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Ausgabe:

1986

Spalte:

750-752

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Titel/Untertitel:

Das christlich-koptische Ägypten in arabischer Zeit. Teil 1: A - C 1986

Rezensent:

Schenke, Hans-Martin

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Theologische Literaturzeitung III. Jahrgang 1986 Nr. 10

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vorsichtig der verbreiteten Hypothese vom nichtpaulinischen Ursprung
an) und der Kontext. Die Exegese von V.5 ist ganz von der
Hauptthese der Arbeit geprägt, nämlich vom primär ethischen und
paradigmatischen Verständnis des Hymnus, Paulus begründe seine
Paränese mit dem exemplarischen Sinnen und Verhalten Christi, en
Christ« sei hier nicht im typisch paulinischen Sinne zu verstehen, weil
die Wendung jetzt nicht absolut gebraucht, sondern durch den Hymnus
entfaltet werde. Aufgrund des Parallclismus habe en Christ«.
analog zu ett hymtn (,.in euch"), die Bedeutung ,,in Christus". Der
Parallelismus müßte freilich nach H.s Interpretation in der zweiten
Hälfte heißen: ..was auch Christus in sich dachte". Auch nimmt en
hymitt die Aussagen vom Verhalten untereinander (V. 3b.4) auf. so
daß die Deutung fluf eine Gesinnung „in euch" nicht dem Kontext
entspricht und zu übersetzen ist: „unter euch". So wird man also in
V.5b nicht än, sondern phronein deio. ä. zu ergänzen haben. Immerhin
betont IL wiederholt, daß die von ihm vertretene ethische Interpretation
zugleich eine soleriologischc impliziert, weil der Glaubende
nach paulinischem Verständnis in engster Lebensgemeinschaft mit
Christus steht, so daß Heilsindikativ und ethischer Imperativ untrennbar
verbunden sind.

Der zweite Hauptteil beläßt sich überwiegend mit Phil 2,6-1 I. Der
Gattung nach w ird der Passus als Hymnus bestimmt, ohne daß sich H.
auf diese Einordnung zu sehr festlegt, er setzt das Wort stets in Anführungsstriche
. Hinsichtlich Umfang und Struktur wird die Annahme
paulinischer Ergänzungen durchgehend abgelehnt und die
Zweiteilung (V. 6-8.9-1 I) vertreten, wobei die erste Strophe nochmals
untergliedert wird in V. 6a-7b und V. 7c-8. Bei der Erörterung
des rcligionsgeschichtlichen Hintergrundes wird der Einfluß einer
vorpaulinischen Adam-Christus-Typologic positiv bewertet: vor
allem V. 6 drücke einen Gegensatz aus zu Adam, der nur ein Mensch
war. aber wie Gott sein wollte, während Christus, welcher Gott war.
dem Menschen in allem gleich sein wollte: V. 6c greife Gen 3,5 auf.
Hier klingt bereits die These von H. an. daß schon in V. 6 vom internierten
Christus die Rede sei. - Kritisch steht H. dagegen der Annahme
eines Einflusses von Jes 5.3 gegenüber.

Die KonteXtbetrachtung des Hymnus arbeitet heraus, daß 2,6-11
das Zentrum der Paränese 1.27-2.18 ist. die mit dem Aufruf zum am
Evangelium orientierten Wandel beginnt: Jesus Christus ist das
Vorbild einer Gesinnungsart. die zum Verzicht aufsich selbst bis zum
Äußersten fähig ist; darin liegt das Fundament für die Einheit der
Staubenden, die durch auf Arroganz und Ehrgeiz beruhenden Rivalitäten
gefährdet ist. Besonders gründlich werden 2.1-4, wo das richtige
phronein thematisiert ist. untersucht. Hier finden sich viele gute exegetische
Einzclbcobachtungcn. u. a. zum paulinischen Gebrauch des
Verbs phronein: Es bezeichnet die innere und dynamische Haltung
des Menschen, die sich aus dem Zusammenwirken von Vernunft.
Willen und Gefühl, die vom neuen Sein der Glaubenden in Christus
bestimmt sind, ergibt. Insgesamt arbeitet H. überzeugend die überaus
enge inhaltliche Verbindung der Verse I -4 mit dem sich anschließenden
Hymnus heraus.

In V.6-8 ist nach H. auf Grund des Parallclismus zwischen
V. 6a-7b und V. 7c-8 durchweg vom inkarnierten Christus die Rede;
dies gelte sowohl lürdas paulinische Verständnis (Kontext V. 2—5) als
auch für die Intention des Autors des Hymnus selbst. H. charakterisiert
den Parallclismus freilich als einen synthetisch-progressiven und
spricht von zwei Phasen einer einzigen Bewegung der Erniedrigung,
nämlich Kcnosc und Demut, so daß die Beweisführung gegen eine Beziehung
der Kcnosc auf den präexistenten Christus nicht als zwingend
erscheint. - Aus der eindringlichen Exegese dieser Verse seien hier
besonders genannt die Ausführungen zum Verständnis von tnorphe
(S. 234-247: der äußere Ausdruck einer Existenzweise) und zur
„Raub"-Aussage in V. 6b (S. 248-269: etwas zur Verfügung Stehendes
-in diesem Falle die göttliche Würde - nicht zum eigenen Vorteil
gebrauchen). Kontinuierlich kommt der paulinische. paradigmatische
Bezug der christologischen Aussagen auf die Gemeindesituation
der Philipper zur Sprache.

Der Stilbruch zwischen V.6-8 und V. 9-1 I wird konstatiert, zugleich
aber die innere Einheit des gesamten Hymnus betont. Dafür
wird die Korrespondenz antithetischer Begriffe („Sklave" - „Herr";
„demütigen"- „überauserhöhen") und Wendungen (V. 6bc - V. 9bc)
geltend gemacht. Zu Recht betont H..daß in hyperhypsoun (V. 9a) der
Superlative Aspekt bestimmend ist: Der tiefsten Erniedrigung steht
antithetisch die grenzenlose Erhöhung gegenüber. Deutlich wird die
Schlüsselfunktion von Jes45.23 für die Interpretation der Verse lOf
herausgestellt. Die Trias in V. 10b wird auf die himmlischen Wesen,
die auf Erden Lebenden und die Toten der Schcol bezogen und die
Huldigung eschatologisch-zukünftig verstanden. Die Schlußdoxolo-
gic wird gut begründet mit exhomologäsälai verbunden, letztlich aber
auf den ganzen Hymnus bezogen: Die verzichtende und demütige
Haltung, die für Christus während seiner irdischen Existenz charakteristisch
war. ist auch im erhöhten Christus präsent, der seinen Status
als Kyrios nicht zur eigenen Apotheose, sondern zur Ehre Gottes des
Vaters gebraucht.

In einem Anhang werden noch drei Einzelprobleme behandelt: I.
Gebrauch von phrän samt Derivaten (in der griechisch-hellenistischen
Welt, in der Scptuaginta. im hellenistischen Judentum und im
Neuen Testament), 2. die verschiedenen Interpretationen der
Kenosc-Aussage von V. 6f(der Bogen reicht von den klassischen Dcu-
tungsmodellen bis hin zur soziologischen Interpretation und zum
Verständnis in der Spiritualität der russischen Religionsphilosophen
). .3. zwei Probleme in V. I I c (hier wird die Annahme, die Doxo-
logie gehöre zum Wortlaut des Bekenntnisses, ausführlich widerlegt
und die Hypothese einer paulinischen Hinzulügung der Doxologie
zurückgewiesen).

H. hat mit seiner Studie die zentrale Rolle des phronein für die Paränese
in Phil 1.2711'überzeugend herausgearbeitet und den Hymnus
fest in den Kontext eingeordnet. Auch die - gelegentlich zu starke -
Betonung der ethisch-paradigmatischen Funktion des Hymnus im
jetzigen Zusammenhang dürfte grundsätzlich zutreffend sein; Paulus
begnügt sich ja nicht mit einem kurzen Hinweis auf die stellvertretende
Niedrigkeit des Christus (vgl. 2Kor8.9). sondern er zitiert ein
traditionelles Stück, in dem das Verhalten des Christus ausführlich
und ohne direkten soteriologisehen Bezug beschrieben wird. Die von
H. vorgetragene Deutung des Verses 5 scheint mir freilich zu einseitig
zu sein. Auch wird man der Beziehung der Verse 6fauf den Inkarnierten
und auf eine Adam-Christus-Typologie wohl noch immer widersprechen
können. Auf jeden Fall aber hat H. sowohl die Exegese von
Phil 2.1-1 I insgesamt als auch die Arbeit am Hymnus selbst durch
viele gute Beobachtungen bereichert. Dafür ist ihm zu danken, ebenso
der Librcria Atcnco Salcsiano. die den Druck hervorragend betreute.
Es ist zu hoffen, daß diese Monographie, in der sowohl die patri-
stischen Auslegungen als auch die neueren und neuesten internationalen
Untersuchungen zu Phil 2 ausgiebig diskutiert werden, im
deutschsprachigen Bereich gebührend Berücksichtigung findet und
daß die Vcrstehensbercitschaft, mit der H. auch auf abweichende Positionen
eingeht, seiner Studie dann ebenfalls zuteil wird.

Berlin Christian Woltf

Kirchengeschichte: Mittelalter

Timm. Stefan: Das christlich-koptische Ägypten in arabischer Zeit.

Eine Sammlung christlicher Stätten in Ägypten in arabischer Zeit,
unter Ausschluß von Alexandria. Kairo, des Apa-Mcns-Klostcrs
(Der Abu Nina), der Sketis (Wadi n-Natrun) und der Sinai Region.
Teil I: A-C. Wiesbaden: Reichert 1984. VII, 485 S. 8° = Beihefte
zum Tübinger Atlas des Vorderen Orients Reihe B (Geisteswissenschaften
)^ 1.1. Kart. DM 140.-.

Was uns vorliegt, ist der Anfang eines breit angelegten, aber wichtigen
Unternehmens. Der Haupttitel von T.s Buch bezeichnet das
eigentlich angestrebte Ziel. Es geht detrl Vf. um eine topographische