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Ausgabe:

1986

Spalte:

663-665

Kategorie:

Judaistik

Autor/Hrsg.:

Eisenman, Robert H.

Titel/Untertitel:

Maccabees, Zadokites, Christians and Qumran 1986

Rezensent:

Baumbach, Günther

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663

Theologische Litcraturzeitung III. Jahrgang 1986 Nr. 9

664

Judaica

Eisenman, Robert: Maccabees, Zadokites, Christians and Qumran. A

new Hypothesis of Qumran Origins. Leiden: Brill 1983. XVII,
110 S.gr. 8° = Studia Post-Biblica, 34. Kart, hfl 36.-.

Wer gleich im Untertitel „eine neue Hypothese" ankündigt, weckt
große Erwartungen, besonders wenn sich diese auf die schwierige
Frage nach Ursprung und Einordnung der Qumrangemeinschaft
bezieht. Noch erwartungsfreudiger wird man. wenn gleich in den
ersten Sätzen der Einleitung behauptet wird, daß die Qumranforscher
meist zu "results" (mit Anführungszeichen im Text!) gekommen
seien, die „psychologisch und geistig mehr ihren eigenen Annahmen
und Meinungen entsprachen" (XI) als den archäologischen und
paläographischen Fakten. Um zu gesicherten Ergebnissen zu kommen
, will Vf. die Qumranschriften in ein "alternative historical and
textual framework" stellen, wodurch die bisherigen „fälschen" Vorstellungen
überQumran „weggefegt" werden (XVII)!

Vf. bemüht sich dabei um den Nachweis, daß die in der Forschung
weitverbreitete Annahme, die Makkabäer/Hasmonäer hätten das
Hochpriestertum von einer früheren, reineren, sog. sadokitischen
Linie usurpiert, falsch sei. Zu diesem Zweck bevorzugt er die Ableitung
des Wortes Sadokiten/Sadduzäer von „zedek'VGerechtigkeit
und findet diese nicht gerade neue These durch die Betonung des
Gesetzesgehorsams der „Söhne Sadoks" in den Qumrantcxten bestätigt
: "1t cannot be stressed too strongly that this moral component is
the absolute determinant of a proper .Zadokite' priest" (4). Wenn aber
Qumran mit seinem moralischen Verständnis dafür „typisch ist, was
wir mit .sadokitisch' meinen" (7), dann folgt daraus, daß "the Maccabees
, Zealots, Zadokites and probably even the Christians, i. e„ all the
groups outside of the Pharisaic/Herodian establishment of 40 B.C.
onwards" (7), engstens zusammenzusehen sind; denn in der „vielleicht
ältesten und wahrscheinlich am meisten jüdischen Schicht der
NT-Christologie" wird Jesus als „der Gerechte" (vgl. Apg 3,14; 7,52;
22,15) bezeichnet (5), während sein Bruder Jakobus ebenfalls als „der
Gerechte" später galt. Dementsprechend gehört Jesus und Jakobus
das Priestertum in gleicher Weise wie den Makkabäern; denn alle
waren „Eiferer für das Gesetz" und „Asketen" (2). Deshalb darf dem
Josephus, der als "self-serving and inadequate observer" (1) abqualifiziert
wird, bei seiner Charakterisierung der jüdischen Gruppen nicht
gefolgt werden. Ebenso kritisch müssen aber auch die biblischen und
nachbiblischen Aussagen über Sadokiten-Gcnealogien betrachtet
werden; denn "all such genealogies are artificial" (8). Wer darum mit
der Mehrzahl der Qumranforscher annimmt, die Makkabäer könnten
nicht als „sadokitisch" gelten, weil sie einer niedrigeren, levitischen
Ordnung entstammten, vollführt "a confused distortion of historical
data to suit desired theoretical aims" (9)!

Für E. sieht die Geschichte der "socallcd ,Sadduccan' or Zadokite
movement" folgendermaßen aus: Der erste wahre .sadokitische'
Priester war Esra, der sogar im Koran „der Gerechte" genannt wird
(13). Über Onias III, der 2Makk 3,1: 4,2; 15,12 als .hasid' und als
.Beschützer seiner Mitbürger und Eiferer für die Gesetze' bezeichnet
wird, geht die Entwicklung zu den „reinen" Hasidim. "The
Zadokite . . . and the Hassidaean movements are the same. Its stress is
on resurrection of the dead and .making a pious end', providing the
sitz-im-leben out of which Christianity was to emerge (52)." Dabei
konstatiert E. einen „Verrat" des „reinen Programms" dcrSadokiten
bei Jonathan und Simon, indem sich diese den Pharisäern anschlössen
als dem Teil der Hasidim, der sich von Judas abgespalten und
Alkimus unterstützt hatte. Da IMakk die „antihasidische" Tendenz
des Jonathan und Simon vertritt, ist dieses Buch kritisch zu werten
und statt dessen 2Makk zu bevorzugen, das geschrieben wurde "to
correct the inaccuratc portrayal of Judas Maccabee and the slanderous
presentation oflhc Hassidaean movement he headed in I Mace" (14).
E. unterscheidet also zwei Gruppen von Hasidim: die reinen
(=Sadokitcn) und die abgefallenen (= Pharisäer). Zugleich rechnet er

auch mit zwei Gruppen von Sadduzäcrn: den „pietistischen" bzw.
„messianischen" Sadduzäcrn und dem „boethusäischen" bzw. „hcro-
dianischen oder normativen Sadduzäismus". Zur erstgenannten
Gruppe zählt E. Qumran und die Zeloten; denn "associated with this
pietistie Sadduceeism that believed in resurrection of the dead and was
morc zealous for the Law even than the Pharisees. . . was the produe-
tion of a apokalyptie litcraturc which in turn gave rise to hoth the
.Messianic' und .Zealof movements of the first Century A. D." (20).
Demzufolge besteht das Neue der zelotischcn Bewegung lediglich in
ihrer "Messianic Variation" (36.64). Für diesen Sadduzäismus ist
Judas der "quintessential .Zaddik' or Righteous Teacher-type" und
zugleich "the type of the warrior high priest presented in the War
Scroll" sowie "the rriodel for John the Baptist, Jesus, and James" (21).
Alle Gruppenbewegungen in der Zeit des zweiten Tempels müssen
darum auf dem Hintergrund der Ereignisse um Judas Makkabäus
gesehen werden. Der „boethusäische Sadduzäismus" ist für F. das
"corrupl Sadducee priesthood introduced under Herod and the
procurators" (22). Mit Herodcs, der wahrscheinlich selbst das Kloster
von Qumran zerstören ließ, endet das erste Stadium der sadokitischen
Bewegung (vgl. 24) und beginnt das zweite Stadium, das einerseits
eine messianische Transformation der reinen Sadokiten zur Zeloten-
und Jesusbewegung und andererseits die Einführung eines neuen,
herodianischen oder normativen Sadduzäismus bringt, auf den sieh
,dic Aussagen über die Sadduzäcr bei Josephus und im NT beziehen.
Daß dieser Sadduzäismus nicht die Auferstehungslehre übernahm, ist
nach E. "probably attributable to its overscas and earlier roots" (20).
Entsprechend der Zusammenordnung der Makkabäer/Hasmonäer
(mit Ausnahme von Jonathan und Simon) mit den Qumranleuten,
den Zeloten und der Jesusbewegung als den reinen Sadokiten mit
ihrem legitimen Priestertum (nach der Ordnung Melchisedeks), ihrem
Gesetzcseifcr und ihrem (späteren) Messianismus erfolgt auf der anderen
Seite eine Zuordnung der "new-model Saddueees", die „durch
ihre römisch-hcrodianisehen Verbindungen kompromittiert sind" (7).
zu den Pharisäern. Da Josephus Pharisäer und Essener oft v erwechselt
, außerdem „Zeloten". „Essener" und „Pharisäer" "are öfter
being used generieally, not speeifieally" (36) und da wir über die sog.
„Essener" nichts Sicheres wissen, lehnt E. eine Charakterisierung der
Qumrangemeinschaft als esseniseh ab und versucht, seine neue Sieht
auf die in den Qumrantextcn gebrauchten Begriffe „Söhne Sadoks".
„Ebionim", „Zaddikim" und „Hasidim" zu stützen. Diese Texte setzt
er erst im I. Jh. n. Chr. - nach Verlassen des Klosters im Jahre 68 69 -
an. -

Die von E. sehr selbstbewußt und außerordentlich polemisch vorgetragene
„neue Hypothese" kann keineswegs die bisherigen Forschungsergebnisse
von Milik, Cross u.a. über den Ursprung der Qumrangemeinschaft
und das Alter der Qumranschriften „wegfegen".
Dazu hätte es stärkerer Argumente bedurft! Dagegen kann diese
Studie die Frage nach den jüdischen Gruppen und ihrer Darstellung
bei Josephus und im NT neu anregen und beleben. Ob es wirklich die
von Josephus behauptete dritte Volkspartei mit dem Namen
„Essener" gegeben hat. muß ja ernsthaft gefragt werden, zumal
Josephus über die Hasidim nichts berichtet. Daraus ergehen sich
natürlich Konsequenzen für die Einordnung der Qumrangemeinschaft
. Die „neue Hypothese" von E. verdient in dieser Hinsicht
Beachtung. Allerdings kann seine Abwertung des Genealogischen bei
den Sadokiten zum Zwecke der Aufwertung der Hasmonäer kaum
überzeugen. Nachdenkenswert sind auch die von ihm behaupteten
Zusammenhänge zwischen den Qumran-Sadokiten und den priesterlichen
Zeloten, die jedoch einer genaueren Untersuchung und Differenzierung
bedürfen. Daß Herodcs eine wichtige Rolle in der
Geschichte des Sadduzäismus zukommt, ist von E. richtig erkannt
worden. Aber das von Herodcs installierte „boethusäische" Saddu-
z.äcrtum läßt sich doch wohl keineswegs nur im Zeichen der Diskontinuität
zu den reinen Sadokiten und nur als korrupt sehen und
werten. Bestimmte sadokitische Traditionen, auf die E. leider nicht
eingeht, sind ja auch von den Sadduzäcrn in der Periode der Prokura-