen hält sich noch der erste von ihnen, wo sich, neben zahlreichen
Nachträgen aller Arten zu der Ausgabe selbst, noch einmal
39 Dokumente finden, die die Geschichte Pflugs in den Jahren
1539-1546 betreffen: da bleibt immerhin der rote Faden erkennbar,
und man stößt auf manches interessante Stück - etwa zwei anschau-