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Ausgabe:

1986

Spalte:

671-673

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Autor/Hrsg.:

Laudage, Johannes

Titel/Untertitel:

Priesterbild und Reformpapsttum im 11. Jahrhundert 1986

Rezensent:

Haendler, Gert

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Theologische Literaturzeitung 111. Jahrgang 1986 Nr. 9

672

Heiligenthal, Roman: Der Judasbrief. Aspekte der Forschung in den letzten
Jahrzehnten (ThR 51, 1986, 117-129).

Kümmel, Werner Georg: Das Urchristentum. II. Arbeiten zu Spezial-
problemen. b. Zur Sozialgeschichte und Soziologie der Urkirche (ThR 50,
1985,327-363).

Latourelle, Rene: Originalite et Fonctions des Miracles de Jesus (Gr. 66,
1985,641-653).

Matera, Frank J.: The Death of Jesus according to Luke. A Question of
Sources(CBQ47, 1985,469-485).

Robinson, Donald: Faith's Framework. The structure of New Testament
theology. Exeter: Paternoster Press 1985. 152 S. 8' = Albatross Book. Kart.
£ 4.20.

Schelkle, Hermann: Entmythologisierung in existentialer Interpretation
(ThQ 165, 1985,258-266).

Schwager, Raymond: La mort de Jesus. ReneGirardet la Theologie (RSR 73,
1985,481-502).

Walter, Nikolaus: Taufe in neutestamentlichcr Sicht (Die Christenlehre
1985,291-299).

Kirchengeschichte: Mittelalter

Laudage, Johannes: Priesterbild und Reformpapsttum im 11. Jahrhundert
. Köln-Wien: Böhlau 1984. VIII, 338 S. gr. 8' = Beihefte
zum Archiv für Kulturgeschichte, 22. Lw. DM 94,-.

Nach einem gründlichen Forschungsbericht überschreibt Laudage
Kapitel I: „Erste kirchenrechtliche Reformversuche während der
Amtszeit Benedikts VIII." Schon 1012 war auf einer Bischofsversammlung
in Koblenz „der Vollzug der Eucharistiefeier mit der persönlichen
Integrität des Zelebranten in Verbindung gebracht worden"
(52). Im Dekret des Bischofs Burchard von Worms findet L. jene
„Aufwertung der liturgisch-sakramentalen Heilsvermittlung der
Bischöfe und Priester", die dann zu dem Gedanken führte, „daß auch
die Mitwirkung des gesalbten Herrschers bei der Bischofsweihe als
unerlaubte Einmischung eines Laien in die Sakramentsvermittlung zu
betrachten sei" (69). Auch in der Collectio canonum in V libris
beachtet L. besonders die „mit der Sakramentsvermittlung zusammenhängenden
Fragen" (81). Die Synode von Pavia 1022 brachte
„einen programmatischen Auftakt zur Erneuerung des klerikalen
Lebens", obwohl sie „in den Bahnen des geistlich-weltlichen Synergismus
ottonisch-frühsalischer Prägung" blieb (87). Die Synode in
Seligenstadt 1023 erörterte den „Zusammenhang zwischen der
Lebensführung der Priester und dem Vollzug und Empfang der heiligen
Sakramente" (88). Doch war die Kirchenreform „weit davon
entfernt, in eine Auseinandersetzung mit der höchsten weltlichen
Gewalt einzutreten" (89). - Kapitel II „Die Wiederherstellung der
kanonikalen Lebensform und die Ausformung neuer priesterlicher
Ideale in der Hagiographie" untersucht u. a. die älteren Teile der Vita
Bernhardi, die Lebensbeschreibung des Bischofs Burchard von
Worms sowie die von Berno redigierte Fassung der Vita Udalrici. Im
Ergebnis muß die Erneuerung kanonikalen Lebens „als wesentlicher
Bestandteil eines sich nur langsam vollziehenden Wandels der Spiritualität
aufgefaßt werden, in dessen Zentrum neben dem Rückgriffauf
die Urkirche mittels des Kirchenrechts eine starke Aufwertung der
priesterlichen Aufgabe der Sakramentsvermittlung bei gleichzeitiger
Annäherung an ursprünglich monastische Vorstellungen" steht (114).
Aus dem ottonischen Reichskirchensystem erwuchs organisch eine
„Reflexion über den Charakter des kirchlichen Amtes" (1 14).

Kapitel III „Priesterbild und Reformpapsttum in den Anfängen der
Kirchenreform" führt zunächst in den heute französischen Sprachraum
. Bischof Gerhard von Cambrai stellte den „geistlich-weltlichen
Synergismus" in Frage (131). Erzbischof Halinard von Lyon verweigerte
den Eid für den Herrscher. Doch ist dies „nicht als revolutionäre
Antizipation gregorianischer Prinzipien" zu deuten (140). Die
anonyme Schrift „de ordinando pontificc" will nach der Absetzung
dreier Päpste 1046 „das Vergehen des Herrschers in Sutri und damit

zugleich die Investitur- und Nominationspraxis des Saliers als laikale
Einflußnahme entlarven und damit für unrechtmäßig erklären"
(1470- Sutri wird „als die erste Reformsynode des 11. Jahrhunderts"
bezeichnet (153). Entscheidend war Heinrich III., aber er leitete seine
Rechte „nicht mehr aus dem theokratischen Herrschaftsverständnis"
ab, sondern aus „der laikalen Würde des patricius" (154). Papst
Leo IX. erstrebte eine zentralistische Kirchenverfassung und trug mit
Verantwortung am Bannfluch gegen den Patriarchen von Konstantinopel
1054: „Die Kirche war nach der Anschauung des lothringischen
Reformpapstes keine Vereinigung gleichberechtigter Ortskirchen
, sondern unterstand der zentralen Leitung durch den heiligen
Petrus" (167). Kapitel IV „Das Priesterbild der beiden führenden
Theoretiker des Reformpapsttums" betrifft Humbert von Silva Candida
und Petrus Damiani. Humbert sah vor allem „die Gefahrdung
der sakramentalen Heilsvermittlung durch Simonie und Laieneinfluß
" (175). Simonie und Laieninvestitur werden eng verknüpft.
Humberts Anliegen ist vor allem „die Betonung des katholischen
Priesteramtes, dem es allein zusteht, die gnadenbringenden Sakramente
zu vermitteln" (182). Dagegen war Petrus Damiani stärker
„von traditionellen Leitbildern bestimmt" (186). Er betonte mönchische
Ideale, doch sollte sich auch ein Mönch um das Seelenheil
anderer sorgen. Auch Petrus war gegen Simonie, doch hielt er die
Sakramente simonistischer Kleriker für gültig, „weil der Heilige Geist
auch durch den Dienst eines Unwürdigen seine Charismata geben
könne und die Wirksamkeit eines Sakraments nicht aus dem Verdienst
des Priesters, sondern aus der divina virtus des Schöpfers resultiere
" (197). Energisch forderte Damiani den Zölibat, Verzicht auf
Eigentum sowie eine Ausbildung der Kleriker. Ihm „ging es nicht primär
um die Abschaffung des bestehenden Reichskirchensystems und
der damit verknüpften Kirchenhoheit des deutschen Königs, sondern
um eine umfassende geistliche Erneuerung, die vor allem die priesterliche
Lebensführung zum Gegenstand haben sollte" (205).

Kapitel V „Die Definition des neuen Amtsverständnisses auf der
Lateransynode 1059" untersucht das Synodalschreiben „Vigilantia
universalis". Für L. ist entscheidend, daß das Ideal einer vita aposto-
lica der Priester hier in die Rechtstradition der römischen Kirche einging
. „Dieser Umstand muß als fundamentaler Neubeginn für die
Entwicklung der Kanonikerreform angesehen werden." (238) Dazu
kam noch der Berengarsche Abendmahlsstreit. „Als archimedischen
Punkt, auf den sich die ganze Diskussion zurückführen läßt, kann
man die Sakramentslehre bestimmen." (248) - Kapitel VI „Die
Bedeutung des Priesterideals im weiteren Verlauf der Kirchenreform"
beginnt mit Papst Alexander II. In der Mailänder Pataria konnte er
„einen ersten Ansatzpunkt finden, das Reichskirchensystem Zug um
Zug aus den Angeln zu heben" (257). Klar ist dann die Lage bei
Gregor VII., obwohl dieser Papst zunächst „bemüht war, eine totale
kirchenpolitische Konfrontation zu verhindern" (262). Zunächst ging
es nicht um den Akt der Investitur, „wichtig war vor allem die Anerkennung
des Prinzips der kanonischen Wahl" (263). Das neue Priesterideal
fand Aufnahme im Kirchenrecht (267-273). Das Heiligenideal
änderte sich: „Nicht die sich in Wundern dokumentierende,
besondere Erwählung und Begnadung, sondern die beispielhafte Erfüllung
seines priesterlichen Amtes wird . .. zum primären Erkennungsmerkmal
seiner Heiligkeit" (279). Es gab „eine explosionsartige
Verbreitung der reguliert lebenden Priestergemeinschaften seit der
Wende zum 12. Jahrhundert" (287). Papst Urban II. stellte „das
Gemeinschaftsleben der Kanoniker gleichrangig neben die
mönchische Lebensweise" (299). Zuletzt faßt L. zusammen: „In der
Umkehr des zeitlichen und sachlichen Verhältnisses von priesterlicher
Erneuerung und Herausbildung eines Reformpapsttums, das
dem neuen kirchlichen Selbstverständnis zu einer zentralen Legitimierung
verhalf, liegt also unser eigentliches Resultat" (311). Das
neue Pricstcrideal hat „das Papsttum und die Kirche in eine völlig
neue Phase ihrer geschichtlichen Entwicklung" geführt (317). Die Beschlüsse
der Lateransynode von 1059 unter Papst Nikolaus II. bildeten
„den eigentlichen Wendepunkt der Kirchenreform" (317).