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Ausgabe:

1986

Spalte:

681-682

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Titel/Untertitel:

Tertullien, De la Patience 1986

Rezensent:

Haendler, Gert

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Theologische Lilcriilurzcitung III. Jahrgang 1986 Nr. 9

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einander zu konstruieren. Die Problematik seines Konzepts wird bei
der Bestimmung des Untersuchungsobjekts besonders deutlich:
"Athanasius was firsl and fbremosl a saint" (S. 246). Euscb dagegen
war kein Heiliger. So werden Sympathie und Antipathie des Vf. in der
ganzen Arbeit deutlich akzentuiert. Das soll der Fortschritt über die
Methode Eduard Schwartz' hinaus sein?

- Der Blick des Vf. ist innerkirchlich und innertheologisch orientiert
. Es war schon gesagt, daß er auch hier nicht alles verarbeitet. Zu
S. 269 z. B. wäre unbedingt H. J. Sieben. Die Konzilsidee der Alten
Kirche. Paderborn 1979. 25-67. hinzuzuziehen gewesen. Alle von
Althistorikern zu den sozialen, politischen, ideologischen und kulturellen
Hintergründen erarbeiteten Ergebnisse sind unberücksichtigt
geblieben. Wenigstens auf zwei Werke sei hingewiesen: Die diversen
historischen Beurteilungsmöglichkeiten dcs4.'5. Jh. hat A. Demandt
(Der Eall Roms, München 1984) zusammengestellt. Zur Kirchenpolitik
des Constantius (z. B. S. 479 Anm. 17) vgl. R. Klein (Con-
stantius II. und die christliche Kirche. Darmstadt 1977). dazu die
Rezension von O. Krcstcn (Jahrb. Östcrr. Byz. 30. 1981.332-337).

Wer über die Euscb- und Athanasiosproblematik Bescheid weiß,
wird diese Arbeit mit Gewinn benutzen können. Basicren auf
Quelleninterpretationen, kritische Auseinandersetzung mit For-
schungslitcratur. Bemühung um den "main purpose"(S. 265) der beiden
Schriftsteller sind Pluspunkte der Untersuchung. Doch man muß
beim Lesen ständig auf der Hut sein.

Berlin Friedhclm Winkelniann

I ertullien: De la Patience. Introduetion. Texte crilique. Traduction et
Commcntairc parJ.-C. Frcdouillc. Paris: Cerf 1984. 309 S. 8". Kart,
ffr 125.-.

I crlullians Schrift über die Geduld war in den Editionen CChL
(Turnholt 1954. Bandl) und CSEL (Wien 1957. Band 76) von
Ph. Borlclfs herausgebracht worden. Seinem Text wollte zunächst
■Uch die Pariser Edition folgen, doch hat f rcdouillc schließlich einen
Text vorgelegt, der in vielen Passagen von dem seines Vorgängers abweicht
(46. A. 14). Wiederholt wird auch auf die alte Edition im
C SEL 47 von Kroymann verwiesen (Wien 1906). Drei mittelalterliche
Textüberlieferungen werden vorgeführt (39-46). ein Stemma
der Collect kl Cluniacensis stellt die wichtigste Überlieferung auch
noch graphisch vor Augen (57). Zwischen der Einleitung (7-57) und
einem Kommentar (I 17-282) nimmt der lateinische Text mit einer
französischen Übersetzung einen relativ schmalen Raum ein:
60-1 15.

Die Schrift ..De patientia" gehört eindeutig in die katholische
I poche Tertullians und entstand ziemlich wahrscheinlich vor 204.
Einflösse von Seneca her werden unterstriehen (16-20): sie zeigen
vich auch deutlich im Index III. der die antiken Autoren nennt:
Seneca wird 75mal genannt (301-303). freilich bezichen sich alle Verweise
nur auf die Einleitung oder den Kommentar Ausführlich wird
auf Tertullians Äußerung in 1.7 eingegangen, die Geduld werde auch
Von den sonst so unterschiedlichen 'Philosophen als die höchste
lugend anerkannt (Einleitung. Kap. 3. 21-33). Man kann das wohl
eine Übertreibung nennen; in der Eiste der personifizierten Gottheiten
ist die Cieduld nicht enthalten (21). Aber in Nordafrika gibt es
eine Inschrift mit der Dreihcit Paticntia-Virtus-Spcs (22). Die
Patientia des AugUStUS stand noch lange in hohem Ansehen. Neben
den 4 klassischen Kardinaltugcnden gab es auch noch eine Trias
«couragc-paliencc-magnanimite: (e lüt. jusl'ä Epictetc. la position
definitive du stoicisme» (25). An dieses Erbe der Stoa konnte Tertullian
anknüpfen. Vielleicht hat er bei seiner Formulierung Scnccas
Brief an Eucilius im Gedächtnis gehabt, der (ür bestimmte Lebensumstände
der Geduld einen Vorzug vor allen anderen Gütern zuschrieb
. Bei Philo von Alexandrien gibt es eine Stelle, die ..karicria
kiii hypomonä" zu den größten Tugenden zählt (26. A. 13: De chcru-

bim 78). Tertullian verbindet die Geduld mit Glaube und Hoffnung,
so daß sie eine andere Qualität gewinnt als die philosophische Cieduld.
Im vorletzten Kapitel seiner Schrift (15) beschreibt Tertullian die
Cieduld näher: dabeit trägt diese freilich durchaus stoische Züge, «le
masque de l'apatheia» (32). Nach Auffassung von Frcdouillc finden
sich die wichtigsten Gedanken Tertullians über die Geduld erst in
seinen Schriften Scorpiacc und De fuga in persecutione (33).

Tertullians Abhandlung De patientia wurde von späteren Kirchenvätern
niemals direkt zitiert: um so verdienstlicher ist ein Überblick,
der inhaltliche Wirkungen zeigt auf Cyprian, Laktanz. Prudcntius.
Augustin sowie möglicherweise auch auf Zeno von Verona und Hilarius
von Poitiers (34-38). Auf der letzten Seite des Einbandes steht,
daß unter den Schriften Tertullians die über die Cieduld am meisten
über die Begegnung zwischen heidnischer Antike und der ..neuen"
Religion offenbare. Solches Urteil ist als Reklametext verständlich; es
übersieht aber Tertullians Schrift an die Märtyrer, in der in Kap. 4
Bibelstellen mit Beispielen aus der römischen Geschichte zusammenwachsen
zu einer Einheit, die in der Abhandlung über die Geduld
nicht erreicht wird.

Rostock Gert Haendler

Hallonstcn Gösta: Meritum bei Tertullian. Überprüfung einer For-
schungstradition II. Malmö: Glcerup 1985. 340 S. gr. 8' = Studia
Theologien Lundcnsia. 40.

Das Buch von Hallonstcn über „Satisfactio bei Tertullian" (1984)
war im Rahmen eines Aufsatzes ausführlich als bahnbrechende Leistung
dargestellt worden (ThLZ III. 1986. 4-10). Der angekündigte
Fortsetzungsband ist erfreulich rasch erschienen. Er führt zu ähnlichen
Ergebnissen: ..Tertullian ist nicht der Vertreter einer .Meri-
tumthcologie'. wenn damit gemeint ist. daß der Terminus meritum
oder andere Worte in der Mcritumgruppc eine zentrale Stellung in
seiner Theologie einnehmen und dort den C harakter von termini
technici haben" (165). Meritum und verwandte Worte sind jedenfalls
nicht ..mit dem Anspruchsgedanken verknüpft" (171). Die Ergebnisse
seiner beiden Untersuchungen läßt H. nochmals zusammen: ..Die
Vorstellung, Tertullian denke sich das Goltcsvcrhältnis als ein
Rechts- oder Anspruchsverhältnis, konnte mit Hilfe einer Untersuchung
der für den Vorstellungskomplex zentralen Lehre über meritum
und satisfactio nicht verifiziert werden." Aber H. geht überdicses
negativ-kritische Urteil hinaus. Er warnt vor einer Vereinfachung der
Fragestellung. Protestantische Forscher haben oft die Überlegungen
der Reformatoren - insbesondere Mclanchthons- übersehen, die sehr
intensiv nach dem Sinn der guten Werke gefragt hatten. Auch möchte
H. die katholische Lehre nicht verzerren: ..Die katholische Vcrdienst-
Ichre betont die Würde des menschlichen Werkes im Verhältnis zum
Lohn, dies aber lediglich im Rahmen einer Gnadenaullässung. die
diesen Würdeverdienst letztlich zu einem Werk Gottes macht. Auf
diese Weise überwindet man den Anspruchsgedanken, mit dem das
Wort meritum verbunden zu sein scheint." (1901") Die Begriffe merecs.
praemium und emolumentum werden mit einbezogen, um eine
Skizze über den Lohngedanken bei Tertullian zu entwerfen
(194-204). Das Ergebnis lautet: ..Der Mensch kann keinen Anspruch
auf Lohn stellen, und nirgendwo wird gesagt. Gott sei dem Menschen
Lohn schuldig" (205).

Sehr beachtlich ist Ii s Hinweis darauf. ..daß der Lohngedanke, einschließlich
der Lehre vom Gericht gemäß den Werken, im NT vorliegt
und einen integrierenden Teil des klassischen Christentums darstellt
" (206). Es ist talsächlich so. daß ..viele Stellen bei Tertullian mit
einer direkten Anspielung auf das NT oder mit Zitaten von Bibelstellen
von Lohn sprechen. Dieses muß kräftig unterstrichen werden.
Die Reaktion der protestantischen Tertullian-Forschung auf die Ter-
lullianstcllen. die vom Lohn. Gericht. Werken und ähnlichem
sprechen, dürfte zu einem nicht geringen Teil damit zu tun haben, daß
die diese Themen behandelnden Teile des NT in neuzeitlicher pro-