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Ausgabe:

1986

Spalte:

665-667

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Vögtle, Anton

Titel/Untertitel:

Offenbarungsgeschehen und Wirkungsgeschichte 1986

Rezensent:

Lohse, Eduard

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Theologische Literaturzeitung 111. Jahrgang 1986 Nr. 9

666

toren vertreten worden und haben zu Zusammenstößen mit den
Römern und zu häufigen Absetzungen von Hohenpriestern geführt.
Mit der Charakterisierung „Kompromißler" und „korrupt" trifft man
nicht das Wesen dieses Sadduzäismus. Auch die enge Zuordnung dieser
Sadduzäer zu den Pharisäern ("the Pharisaic/Sadducean establish-
ment", 25) ist fragwürdig, ebenso natürlich auch die Zusammenstellung
von Judas, Jesus und Jakobus als „Zaddiks" = "priests" =
"ascetics" = "zealous for the Law" u. ä„ wobei sich kritische Fragen
hinsichtlich der Art der Quellenbenutzung durch E. erheben'. Insofern
hätte man bei diesem bewußt polemischen Werk, das mit viel Pathos
aufwartet, eine größere methodische Klarheit und Folgerichtigkeit
und damit eine überzeugendere Beweisführung gewünscht.

Berlin Günther Baumbach

Grigsby, Bruce H.: „lf Any Man Thirsts .. .": Obscrvations on the Rabbinic
BackgroundofJohn 7.37-39 (Bibl 67, 1986, 101-108).

Mazar, Amihai: The Emergence of the Philistine Material Culture (tEJ 35,
1985,95-107).

Jewett, Robert: The Law and the Coexistence of Jcws and Gentiles in Romans
dnterp. 39,1985,341-356).

Sänger, Dieter: Rettung der Heiden und Erwählung Israels. Einige vorläufige
Erwägungen zu Römer 11,25-27 (KuD 32, 1986.99-119).

Wewers. Gerd A.: Die Erforschung des Talmud Yerushalmi (ZRGG 37,
1985,322-330).

Wilson, Gerald H.: TheQumran Psalms Scroll Rcconsidercd: Analysisof the
Debate(CBQ47, 1985,624-642).
WytzesJ.: Ambrosiusen de Joden (KeTh 37, 1986,2-20).-

Neues Testament

Vögtle, Anton: Offenbarungsgeschehen und Wirkungsgeschichte.

Neutestamentliche Beiträge. Freiburg-Basel-Wien: Herder 1985.
328 S. gr. 8*. Lw. DM 76,-.

Der bekannte Freiburgcr Neutestamentier legt in diesem Bd. eine
Reihe von Studien zur neutestamentlichen Theologie vor, die er von
Anfang der 70er bis zu Beginn der 80er Jahre an verstreuten und nicht
trnmer leicht aufzufindenden Stellen, zumeist in Festschriften, erstmalig
veröffentlicht hat. Obwohl bei unterschiedlichen Anlässen entstanden
, kreisen alle Abhandlungen um eine sie verbindende Thema-
t'k, die im Titel des Buches treffend bezeichnet ist. Das Neue Testament
gibt in allen Schriften Zeugnis vom Offenbarungsgeschehen, das
sich im Christusereignis zugetragen hat. Zugleich aber wird in der Art,
wie dieses Zeugnis entfaltet wird, jeweils ein Stück Wirkungsgeschichte
zum Ausdruck gebracht, die auf das Offenbarungsgeschehen
bezogen ist und seine gegenwärtige Gültigkeit auszusagen sucht.
Ob es sich um Evangelientexte oder um die Briefliteratur handelt, alle
»im Neuen Testament versammelten Einzelschriften" lassen „sich als
Antwort auf das durch und an Jesus erfolgte Offenbarungsgeschehen
urtd deshalb in einem wahren Sinn als Wirkungsgeschichte begreifen"
(S. 5).

Im Zentrum der Abhandlungen stehen einige wichtige Themen
neutestamentlichcr Theologie wie Eschatologie, Christologie und
kirchliches Amt, die sowohl an Abschnitten der Evangelien wie auch
an den paulinischen und den sog. katholischen Briefen studiert werden
. Dabei ist jede der Studien durch vorbildliche Sorgfalt und Genauigkeit
des Fragens ausgezeichnet, um im ständigen Dialog mit der
Segenwärtigen exegetischen Diskussion den Weg zu verläßlichen Antworten
zu suchen und zu finden. Mit bewundernswerter Umsicht ist
Jeweils der neueste Stand wissenschaftlicher Bemühungen um die einzelnen
Problcmkrcise erhoben, um dann Schritt für Schritt abzutasten
, wo sich fester Boden aufspüren läßt, auf den man treten kann,
am voranzukommen. Ob es um das Verhältnis von „Theo-Iogie" und

„Eschato-Iogie" in der Verkündigung Jesu geht, den eschatologischen
Bezug der Wir-Bitten des Vaterunser, Grundfragen der Diskussion um
das heilsmittlerische Todesverständnis Jesu oder aber um die Untersuchung
paulinischer Verkündigung und Naherwartung, exegetische
Reflexionen zur Apostolizität des Amtes und zur Amtssukzession
oder schließlich das Verhältnis von Petrus und Paulus nach dem
zweiten Petrusbrief - stets wird mit derselben methodischen Umsicht
und Präzision vorgegangen. Dabei werden die Standpunkte bisher
vertretener Ansichten eingehend und mit großer Fairness referiert,
aber auch einer eingehenden Prüfung hinsichtlich ihrer Brauchbarkeit
unterzogen, um erst nach gewonnener Übersicht jeweils das eigene
Urteil behutsam zu entwickeln und zu begründen. Wie stark der Vf.
auf allen Feldern neutestamentlicher Exegese am ständig fortschreitenden
Gang der wissenschaftlichen Bemühung teilnimmt, geht
schließlich auch daraus hervor, daß in dieser Sammlung zu einer
Reihe von Abhandlungen Nachträge hinzugefügt wurden, um die Studien
jeweils auf den neuesten Stand zu bringen und Literatur, die nach
der Erstveröffentlichung erschienen war, einzuarbeiten. So werden
dem Leser alle Gesichtspunkte vorgelegt, die zur Urteilsbildung
Berücksichtigung verdienen.

Im Rahmen dieser Besprechung ist es nicht möglich, die Ausführungen
der gelehrten Abhandlungen im einzelnen zu würdigen. Doch
seien einige wenige Gesichtspunkte besonders hervorgehoben. Im
Blick auf Jesu Verkündigung wird mit Recht festgestellt, Jesus habe
„für sein gegenwärtiges Wirken den Anspruch erhoben, daß sich an
der Stellungnahme zu seiner Botschaft das endgerichtliche Schicksal
der Einzelnen entscheidet" (S. 52). Ob jedoch dieser Anspruch bereits
in der Predigt des historischen Jesus mit dem Titel Menschensohn
verbunden war, will vorsichtig geprüft werden. Denn es bleibt die
Frage, ob sich dessen Verwendung nicht „etwa doch ungezwungener
aus der nachösterlichen Situation, in der die Urgemeinde die Parusie
ihres im Himmel befindlichen Herrn erwartete, verständlich machen
läßt" (S. 67). Ähnlich gilt auch im Blick auf die Perikope über die
Taufe Jesu, daß zwar an der Historizität der Taufe Jesu durch Johannes
kein begründeter Zweifel bestehen kann, daß aber die Berichte
hierüber ausnahmslos vom Bekenntnis der Gemeinde her gestaltet
sind, die durch das Erzählen der Christusgeschichte die Frage beantworten
will, „wer und was der von Johannes getaufte Jesus in Wirklichkeit
ist, der den prophetischen Täufer ablösende, höhere und endgültige
Verkünder der eschatologischen Heilsaktion Gottes" (S. 108).
Im Blick auf die matthäische Perikope des Petrusbekenntnisses wird
als Fazit eingehender Untersuchung festgestellt, „daß das Petrusbekenntnis
16,16 als matthäische Potenzierung des markinischen Bekenntnisses
und die dieses beantwortende Seligpreisung 16,17 als
redaktionelle Bildung des Evangelisten zu erklären ist" (S. 138).

Was die paulinische Theologie angeht, so steht außer Zweifel, daß
der Apostel „die Naherwartung unabgeschwächt aufrechterhalten
.. . will" (S. 203). Paraklese und Eschatologie sind nach
Rom 13,11-14 auf das engste aufeinander bezogen, ohne daß der
Apostel freilich der Versuchung unterliegt, die Nähe des Endes durch
zeitliche Berechnung genauer bestimmen zu wollen. Nicht die Frage
nach dem Termin, sondern der „Hinweis auf die eschatologische
Zukunft überhaupt motiviert" bei Paulus das christliche Handeln
(S. 217).

Zur Bestimmung von Ordnung und Verfassung der Kirche arbeitet
der Vf. in gründlichen Analysen heraus, „daß Paulus die Ermöglichung
eines geordneten Gemeindelebens vom Zusammenwirken der
Gnadengaben erwartet" (S. 237). Deshalb ist die paulinische Gemeindeordnung
von der Charismentheologie her zu verstehen und nicht als
Komponente des Apostolatsverständnisses zu beurteilen. (S. 262)
Auch zur Zeit der Abfassung des Römerbriefes sah Paulus keinen
Anlaß, „im Anschluß an seine charismatische Gemeindekonzeption
und über diese hinaus selbst eine den Erfordernissen der nachapostolischen
Zeit entsprechende Kirchenordnung, etwa die in den Past-
Briefen bezeugte Ämterordnung zu entwerfen" (S. 278). Es läßt sich
daher kein geschichtlicher Beweis für die Auffassung erbringen, „daß