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Ausgabe:

1986

Spalte:

696

Kategorie:

Praktische Theologie

Titel/Untertitel:

Schöpfungsglaube und Umweltverantwortung 1986

Rezensent:

Amberg, Ernst-Heinz

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Seite 1

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Theologische Litcralurzeitung III. Jahrgang 1986 Nr. 9

696

Das liegt v. a. am Mangel an Methode. Die Vfn. will zwar anthropologische
Sachverhalte nicht theologisch etikettieren (106). Ihre Stellungnahme
zu TiUichs Korrelationsmethode schwankt etwas (25.
124); die Theologie bringe nicht allein Antworten, sondern Situa-
tionsanalysc (125). Genau das möchte der Leser außer in dogmatisch
richtigen Sätzen zum Sein des Sünders auch phänomenologisch deutlich
sehen.

Im übrigen ist der IdentitätsbegrilT Lriksons reicher (latent durch
seinen Anwendungsbereich, in der Reflexion jedoch durch Auseinandersetzung
mit Hartmann. Mcad u. a.. vgl. .Identität und Lebenszyklus
'); er uniläßt konstitutionelle Gegebenheiten, libidinösc
Bedürfnisse, Fähigkeiten, Identifikationen, Abwehrmaßnahmen.
Sublimationen und Rollen (Kultur- und Soz.ialbezug!). (Zur Sorglosigkeit
bei der Drucklegung will sich der Rez. nicht ausführlich äußern;
es genügt, darauf zu verweisen, daß Lrikson im Untertitel als .Erich'
erscheint und der Rez. zweimal mit einem als ,E.' abgekürzten Vornamen
versehen wird.).

In völlig andere Zusammenhänge gerät der Leser des Buches von
V i ladesau. Die Anthropologie, im Titel versprochen, und erst recht
die Hoffnung sind auf den ersten Blick nur schwer zu linden. V. legt
eine theologische Erkenntnis- und Scinslehre vor. die allerdings (aus
apologetischen Gründen) im Zeichen der .anthropologischen Wende'
steht. Dabei verfolgt V. die beiden von ./. Mareehal ausgehenden
Linien einer mystisch-intuitiven Erkenntnis der ersten Grundlagen
des Seins und einer Metaphysik, die in eigentümlicher Doppelung den
ontischen Überstieg ins Jenseitige und den erkenntnistheoretischen zu
den Bedingungen der Möglichkeit (der Erkenntnis) als .transzendental
' (transcendental) versteht. Die Synthese von Thomismus und
Idealismus, wie sie bei Lötz, aber auch beim frühen Rahner vorliegt,
läßt sich spüren. V. gibt sich aber als Schüler v. a. Lonergans zu erkennen
und betont die Intelligibilität im Sein selbst (137). Nach den
Bedingungen der Möglichkeit des Wissens zu fragen bedeutet Onto-
logie zu entwerfen und damit die letzte Orientierung des Menschen
freizulegen. Sie liegt in einer .gnoseologischen Konkupiszenz' (9) und
in der cxistentialen Frage nach Sinn und Totalität (39). Deshalb
versucht V.. Einsichten nichtchristlichcr Religionen zu integrieren
(40IT). Er interpretiert Tillichs Frage-Antwort-Korrelation so. daß wir
im Licht der göttlichen Antwort fragen (191) und stellt sich damit zu
de Lubac(finalitc sans fin)( 154) sowie Rahner (,Hörer des Worts').

Des V. Ausführungen zum Thema .Gott' bringen nichts Neues.
Hingegen könnte den kontinentalen Leser seine von Lonergan (u. a.)
inspirierte Theorie des Wissens interessieren. Sie setzt Stufen der
Intelligibilität voraus (29). anhebend mit der undifferenzierten Einsicht
, fortschreitend über Common sense und (differenziertem)
Bewußtsein zum Wissen der Transzendenz, die das Ganze des Seins
umfaßt. Dieser umgreifende Akt ist zugleich ein Tun, der die eigene
Existenz (im .VorgrifT auf das Umfassende' - S. 124) aneignen läßt.
Diese Skizze, so gedrängt sie auch sein mag, deutet an. daß trotz V.s
Kaiil-Knük (1100 die metaphysischen Probleme Kants dennoch
nicht aufgearbeitet sind (was sich an der unreflekticrten Zustimmung
zu TeilhardsAnsatz-S. 38-zeigt).

Was ist nun der Mensch? Im Rahmen eines weitgehend mittelalterlich
entworfenen Stufen-Kosmos (auch wenn Gott, die Idee allen
Seins eher einer Intuition - S. 80 - offensteht) ist er in besonderer
Weise auf die mittelalterlichen Transzendentalicn, hier v. a. das Sein
und das Gute), ausgerichtet (150); und darin hat er die .transzendentale
' Bedingung der Möglichkeit freier Wahl (151). Sünde (Hauptthema
des ersten hier vorgestellten Buches) resultiert aus dem darin
gegründeten relationalen Charakter endlichen Seins (184). Volonte
voulante und volonte voulue treten in einen Widerspruch (187).

Säkulare Anthropologie ist vielleicht durch nichts so sehr gekennzeichnet
wie durch den Verzicht darauf, das Ganze (des Seins) zu
denken. Ihr erfolgreichstes Paradigma, die Evolution, verzichtet auf
ein letztes Ziel. V. versucht diese Situation aufzufangen und durch
ein Räsonncmcnt über Sein und Wissen zu überbrücken Erikson,
Gegenstand des ersten hier angezeigten Buches, beschränkt sich auf

das Ganze eines sich integrierenden Lebens (in dessen Relativität).
Schneider-Flume setzt dem psychoanalytischen Kontext thetisch
theologische Einsichten entgegen. Aber haben sich nicht die Bedingungen
der Theologie durch die modernen Wissenschaften gewandelt,
so daß für beide Vf. die Frage nach dem Ganzen (des Seins- und
Frkenntnishorizonts sowie des kontingenten Lcbcnsvollzugs) gerade
in der Verlegenheit, die sowohl die Theologie wie auch die empirischen
(Human-)Wissenschaftcn betrifft, neu aufzugreifen gewesen
wäre? Sie hätte an das Rätsel (oder, theologisch gesprochen, das
Geheimnis) des Menschen anders rühren müssen.

Bochum C'hrislofcr Frey

knuth, Hans Christian, u. Wenzel Lohff [Hg.]: Schüpfungsglauhe und
Umweltverantwortung. Eine Studie des Theologischen .Ausschusses
der VELKD. Hannover: Luth. Verlagshaus 1985. 268 S. kl. 8' = Zur
Sache. Kirchliche Aspekte heute, 26. Kart. DM 16.80.

Adressaten dieser Studie sind laut Vorwort vor allem „verantwortliche
Meinungsträger in der Kirche, die vor der Aufgabe stehen, die
theologische und ökologische Perspektive zu vermitteln" (7). Entsprechend
dieser Doppelung ist auch der Ansatz strukturiert: Schöp-
lüngsglaubc und ökologisches Denken. Daraus werden dann ethische
Konsequenzen gezogen. Das ergibt die Dreiteilung der Studie:
1. Theologische Grundlegung (13-18). Während im Vorwort sehr
summarisch formuliert wird: „In der Bibel wie beim einzelnen < Raubenden
ist der Schöplüngsglaubc eine Folge des Heilsglaubens" (8).
findet sich in Teil I eine etwas differenziertere Sicht: „Das Neue
Testament setzt den alttcstamentlich-jüdischen Schöplungsglauben
als Grundvertrauen zum Handeln des Schöpfers durchweg voraus"
(17). Abschließend wird von der „spannungsvollen Zusammengehörigkeit
von Schöpfung und Erlösung" gesprochen (18). II. Ökologische
Aspekte und ihre Verarbeitung (19-29). Hier werden ökologische
Beispiele zusammengestellt, aus dem christlichen Bereich /.. B.
folgende: Vancouver 1983, KEK 1982, EKD 1984. III..Ethische Folgerungen
für ein neues Verantwortungsbewußtsein (29-43). Folgende
Gesichtspunkte verdienen besondere Aufmerksamkeit: Beteiligung
des Menschen an der Erhaltung der Welt Gottes, Erneuerung der Vernunft
. Sittliche Qualität des technischen Umgangs mit der Natur (hier
der wichtige Satz: „Die Technikfremdheit unserer. . . Traditionen ist
nicht Ausweis einer höheren, sondern einer verantwortungsfremden
Lebenshaltung" [40]).

Weiter werden folgende Referate abgedruckt (während der Arbeit des Ausschusses
vorgetragen): J. Beeker: Geschöpfliche Wirklichkeit als Thema des
Neuen Testaments. - J. Jeremias: Die Verwendung des Themas Schöpfung im
AT. - W. LohlT: Thesen zur Systematik einer Studie für die Schöpfung -
H. Ch. Knuth: Verziehten lernen oder die Freiheit, nein zu sagen. - J Track:
Dominium Terrae. - W. Joest: Die Lehre von den Zwei Regimcntcn Gottes und
der Gedanke der Schöpfungsordnungen.

E. H. A

Praktische Theologie:
Katechetik/Religionspädagogik

Ringel. Erwin, u. Alfred Kirchmayr: Religionsvcrlust durch religiöse
Erziehung. Tiefenpsychologische Ursachen und Folgerungen.
Wien-Freiburg-Basel: Herder 1985. 241 S. 8" Kart, ö S248-.

Der Titel des Buches dürfte in einer Zeit, der der „Abschied vom
Christentum" immer entschiedener nachgesagt und nachgewiesen
wird, vielfaches Interesse von Seelsorgern, Lehrern. Eltern und Ärzten
auf sich ziehen, und dies um so mehr, als die Tiefenpsychologie weithin
das Vertrauen genießt, wissenschaftlich verantwortete Ursachenforschung
zu betreiben, und außerdem der Name Erwin Ringels, des
bekannten Wiener Suizidforschers, solches Vertrauen zu rechtfertigen
scheint. Schnell zeigt sieh jedoch, daß dieses Buch ganz ausgesprochen
xunt ira et studio' geschrieben wurde und geschrieben werden sollte.
Es handelt sich um eine vehemente Anklage gegen die katholische
„Amtskirchc" wegen ihrer Icbcnshcmmcnden, neurotisicrenden Ein-