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Ausgabe:

1986

Spalte:

667-669

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Breytenbach, Cilliers

Titel/Untertitel:

Nachfolge und Zukunftserwartung nach Markus 1986

Rezensent:

Walter, Nikolaus

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Theologische Literaturzeitung 111. Jahrgang 1986 Nr. 9

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der Monepiskopat der Alten Kirche von Anfang an in geradliniger
Sukzession durch Handauflegung bis auf die Urapostel oder Paulus
zurückgeführt werden kann" (Zitat eines Satzes von Schürmann auf
S. 2660.

Schließlich wird zur jüngsten Schrift des Neuen Testaments, dem
zweiten Petrusbrief, ausgeführt, daß darin der Lehrautorität des
Apostels Petrus die des Apostels Paulus an die Seite gestellt wird,
,,ohne auf ein Übergewicht der Lehrvollmacht des einen gegenüber
dem anderen abzuheben" (S. 294).

Alle Studien, die hier zusammengestellt sind, bieten wichtige Einsichten
für die neutestamentliche Wissenschaft dar. Zum nicht geringen
Teil aber sind die Untersuchungen, die Vögtle erneut einer größeren
wissenschaftlichen Öffentlichkeit unterbreitet, auch auf Fragen
bezogen, die in der gegenwärtigen ökumenischen Diskussion verhandelt
werden. Durch die exegetische Arbeit, die der Vf. stets mit
vorbildlicher Sorgfalt betreibt, trägt er nicht nur zur Förderung der
neutestamentlichen Wissenschaft, sondern auch in hohem Maße zur
Bereicherung des ökumenischen Gesprächs bei. Hierfür gebühren ihm
hohe Anerkennung, dankbarer Respekt und aufmerksames Gehör.

Hannover Eduard Lohse

Breytenbach, Cilliers: Nachfolge und Zukunftserwartung nach
Markus. Eine methodenkritische Studie. Zürich: Theologischer
Verlag 1984. 364 S. Anhang: 1 1 S. 8° = Abhandlungen zur Theologie
des Alten und Neuen Testaments, 71. Kart, sfr 53.-.

Die Arbeit von C. Breytenbach, eine von Ferdinand Hahn betreute
Münchener Dissertation von 1983, hat ein zweifaches Anliegen, wie
schon aus der Spannung zwischen Ober- und Untertitel hervorgeht:
ein exegetisches und ein methodologisches. Und man weiß bis zum
Schluß nicht recht, ob die ausführlichen Markusexegesen (§§ 5-8) als
Exempel für das methodologische Anliegen dienen oder die Erörterungen
zur Methodik (§§ 1-4 und 3 Exkurse) „nur" Vorbau für die
Exegese sein sollen. Natürlich ist diese Spannung nicht zufallig oder
willkürlich, sondern (vom Autor her) bewußt intendiert und (von der
Forschungslage her) symptomatisch.

Zur exegetischen Sache: Es geht B. um die Verknüpfung von Escha-
tologie und Nachfolgethematik bei Markus, wie sie in Mk l,l4f +
16-20 und in 10,28-31 angelegt ist. Dabei differenziert er sogleich
zwischen „Eschatologie" und „Zukunftserwartung"; freilich scheint
er diese Unterscheidung als geläufig vorauszusetzen - was schon angesichts
des diffusen Terminus Eschatologie unangebracht ist.
Gemeint ist mit Eschatologie etwa: die Botschaft Jesu (immer: nach
Markus) von der .jetzt noch verborgene(n), aber sich (sie) bereits im
Anbruch befindliche(n) Herrschaft Gottes", die „endzeitlich zu voller
wirklichkeitsumwandelnder Realität" kommt (S. 189 - so wird
Mk 4,21 f im Kontext von Mk 4,1-34 interpretiert, also nicht auf die
Verkündigung, sondern auf die hasikia bezogen). Hier mag gleich B.s
Sicht der christologischen Konzeption des Markus erwähnt werden,
der er einen interessanten Unterabschnitt widmet (§ 7.4, S. 251-270,
bes. zum Titel Gottessohn): Es ist gewissermaßen eine „Christologie
im Werden" - vom Kommen des Irdischen über seine nachösterliche
Abwesenheit (in der er durch „das Evangelium" vertreten wird:
Mk8,35; 10,29, dazu S. 263ff) bis zur Einsetzung in die Machtstellung
(erst) bei der Parusie; das scheint mir ein wichtiger Gegenentwurf
gegenüber einer Sicht von der kerygmatischen Identifikation
von Irdischem und Erhöhten (und Wiederkommendem) zu sein. Von
diesem Rahmenkonzept christologisch verankerter Eschatologie wird
nun der Aspekt „Zukunftserwartung" abgehoben: gemeint ist im
Kern die Gerichtserwartung der Glaubenden, genauer: die Hoffnung
auf „ewiges Leben" (10,17), die im Gericht zur Entscheidung steht
(8,38), also gewissermaßen die „cxistcntiale" Seite der Eschatologie
(aber so sagt B. nicht). Diese Zukunftserwartung bestimmt das gegenwärtige
Verhalten des Jüngers als des Nachfolgenden in unbedingter
Bindung an Jesus; das Auf-sich-Nehmen des Kreuzes (8,34) ist diesem

eigentlichen Motiv der Nachfolge eingegliedert: die (markinische
Form der) „theologia crucis wird von der Eschatologie umklammert"
(S. 337). Daß Markus zwischen Geschichte (Jesu) und Gegenwart (seiner
Gemeinde) bewußt unterscheidet, kommt nach B. nicht nur im
christologischen Konzept, sondern auch im Jüngerbild zum Ausdruck
; die Jünger stellen nicht einfach gegenwärtige Gemeinde dar, sie
sind vielmehr narrativ erinnertes Beispiel für Nachfolge in der Gegenwart
, und zwar mit Licht und Schatten, also warnendes (Motive vom
Jüngerunverständnis und -versagen) und nachzuahmendes („wir
haben alles verlassen . . .", 10,28) Beispiel. Nachfolge „heute" erfordert
Selbstverzicht und Kreuzesbereitschaft, um ganz für das Evangelium
, also die nachösterliche Form der Basileiaverkündigung, zur
Verlügung zu stehen; der Ruf in solche Nachfolge wird mit der
Zukunftserwartung motiviert (8,35. 38). Diese knappe Skizze der Auffassung
B.s muß genügen - sie scheint mir recht beachtenswert zu sein
und enthält mancherlei Stellungnahmen zu andersartigen Ansätzen in
der Markusexegese, was B. natürlich deutlich expliziert. Zu nennen
sind aber noch die Texte, denen B. eine ausführliche Exegese widmet:
Mk 4,1 -34 (§ 5); 8,14-21 (§ 6); 8,34-9,1 (mit Blick auf den Anschluß-
text9,2-13 und den größeren Kontext 8,27-10,45; § 7) und 13,1-37
(bes. Verse 9. 13. 33-37, mit einem Exkurs zur Situation des Mk, die
B. auf die Zeit der Anfange des jüdischen Aufstands, vor der
Pella-Flucht, bestimmen möchte; § 8) - man sieht, es sind durchweg
(markinische) Jesus-Reden; als „narrativer" Text spielt nur
Mk 10,17fF eine größere Rolle, freilich auch er vor allem um des
Anhangs(10,28-31)willen.

Zum methodenkritischen Anliegen der Arbeit: B. ist nicht der erste,
der „die Markusforschung in einer Sackgasse" sieht (S. 12, natürlich
unter Bezug auf U. Luz, ThLZ 105, 1980, 641ff). Er skizziert (§ 2) die
„Methoden der Markusforschung" von W. Wrede bis Jean Galloud;
trotz sichtlich engagierten Referats auch neuerer, kommunikationstheoretisch
orientierter Beiträge (R. C. Tannehill; N. R. Petersen)
bleibt am Ende die formgeschichtliche Betrachtungsweise von
P. Wendland über R. Bultmann und Dibelius bis zu neueren Arbeiten
von G. Theißen und H.-W. Kuhn, unter den Kommentatoren
E. Schweizer, aufdem Plan (S. 68 ff), jedenfalls hinsichtlich des ersten
methodischen Problems, das B. ins Auge faßt: der Frage nach synchroner
oder diachroner Auslegung, anders gesagt: nach dem Verhältnis
zwischen Redaktionskritik und Form- bzw. Überlicferungs-
geschichte. Findet erdie wesentlichen Einsichten hierzu schon bei den
„Klassikern", bes. bei Dibelius, so legt er nun - für die Exegese des
Markustextes völlig zu Recht - Wert auf die Priorität der „synchron"
orientierten Exegese gegenüber der diachronen Betrachtung, ohne
aber diese für entbehrlich zu halten. Das andere methodische Problem
ist die richtige Bestimmung der Textsorte (Gattung) und damit der
Betrachtungsweise, mit der man sich dem Markusevangelium zu
nähern hat. Hier ist die Orientierung an literaturwissenschaftlichen
Theorien nötig (wenngleich B. auch dazu schon Wichtiges bei P-
Wendland entdeckt). B. bestimmt Mk als „episodische Erzählung"
(§ 3), also als narrativen Text, der weitgehend vorgeformte Einzelstücke
in sich aufgenommen hat und insofern nicht „höhere" Literatur
ist, wohl aber die übergreifenden Themen und Anliegen des Markus
erkennen läßt. Jedenfalls ist das Markusevangelium keine „Predigt
" und auch keine „Geschichtsdarstellung" (letzteres vor allem
gegen J. Roloff, m. E. zu Unrecht). In § 4 wird dann - trotz der Überschrift
„Kompositionsanalyse und Redaktionskritik" - im wesentlichen
das textwissenschaftliche Modell von T. A. van Dijk ausführlich
vorgestellt, das B. als das für Mk angemessenste empfindet. Er
wählt es u. a. wegen der von ihm vorrangig exegesierten Redeabschnitte
(s. oben); doch geht dann die Erläuterung, auch wenn
BegrilTe wie Diskurs, Diskurspragmatik u. ä. vorherrschen, meist
wieder an Hand narrativer Texte vonstatten (hier liegt ein Für mich
ungeklärt bleibendes BegrifTs-Ineinandcr vor). B. bemüht sich - nicht
immer mit letztem pädagogischen Geschick, indem er z. B. Fachtermini
manchmal unerläutert einführt und es dem Leser überläßt,
sich aus den weiteren Ausführungen den Terminus selbst zu bestim-