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Ausgabe:

1986

Spalte:

659-661

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Wilson, Gerald Henry

Titel/Untertitel:

The editing of the Hebrew Psalter 1986

Rezensent:

Vetter, Dieter

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659

Theologische Literaturzeitung III. .lahrgang 1986 Nr. 9

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für den Süden herausgearbeitet hat. und ausgerechnet in den Rahmenstücken
finden sich Aussagen, die zu der angeblichen Nordreichstheologie
passen. Das Zusammentreffen beider Traditionslinien
erklärt die Vfn. mit der Herkunft des Deuteronomiums aus dem
Nordreich und seiner jüngeren Ausgestaltung in Jerusalem
(S. 154-156). Das ist der Grund, weshalb sie die Landbeschreibungen
in Dtn 6,10-12; 8,6-14 als „sekundär" beurteilt (S. 136).

Mir ist diese Entscheidung zweifelhalt, und ich frage mich auch, ob
die Einbeziehung weiterer alttestamentlicher Texte (z. B.
Jer 5.22-25) nicht zu einem anderen Ergebnis geführt hätte. Auch
daß an außerbiblischen Texten fast nur ugaritische Überlieferungen
zu Wort kommen, nicht aber palästinisches Inschriftenmaterial aus
Teil Der 'Alla, Jerusalem, Hirbet el-Qöm und Kuntilel 'Agrüd, hat
den Blickwinkel eingeengt. So hätte sich vielleicht die Herleitung des
Josephspruches in Gen 49 aus dem Ostjordanland (S. 1051") durch die
Inschriften von Teil Der 'Alla abstützen lassen. Umgekehrt wäre das
die gesamte Argumentation beherrsehende Postulat (S. 9) fraglich geworden
, daß für Israel seit der „Landnahme" zumindest der Sache
nach die Forderung des ersten Gebots gegolten habe, es also neben
Jahwe keine anderen Götter habe verehren dürfen. Abgesehen von
solchen generellen Fragen, lassen sich auch hinter Einzclentscheidun-
gen Fragezeichen setzen. Hier scr nur darauf aufmerksam gemacht,
daß das Reden vom „guten und weiten Land" in Ex 3,8 nur dann „sin-
gulär" ist (so S. 81). wenn man für Dtn 8.7 gewichtige Textzeugen
(auch aus Qumran) nicht berücksichtigt.

Die äußere Form des Buches ist leider nicht in allen Punkten gelungen
. Man stößt auf eine große Zahl von Tippfehlern, einen sorglosen
Umgang mit Umschriften, Lücken in der Bibliographie, und
man vermißt ein Abkürzungsverzeichnis für bibliographische Kürzel
und zitierte altorientalische Texte. Für die Lektüre ist es hinderlich,
daß die behandelten Texte paraphrasiert, aber nicht übersetzt werden
und daß ein Bibelstellenregister fehlt. Man möchte hoffen, daß dies
den Umgang mit dem Buch nicht belastet; denn die Vfn. hat ein
wichtiges Thema in Angriff genommen, das weiter diskutiert werden
sollte. Inwieweit ihre Ergebnisse dann Bestand haben werden, bleibt
abzuwarten.

Heidelberg Helga Weippert

Wilson. Gerald Henry: The Fahring of the Hebrew Psalter. Chico.
CA: Scholars Press 1985. XIV, 278 S. 8° = SBL. Dissertation Series;
76. Kart. $ 1 1.50; Lw. $ 17,25.

Über die Ordnung der Psalmen gelangte Hermann Gunkcl zu der
Auflassung, „daß sich kein einheitliches Prinzip für die überlieferte
Aufeinanderfolge erkennen läßt".' Sein Ergebnis beeinflußte seitdem
die Forschung: „Ein sicheres Urteil über den Zweck des Psalters zu
lallen ist deshalb so schwer, weil er nicht in einem einzigen Akte nach
den Plänen eines einzelnen Sammlers zusammengestellt worden ist.
sondern auf Teilsammlungen beruht"2.*W. bestreitet in seiner von
Robert Rutherford Wilson betreuten und-1981 von der Yale Uni-
versity angenommenen Dissertation die vorherrschenden Bedenken
gegen die Einheit der kanonischen Psalmen-Sammlung. Für die Entfaltung
seiner These, der Psalter verkörpere das Endergebnis einer
zielbewußten redaktionellen Gestaltung, stellt sich ihm als Schlüsselfrage
: Welche Anhaltspunkte lassen sich im Psalter aufspüren für ein
redaktionelles Vorhaben, die ursprünglich nicht verwandten Psalmengruppen
miteinander zu verbinden und zu einem Werk zu vereinigen
?

Der Gefahr, einer „aufgedrängten", nicht wirklich existierenden
Gliederung des Psalters zu erliegen, will der Vf. dadurch begegnen,
daß er dem Hauptlcil seines Buches eine Studie an vergleichbaren
Texten vorausschickt. Sie wählt er aus „hymnischer Literatur" in der
Erwartung aus. daß sie über die Art ordnender Prinzipien und Verfahren
Aufschluß geben, die bei der Komposition des Psalters wirksam
gewesen sein können. Entsprechenden Nachforschungen unterzieht
W. die Sammlung sumerischer Tempel-Hymnen (Kap. 2) und

eine weitere Quelle der mesopotamischen Keilschriftliteratur, die jedoch
lediglich die ersten Zeilen hymnischer Kompositionen enthält
(Kap. 3). sowie die für den Vergleich mit dem hebräischen Psalter
fruchtbarsten Texte aus den Psalmen-Handschriften von Qumran
(Kap. 4 und 5). Nun erst folgen die Beobachtungen an der biblischen
Sammlung: W. prüft und beschreibt solche Belege, die eine zusammenschließende
redaktionelle Anordnung, die den ganzen Psalter
durchdringt, glaubhaft machen sollen (Kap. 6). Danach wendet sich
der Vf. dem Ziel der Bearbeitung zu. das den gesamten Gestaltungsprozeß
bestimmt, und deutet die Angaben für das Verständnis der
endgültigen Form des Psalters (Kap. 7).

Lassen die Feststellungen an den mesopotamischen Texten nur
Rückschlüsse auf die Entwicklung der kanonischen Sammlung und
Nachprüfungen zu (S. 1.7-61). so ermöglichen die beobachteten organisatorischen
Elemente in den zahlreichen Psalmen-Handschriften
unter den Rollen vom Toten Meernach Meinung des Vf. unmittelbar
Einblick in die Redaktion und Organisation des biblischen Psalters";
denn W. berücksichtigt die Wechselwirkung zwischen der kanonischen
Form und ihrem Spiegelbild, das er in den hebräischen Psalmen
von Qumran sieht (S. 63-138). Von 76 Belegen expliziter redaktioneller
Erläuterungen, die einen Vergleich aushalten, stimmen nach
W.s Prüfung die Psalmen-Handschriften in 64 Fällen mit entsprechenden
Äußerungen (Überschriften. Nachträgen. Doxologien,
Halleluja-Rufen) im biblischen Psalter überein.

Den Beweis einer redaktionellen Tätigkeit im hebräischen Psalter
sucht W. zunächst in expliziten redaktionellen Aussagen. Anders als
in den mesopotamischen und den Psalmen-Texten vom Toten Meer
stößt er hier nur auf eine einzige ausdrückliche Erklärung, die eine
organisatorische Funktion ausübt: Ps 72,20 zeigt das Ende einer
Sammlung von „Gebeten" an. die demselben Verfasser zugeschrieben
werden. Das besondere „deskriptive" Verhältnis der Überschriften zu
den einzelnen Psalmen, denen sie vorausgehen, schließt sie als explizite
organisatorische Mittel aus (S. 139-145). Dennoch meint W„
ihren Anteil an der redaktionellen Gestaltung des Psalmen-Corpus
darlegen zu können (S. 145-167). in dem die verschiedenen Lieder,
ungeachtet ihres ursprünglichen „Sitzes im Leben", einen neuen
Kontext erhalten haben, der ihren Gebrauch jetzt beeinflußt
(S. 14311). Der Bearbeiter habe Informationen über Verfasserschaft in
den Psalmenüberschriften für seine Absicht benutzt, innerhalb seiner
Anordnung der Psalmen zu trennen, vor allem die Grenzen zu ischen
den ersten vier „Büchern" zu markieren (S. 155-158). Die Angaben
verschiedener Art. die W. unter der Bezeichnung "genre categories"
zusammenläßt (S. 158-162). in den Überschriften und in einigen
Nachträgen (Ps 72.20: 104.35; 105.45; 106.48). seien bei der Bearbeitung
des Psalters eingesetzt worden, innerhalb größerer Teile Psalmengruppen
miteinander zu verbinden und den Übergang zwischen
ihnen zu ebnen (S. 163-167). Einen weiteren Beleg für die unausgesprochene
organisatorische Funktion von Psalmenüberschriften erkennt
W. in der Nebeneinanderstellung gewisser Psalmen: Er deutet
sie als redaktionellen Hinweis auf eine Tradition der Verknüpfung
von Psalmen ohne Überschrift mit den ihnen unmittelbar vorangestellten
, außer Ps 9/10; 42/43 viele andere (S. I 73-18 I).

Außerhalb der Psalmenüberschriften sondert der Vf. „nicht-
explizite" Elemente aus. die der Bearbeiter, wie jene expliziten Aussagen
, bei der Anordnung der Psalmen gebraucht habe-die Halleluja-
Psalmen, um durch sie feile in den letzten „Büchern" abzuschließen:
Ps 104-106: 111-117: 135: 146-150 (S. 162. 186-190). Hodu-
Psalmen zur Einführung des nächsten Teils: Ps 107 (-117); 118
(-135); 136 (-145) (S. 187-190). Dazu zählt er auch die doxolo-
gischen Formulierungen jeweils am Ende des letzten Psalms der
„Bücher" 1-3: Ps4l,l4; 72,19: 89.53: 106.48; sie seien gezielt zur
Einteilung des Psalters verwendete Hilfen (S. 140.182-186). Schließlich
nennt W. Beispiele für eine „thematisch" orientierte Nebeneinanderstellung
von Psalmen. Einige, wie Ps 146-150. erfüllten dadurch
eine wichtige Aufgabe bei der Verwirklichung der F.ndlässung
des hebräischen Psalters (S. 190-194).