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Ausgabe:

1986

Spalte:

673-674

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Stupperich, Robert

Titel/Untertitel:

Reformatorenlexikon 1986

Rezensent:

Rogge, Joachim

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Seite 1

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673

Theologische Literaturzeitung III. Jahrgang 1986 Nr. 9

674

Die Arbeit bietet interessante Beobachtungen, verweist durchgehend
auf Quellen und verarbeitet die umfangreiche Literatur. Das
Ergebnis setzt freilich den Einfluß dertleutschen Vterrscher für Reformen
in der Kirche zu sehr herab und wird zumal der positiven Wirksamkeit
Heinrichs III. kaum gerecht. Ein Problem liegt darin, daß sich
L. völlig mit den Reformern des 11. Jh. identifiziert. Er fragt nicht, ob
etwa der Kampf für die Ehelosigkeit der Priester wirklich vom Neuen
Testament her zu begründen sei. (L. selbst bedankt sich im Vorwort
bei Frau und Kindern.) Die Zentralisierung der Kirche unter das
Papsttum, die damals vorangetrieben wurde, wird von L. nicht als
Problem empfunden, obwohl heute mancher katholische Theologe
weniger glücklich darüber ist. Aber Doktorarl:e'en schießen oft ein
Stückchen über das Ziel hinaus, Doktoranden identifizieren sich mit
ihren Helden. Das ist fruchtbar auch in diesem Falle. L. sagt deutlich,
was er erkannt hat; man sollte sich davon anregen lassen.

Rostock Gert Haendler

Gcanakoplos. Dcno J : An Orthodox view of the C ouncils of Basel (1431-39)
and of Florencc (1438-39) as paradigm for the study of modern ecumenical
Councils(GOTR 30,1985, 311-334).

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Stupperich. Robert: Reformatorenlexikon. Gütersloh: Gütersloher
Verlagshaus Gerd Mohn 1984. 239 S. gr. 8*. geb. DM 98,-.

Dieses Buch ist in mancher Hinsicht etwas Besonderes. St. gibt in
seiner sinnvollerweise längeren Einführung (7-12) sowohl Erstmaligkeit
als auch Grenzen seines Werkes an: Ihm ist „bewußt, daß dieser
erstmalige Versuch eines Reformatoren-Lexikons keine Vollständigkeit
bieten kann und eine solche in unserer Zeit auch nicht zu verwirklichen
ist." (10) Der Vf. setzt „die von Luther ausgehende religiöse
und theologische Bewegung, die die Menschen jener Tage im
Innersten erfaßte und sie vor die letzten Fragen stellte", voraus. (7)

Bei voller Würdigung der oben genannten Einsicht bietet St. in
seinem literarischen Unternehmen neuer Art die Kurzbiögraphien
von mehr als 300 deutschen und außerdeutschen Reformatoren an,
die jeweils nach der Darstellöng auf durchschnittlich 1-2 Kolumnen
um eine Reihe bibliographischer Angaben ergänzt werden. St. folgt in
seiner lexikalischen Arbeit einem Desiderat der Rcformations-
gcscluchtsforschung, daß außer den großen Reformatoren mit ihren
theologischen Ansätzen die Gestaltwerdung der Reformation durch
die weniger wichtigen Reformatoren bzw. durch die „verschiedenen
Seitentriebe" (8) neu eindrücklich werden muß. Man wird dem gleich
eingangs genannten Grundsatz nur zustimmen können: „Um die Reformation
in ihrer ganzen Breite zu erfassen, genügt nicht die Kenntnis
des Ausgangspunktes allein, dazu gehören ebenso die Nebenlinien
und ihre Ausläufer. Denn in die eigentliche Reformationsbewegung
sind oft auch fremde, aus anderen Bereichen stammende Motive und
Bestrebungen hineingetragen worden." (7)

Von der zitierten Erkenntnis her mag ein erster Einwand gestattet
sein, daß der Vf. aus der erstaunlich umfangreichen Reformatorenliste
einen immer wichtiger werdenden Zweig der Wirkungsgeschichtc der
Reformation meint herauslassen zu können: „Die verschiedenen
Scitcntriebe der Reformationsbewegung wie Spiritualismus und
Täufertum, die seit Roland Bainton als .linker Flügel der Reformation
' bezeichnet werden, müssen in diesem Buch um der Deutlichkeit
willen beiseite bleiben. Zeigen ihre Vertreter einerseits starke Berührungen
mit den eigentlichen Reformatoren, so sind sie andererseits
doch keineswegs mit ihnen konform. Indem sie andere Grundfragen
zur Hauptsache ihres Lebens und Denkens machen, erweisen sie sich
als unechte Kinder der Reformation." (8f) Mit diesem Begründungshintergrund
fehlt z. B. ein selbständiger Beitrag zu Thomas Müntzer,
der nur im Zusammenhang mit den wenigen Zeilen über Sylvius

Egranus (74) und im Register (234) mit der terminologischen Kurzcharakteristik
„utop. Spiritualist, Bauernführer" erscheint.

Es wäre besonders hier ganz einfach die freundliche Bitte des Rez.,
Termini und Kriterienkatalog für Aufnahme und Nichtaufnahme in
das lexikalische Werk bei künftigen Auflagen noch einmal zu überprüfen
. Daß Karlstadt ein relativ langer Artikel (400 eingeräumt
wird, kann entsprechend gegenwärtigen Forschungstrends nur begrüßt
werden.

Durch obige Bemerkungen soll keineswegs ein Reigen detailbezogener
Vorhaltungen eröffnet werden, die fehlende Namen oder
nichtgenannte Literatur zum Gegenstand haben. Einem Altmeister
der Reformationsgeschichtsforschung ist auf jeden Fall der Bonus
jahrzehntelangen Vorlaufs für die Abfassung seines Werkes zugute zu
halten und der große Dank dafür zu zollen, daß er sich bei aller Anfrage
an Auswahlkriterien und Umfangbestimmung für Einzelartikel
der Mühe unterzogen hat, die Riesenpalette der so verschiedenen Reformatoren
einmal vorzustellen. Vielen Lesern werden in zahlreichen
Fällen nicht einmal die Namen der aufgeführten Reformatoren bekannt
sein.

Man könnte an den Vf. in diesem Zusammenhang die Frage herantragen
, ob vornehmlich bei weniger Bekannten gerade das Reformatorische
im Wirken dieser Reformatoren hinreichend zum Ausdruck
gekommen ist. Dem biographischen Detail könnte u. U., wo es im
Lebenswerk deutlich heraustritt, das theologiegeschichtliehe Spezi-
ficum hinzugefügt werden, damit auch klar wird, warum der Betreffende
im „Rcformatorenlexikon" erscheint. Das wäre etwa für den
Beitrag des Lutherschülers und auch -gegners Jakob Strauß (203) aufgrund
neuerer Literatur leicht zu erreichen.

Stupperichs Buch ist nützlich. Es hat Nachschlagewerkcharakter,
besonders leicht zu handhaben durch einfache alphabetische Reihenfolge
ohne Rücksicht auf andere Einteilungsprinzipien. Die wenigsten
werden das Werk von vorn bis hinten einfach durchlesen. Sein Gewinn
besteht darin, daß man es immer wieder rasch befragen kann.
Ein Personenregister mit Auflistung der in den Artikeln nicht behandelten
Personen (231-235) und ein Ortsregister (236-239) erhöhen
die Brauchbarkeit. Auch die Tatsache, daß der Vf. sich in
mancher Hinsicht nach vier großen Nachschlagewerken richtet (Allgemeine
Deutsche Biographie, Neue Deutsche Biographie, Protestantische
Realenzyklopädie für Theologie und Kirche, Theologische
Realenzyklopädie) ist begrüßenswert.

Ein Werk wie das vorliegende ist „auf notwendige Ergänzungen"
(11), ja auch wohl auf dauernde Kriterienreflexion angewiesen. Hier
voranzukommen, sei allen gewünscht, die künftig mit dem anregenden
Lexikon umgehen.

Görlitz Joachim Roggc

Welti, Manfred E.: Kleine Geschichte der italienischen Reformation.

Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus Gerd Mohn 1985. 151 S. gr. 8'
= Schriften des Vereins für Reformationsgeschichte, 193. Kart.
DM 58.-.

Der Vf. will „etwas geben, was noch nicht besteht". In der Tat bietet
er ein kurzgefaßtes, gut orientierendes Hilfsbuch zum Studium der
italienischen Reformation, das bisher fehlte, wenn auch Francesco
Lemmi (1939) und Achille Olivieri (1979) um Ähnliches bestrebt
gewesen sind und Valdo Vinay (1982) auf diesem Feld am weitesten
vorrückte. Welti möchte seine Leistung als Bestandsaufnahme über
das Aufgehen von Luthers Saat in Italien gewertet sehen. Da jedoch
seine zugestandene Sympathie den rationalistisch häretischen Tendenzen
innerhalb der italienischen Reformation gilt, wird die auffallend
knappe und problemlose Behandlung des italienischen Wal-
densertums verständlich. Unerwähnt bleibt die potentiell ethnische
Basis der Waldenserbevölkerung für eine alternative Entscheidung
zwischen Reformation im Sinne von Genf und Straßburg oder in dem
des Hussitentums. Neben den kriegerischen Unterdrückungsmaßnah-