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Ausgabe:

1986

Spalte:

676

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Titel/Untertitel:

Arbeiten zur Geschichte des Kirchenkampfes 1986

Rezensent:

Jaspert, Bernd

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Seite 1

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675

Theologische Literaturzeitung III. Jahrgang 1986 Nr. 9

676

men gegen die Waldenser im Piemont gab es doch auch solche gegen
dieWaldenserin Kalabrien.

In einer wertvollen Zusammenfassung der Quellenlage vermißt
man den Hinweis darauf, daß die Inquisitionsprotokolle für Sizilien
und Sardinien heute in Spanien aufbewahrt werden. Unter dem Sammelbegriff
„Evangelismus" bringt der Vf. eine umsichtige Charakteristik
jenes Frömmigkeitstyps, auf dessen Boden das klassische Werk
„Beneficio di Gesü Cristo" entstanden ist. Das Jahr seiner Niederschrift
(1542) fällt in eins mit der Verschärfung der Inquisition, die
nun in Italien repressiv gegen philoprotestantische Äußerungen eingreift
. Der Leser wird in dankenswerter Übersichtlichkeit mit den geographisch
zerstreuten evangelistischen und häretischen Gruppierungen
innerhalb Italiens vertraut gemacht (Neapel, Sizilien, Kalabrien.
Apulien. Kirchenstaat. Toskana. Lucca. Genua. Savoyen. Mailand,
die Staaten der Este und der Farnese. Mantua und Venedig). Die
Erneuerungsbewegung verdichtete sich in einigen Orten und Gegenden
des ital. Nordens und erschien zugleich geistesgeschichtlich zersplittert
: eine reformatorisch orientierte Richtung, eine täuferische
oder antitrinitarischc Spiritualität oder sozialer Protest, meistens
unter beträchtlichem klerikalen Anteil. Fürdie Intellektuellen, furdie
der „Nikodemismus" untragbar wurde, blieb nur der Weg ins Exil
offen. Auch hier gibt der Vf. einen sehr nützlichen Überblick über die
Ausstrahlung italienischer Emigranten im Zeitalter der Reformation
in ganz Europa (Graubünden. Genf. Zürich. Basel. England. Mähren.
Polen. Siebenbürgen). Der Forschung ist dadurch gut gedient, daß auf
die zahlreichen neuesten Teilstudien auf diesem Gebiet aufmerksam
gemacht wird. Mit Recht wird der Anteil dieser Italiener, besonders
der Antitrinitarier. die zur Schaffung einer Lage führte, die nach Toleranz
rief, hervorgehoben: dagegen wird die Rolle der sich zur Reformation
bekennenden Theologen etwas im Schatten gehalten.

Bei der Beantwortung der Frage, warum die Reformation in Italien
gescheitert ist. empfiehlt der Vf. zu berücksichtigen: ihre mangelnde
Verwurzelung im Volk, besonders im Bauerntum, das Fehlen eines
geographischen Zentrums, einer Führerfigur, einer einheitlichen
Lehre, der Unterstützung von Seiten der höheren Fürsten. Das im
Laufe des Jh. gestärkte Papsttum konnte unbehindert, mit Hilfe der
Jesuiten und der Inquisition, die Ketzcrbekämplüng durchführen.

Prag Amedeo Molnär

Gerken. Leo: Prophetischer Kampf für die Rechte der. Indianer. Zum 500.
oder 501. Geburtstag des Dominikaners Bartolome de Las Casas (WuA(M) 26.
1985. 178-183).

Hodler. Beat: Das Widerstandsrecht bei Luther und Zwingli - ein Vergleich
(Zwing. 16.1985.427-441).

kirchhnff. Karl-Heinz: Die Endzeiterwartung der Täufergemcinde zu Münster
1534/35: Gemeindcbildung unter dem Eindruck biblischer Verheißungen
(JWKG 78. 1985. 19-42).

Knimwiede. Hans-Walter: Martin Luther: die Kompetenz der Vernunft
(JGNKG 83. 1985.55-74).

Locher. Gottfried W.: Die reformatorische Katholizität Huldrych Zwingiis
(ThZ42. 1986. 1-13).

Lohse. Bernhard: Zur Struktur von Luthers Theologie: Kriterien einer Darstellung
der Theologie Luthers(JGNKG 83. 1985.41-53).

Nossol. Alfons: Bedeutung der Theologie Martin Luthers für die zeitgenössische
katholische Glaubenswissenschaft (ThGI 75. 1985. 309-323).

Pesch. Otto Hermann: Warum ging Luther ins Kloster? Eine Polemik gegen
eine neue alte Luther-Legende und ihre Anhänger (Gath 39. 1985.255-278).

Prien. Hans-Jürgen: Grundgedanken der Ekklesiologic beim jungen Luther
(ARG 76. 1985.96-1 19).

Sonntag. Franz Peter: Luther in katholischer Sicht (ZdZ 39. 1985. 195-204).

Spitz. Lewis W.. u. M. Watanabe: Lutherforschung in Amerika und Japan
(LuThK 9. 1985. 121-135).

Vogler. Günter: Das Täuferreich zu Münster als Problem der Politik im
Reich: Beobachtungen anhand rcichsständischer Korrespondenzen der Jahre
1534/35 (MGB 42. 1985,7-23).

Zimmermann. Gunter: Oslanders Zwei-Reichc-Lehre (ZBKG 54. 1985.
29-44).

Kirchengeschichte: Neuzeit

Arbeiten zur Geschichte des Kirchenkampfcs. Bd. 30: Registerband.
Dokumente - Institutionen - Personen. Hg. von G. Grünzinger-
Siebert unter Mitarbeit von H. Braun, C. Nicolaisen u. M. Sieben.
Göttingen: Vandenhocck & Ruprecht 1984. 855 S. gr. 8'. Lw.
DM 158.-.

Mit diesem Band ist die von Kurt Dietrich Schmidt begründete und
lange Jahre von Heinz Brunotte und Ernst Wolf im Auftrag der
„Evangelischen Arbeitsgemeinschaft für kirchliche Zeitgeschichte"
herausgegebene Reihe der „Arbeiten zur Geschichte des Kirchenkampfcs
" sinnvoll Abgeschlossen. Der Abschluß konnte im Zusammenhang
der Ablösung dieser Reihe durch die „Arbeiten zur
kirchlichen Zeitgeschichte" erfolgen. Damit wird zugleich dokumentiert
, daß die kirchengeschichtliche Forschung nach 1945 (äst parallel
in der DDR und in der BRD zurgrundlcgenden Erkenntnis gelangt ist.
daß der Begriff „Kirchenkampf' zwar für den entsprechenden Vorgang
während der Zeit des Nationalsozialismus sachgemäß ist, aber in
dem größeren Kontext der „kirchlichen Zeitgeschichte" verstanden
und interpretiert werden muß. Was allerdings unter „kirchlicher Zeitgeschichte
" zu verstehen ist, wo in diesem Falle die Periodengrenzen
nach rückwärts und nach vorne zu ziehen sind, ist einstweilen durchaus
noch strittig. Aber der Gewinn, der mit der Integration des Begriffes
und damit natürlich des gesamten ßczugsfeldcs ,,Kirchenkampf'
in die „kirchliche Zeitgeschichte" erzielt wurde, ist nicht hoch genug
anzusetzen. Denn nunmehr wird eine lange Jahre allzu „deutsche"
Interpretation des Kirchenkampfes, eine zu sehr auf den „deutschen
Kirchenkampf' konzentrierte Analyse und Darstellung unter dem
Signal „kirchliche Zeitgeschichte" in eine ökumenische Betrachtungsweise
ausgeweitet, was schon den Arbeiten von so profunden
Kennern des Kirchenkampfes wie Kurt Meier und Klaus Scholder
deutlich anzumerken ist. Gerade der ökumenische Bezug der neuen
Mcthodisierung unter dem Stichwort „kirchliche Zeitgeschichte"
bringt die Kirchenkamptforschung aus ihrer jahrelangen lokalen,
regionalen und kontinentalen Isolierung heraus und führt damit zu
einem neuen Aufschwung.

Daß die „Arbeiten zur Geschichte des Kirchenkampfcs" selbst
schon eine beachtliche Geschichte haben und die kirchliche Zeitgeschichte
ihrerseits beeinflußt haben, zeigt die Hcrausgeberin in ihrer
kurzen, aber wissenschaftsgeschichtlich wichtigen Einleitung (9-21).
Im einzelnen enthält der Band - immer auf die 29 vorausgehenden
Bände bezogen - ein chronologisches Verzeichnis der Dokumente von
1919-1969. also weit über den Rahmen des eigentlichen „Kirchenkampfes
" hinausgreifend, sodann ein Aussteller- und Empfängerverzeichnis
, jeweils einen Index der Institutionen und der Personen
sowie ein Abkürzungsverzeichnis. Die Sorgfalt, mit der das alles zusammengestellt
wurde, wird jeder dankbar zu schätzen wissen, der die
„Arbeiten zurGcschichtc des Kirchenkampfes" benutzen will.
Kassel Bernd Jasper!

Vleyer-Zollitsch. Almuth: Nationalsozialismus und evangelische Kirche
in Bremen. Bremen: Staatsarchiv der Freien Hansestadt Bremen
1985. 388 S. gr. 8' = Veröffentlichungen aus dem Staatsarchiv
der Freien Hansestadt Bremen, 51 /1985.

Diese Untersuchung wurde im Sommer 1984 von der Philosophischen
Fakultät der Universität Freiburg als Dissertation angenommen
. In einer ausführlichen Einleitung wird ein kritischer
Überblick über die Entwicklung der Geschichtsschreibung über den
Kirchenkampf im ehemaligen Deutschen Reich im allgemeinen und
im Stadtstaat Bremen im besonderen gegeben. Dadurch bestimmt die
Vfn. ihren eigenen Standort, der ihr durch den größeren Abstand von
den Ereignissen, die sie darstellt, ein hohes Maß an Sachlichkeit
ermöglicht. Ein breites Spektrum sehr differenzierter Verhaltensweisen
, das schon durch die Verfassung der Bremer Landeskirche und
ihrer Gemeinden, die kein gemeinsames Bekenntnis haben, angelegt