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Ausgabe:

1986

Spalte:

740-741

Kategorie:

Judaistik

Autor/Hrsg.:

Eccles, Robert S.

Titel/Untertitel:

Erwin Ramsdell Goodenough 1986

Rezensent:

Delling, Gerhard

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Theologische Literaturzeitung III. Jahrgang 1986 Nr. 10

740

Landessynode auseinandergesetzt, und zwar im Blick auf die fragliche
Schriftgemäßheit von theologischen Aussagen in jenem Beschluß,
welchen die Synode (nach presbyterial-synodalem Sclbstverständnis)
in den Rang kirchlicher Lehre erhoben hat.

Fünf der in den vorliegenden Sammelband aufgenommenen Beiträge
blicken auf den Rheinischen Synodalbeschluß zurück. Mit
„Zwei Heilswege?" (212-230) setzte sich Gräßcr in der Festschrift für
Franz Mußner mit dessen „Traktat über die Juden" (1979) auseinander
und insistierte darauf, daß es dem Neuen Testament zufolge nur
den einen Heilsweg des Glaubens an Jesus Christus gibt. In „Exegese
nach Auschwitz?" (259-270) führt er eine kritische Auseinandersetzung
mit B. Klapperts am Tage des Synodalbeschlusses gehaltener
Bibelarbeit zu Hebr 11, die von Klappert für „konstitutiv" zur Würdigung
des Beschlusses erachtet wurde, von G. aber als „exegetische
Katastrophe" eingeschätzt wird (233). „Christen und Juden"
(271-189) ist ein Beitrag zu A. Gunnewegs 60. Geburtstag überschrieben
, mit dem G. angemessene exegetische Voraussetzungen für den
christlich-jüdischen Dialog wiedergewinnen möchte. Dieses Ziel verfolgen
auch ein Aufsatz zur paulinischen Theologie („Ein einziger ist
Gott", Rom 3.30. Zum christologischen Gottesverständnis bei Paulus
. 231-258) und eine Exegese, vor dem Arbeitskreis der „Alten
Marburger" vorgetragen (Moses und Jesus. Zur Auslegung von
Hebr 3.1-6. 290-311), eine Vorarbeit zu dem von G. seit langem erwarteten
Kommentar zum Hebräerbrief.

Daß G. auf die aktuelle Diskussion über den Rheinischen Synodal-
bcschluß gut vorbereitet war. zeigen ältere Beiträge, und zwar vorab
seine Probevorlesung aus Marburg von 1964 (Die antijüdische Polemik
im Johannesevangelium, 135-153) und ein verwandter Aufsatz
(Die Juden ... in Joh 8.37-47, 154-167). Beide Untersuchungen entbehren
nicht der Bezugnahmen auf das christlich-jüdische Gespräch,
erschweren sich freilich die entsprechende „apologetische" Aufgabe,
wenn sie im Sinne von Bultmanns exegetischer Konzeption die
„Juden" im Johanncsevangelium als Repräsentanten der ungläubigen
Welt verstehen, die konkrete Auseinandersetzung mit der jüdischen
Synagoge, welche nach 70 die Christen des Schutzes als „religio licita"
beraubte und sie so der staatlichen Verfolgung aussetzte, aber nur als
historischen Rahmen für jenes umfassende theologische Urteil ansehen
.

Schon 1978 erschien auch die Erwiderung auf den peinlichen Versuch
eines Fachkollegen, ausgerechnet Rudolf Bultmann als Anti-
judaisten zu diffamieren (Antijudaismus bei Bultmann? 201 -21 I).

Nur begrenzt einschlägig sind „Nachfolge und Anfechtung bei den
Synoptikern" (168-182) sowie „Jesus und das Heil Gottes"
(183-200). Bemerkungen zur vor allem Rudolf Bultmann vorgeworfenen
Individualisierung des Heils. Veröffentlicht 1975 in der FS.
für Hans Conzclmann. Der Vf. nimmt diese Beiträge auf. weil sie das
„Neue" des neutestamentlichen Heilsvcrständnissesbetreifen.

Handelt es sich bei den zehn genannten Aufsätzen um Reprints (im
ursprünglichen Sinn), denen in einigen Fällen Nachträge angefügt
wurden, so bei der Studie, die dieser Sammlung vorausgestellt ist.
annähernd die Hälfte des Buches umfaßt und ihr den Namen gegeben
hat, um die Erstveröffentlichung einer exegetischen Vorlesung, die
Gräßer 1979/80 unter dem passenderen Titel „Bund im Neuen Testament
" in Jerusalem gehalten hat. Der Leser stößt auf eine Untersuchung
des Begriffs diathSke, die im wesentlichen den einzelnen
neutestamentlichen Belegen nachgeht und sie aus ihrem weiteren und
engeren Kontext deutet. Dabei bestätigt sich, daß diathlkl innerhalb
des Neues Testaments nur im Hebräerbrief und in der Abcndmahls-
übcrlieferung ein größeres Gewicht hat und daß der Begriffsich stets
in kritischer Auseinandersetzung mit der partikularistischen jüdischen
Bundesvorstellung findet. Die eschatologische Neuheit des in
Jesus Christus geschlossenen Bundes verbietet deshalb, den Bundesbegriff
zum „Katalysator einer gesamtbiblischen Theologie" zu
machen. Daß der Begriff „Bund" in der synoptischen Jesusüber-
liefcrung fehlt, erklärt G. mit Recht aus der apokalyptischen Anthro-
pologisierung bzw. Individualisierung der Verkündigung Jesu (128ff;

vgl. 197f): denn dialheke ist mit dem Gedanken der kollektiven Erwählung
des Bundesvolkcs unlösbar verbunden.

Ein Nachwort, dessen Eingangssätze bereits zitiert wurden, betont
das Interesse des Autors am christlich-jüdischen Dialog und faßt
zusammen, womit die verschiedenen Beiträge der vorliegenden
Sammlung diesem Dialog förderlich sein können. „Theologischer
Besitzverzicht" und „bewußt verändernde Interpretation des Neuen
Testaments" schaden dem jüdisch-christlichen Gespräch und werden
auch von den ernsthaften jüdischen Gesprächspartnern nicht honoriert
. Die christliche Botschaft bringt das eine Heil für alle im Glauben
an Jesus Christus, ein Zeugnis, das die Synagoge nicht annimmt. Diese
Erkenntnis hat die Basis des Gesprächs zu sein, das dennoch ein brüderliches
Gespräch im Bekenntnis zu demselben Gott sein kann.
Denn das Ja Gottes, in Christus zu allen Menschen ohne Unterschied
gesprochen, kann niemand als antijüdisch bezeichnen.

Berlin (West) Walter Sehmithals

Eccles. Robert S.: Erwin Ramsdell Goodenough. A Personal Pilgri-
mage. Chico. CA: Scholars Press 1985. X, 189 S.. I Taf. gr. 8* =
SBL. Biblical Scholarship in North America. Kart. $ 16.95; Lw.
$22.55.

Goodenough (1893-1965) kam aus einer gut methodistischen
Familie (3-5); er war einige Zeit methodistischer Prediger. Bald
wandte er sich der Religionswissenschaft zu und allmählich von der
überkommenen Orthodoxie ab (I). Harvard wurde der große Wendepunkt
für sein geistiges und geistliches Leben (6). Im vorletzten
Kap. 8, The Personal Rcligious Quest (131 -158), knüpft E. an Kap. I
an (7). die fortschreitende Lösung von der traditionellen Religion
durch den .reifen' G. (132. vgl. I 74F). G. nennt hernach sich selbst
einen Agnostiker, unterscheidet sieh aber scharf von den Atheisten,
die Gottes Existenz leugnen (1541"). 1937 schreibt er in einem Brief: "I
shall never stop being a Methodist, little as the Methodists are aware
of it"(l57).

Philon war nach G. "not an original philospher at all"(43). Sein
Werk bestand darin, sagt G. (43). zu zeigen, daß das Beste der gricch.
Lehre abgeleitet war aus der Tora und in ihr seinen höchsten Ausdruck
fand (43). Philon verwertet dabei anderes Gut: "Philo is an
cclectic nco-Pythagorean Piatonist who lüses to the ideas of Philo
mystic notions from the Orphics. (Vom Persia. and from Isis. Philo is
not an innovator." Er war seinerseits beeinflußt durch "an alrcady
independently Hellenistic-Jcwish mystery". Sein Beitrag war der
vollste Ausdruck und die klassische Form zu diesem (61, vgl. 56).

Philon war nach G. in der Beachtung jüdischer Traditionen ein
durchaus loyaler Jude (43). auch wenn er zugleich die „mystische"
Seite seiner Gedankenwelt in gricch. bzw. hellenistischer Redeweise
darstellt (43). Man kennt Philon erst ganz durch die nur armenisch erhaltenen
„Quaesl". die "both the literal meaningand the inlellectual
ormystical mcaningofeach verscoftext"geben (42).

"Philos Judaism was Moscs-centered" (51). Er zitiert im Blick auf
heidnische Leser nur den Pentateuch (51). die göttliche Offenbarung
(50). Die Tora ist der Heilsweg: darin zeigt sich Philons wesentliches
.ludesein (50). Die Deutung der Tora als mystischer Weg zu Gott
(Mens logos) übernahm Philon nach G. aus dem zeitgenössischen
Judentum (51).

Für Philon war die Bundeslade als die Stätte der Gegenwart Gottes
das Herz alles dessen, was in der jüd. Religion geheiligt war: in ihr sind
alle Kräfte Gottes symbolisiert (48). G. hält es Für möglich, daß "the
mystery of Aaron". der Stiftshütte bzw. des Jerusalemer Kultus,
zurückgeführt werden kann auf das palästinische Judentum (53. vgl.
52).

Freilich meint Ci. nach E.: "For Philo the real was the immnierial"
(45). die religiöse Erfahrung dieser (wahren) Realität ist lür Ph. entscheidend
(zu ihr kommt es durch "correct education", 45). Doch
spricht G. bei Philon dem von ihm Sakrament Genannten eine besondere
Bedeutung zu. Es vereinigt nach G. das äußere Zeichen mit der