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1986

Kategorie:

Bibelwissenschaft

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Neuerscheinungen

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Theologische Litcraturzeitung III. Jahrgang 1986 Nr. 9

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drucksvoll den Prozeß der reformatorischen Bibelübersetzung (vgl.
die Textbeispielc 61). Aufschlußreich ist auch die 5. Abteilung (St.
Strohn)), in der über die zeitgenössische Wirkungsgcschichtc der
Lutherübersetzung, d. h. die altgläubige Polemik und die Gegenunternehmungen
(u. a. Einser Dietcnbergcr. Eck), die Zürcher Bibel und
deren Zurückweisung durch Luther informiert wird (Emser war nicht
mehr Sekretär Herzog Georgs, als er seine Polemik auf Luthers Septembertestament
eröffnete, wie Strohm annimmt: 79). Weniger gelungen
ist die 6. Abteilung über die Neugestaltung im Raum der Reformation
, abgesehen von den Abschnitten Bibelillustration und Buch-
cinzeichnungen (St. Strohm). Zu knapp ausgefallen ist der Abschnitt
über Wirkungen und Bewertungen der Lutherspraehc von R. Hätz,
dem auch keine Exponate zugeordnet sind. Die umfangreichen Auslührungen
über Luthers Musikverständnis von C. Gottwald fallen
schon durch ihren journalistischen Stil aus dem Rahmen. Die Freude
an flotten Formulierungen reißt den Autor nicht selten zu unsachgemäßen
Urteilen hin. so wenn Moritz von Sachsen als ..windiger
Schuft" (108) bezeichnet oder Friedrieh Blume bescheinigt wird, er
habe den Sinn einer Lutheräußerung ..bewußt entstellt" (103). Dieser
Beitrag nimmt sich wie ein Fremdkörper in dem gewichtigen Ausstellungskatalog
aus. der über das allgemeine Interesse hinaus auch das
Fachwissen bereichert. Letzteres ist beispielsweise zu belegen durch
die Korrektur zu Barings Auffassung von Drucken der „Wormscr Propheten
" (57), die Faksimilcwiedergabc von Mclanchthons Autograph
des Carmen De vagiente ccclcsia (118. bisher nur in der Drucklässung
bekannt) und durch den Hinweis auf die Abschrift einer Nachschrift
von Mclanchthons Galatervorlesung 1520, von der man bislang nur
den Titel kannte (40-42.44. leider ohne Faksimilcwiedergabc).

Berlin Siegfried Briiuer

Lnilku. Joachim: Die biblische Exegese im Lichte des Dekretes über die göttliche
Offenbarung(Dci verbumMMThZ 36. 1985. J—19).

1-akgan. Bernard C, and Willem S. Vorstcr: Text and Rcality. Aspects of
Referenee in Biblieal Tcxts. Philadelphia. PA: Fortrcss Press: Atlanta: Scholars
Press 1985. III. 123 S. 8' = Scmeia Studies. Kart. $9.95: Lw. $ 14.95.

McKnight. Edgar V.t The Bible and the Reader. An Introduetion to l.itcrary
Oiticism. Philadelphia. PA: Fortrcss Press 1985. XIX. 147 S. 8?

Altes Testament

Gottfriedsen, Christine: Die Fruchtbarkeit von Israels Land. Zur

Differenz der Theologie in den beiden Landesteilen. Frankfurt
/M.-Bcrn-New York: Lang 1985. 213 S. 8*= Europäische
Hochschulschriften. Reihe XXIII: Theologie. Bd. 267. Kart.
sfr47.-.

Der Titel des Buches macht neugierig. Hat man die Fruchtbarkeit
des Landes in Israel und Juda unterschiedlich bewertet? Und wenn ja,
woran lag das dann? Wirkte sich das klimatische Nord-Süd-Gefälle
aus. das den nördlichen Landesteil mit höheren Niederschlagsmengen
begünstigte? Hatten deshalb Ackerwirtschaft und Baumkultur im
Norden mehr Bedeutung als im Süden? Hatte vielleicht die Landwirtschaft
überhaupt in der Ökonomie beider Länder einen unterschiedlichen
Stellenwert? Oder hängt ihre Beurteilung vom hier kleineren
dort größeren Nachwirken des kanaanäischen Erbes ab?

Mit solchen Fragen nimmt man das Buch in die Hand, das auf eine
1984 von der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Ludwig-
Maximilians-Universität München angenommene Dissertation zurückgeht
. Die Einleitung (S. 9-11) lenkt aber sogleich die aufgrund
des Titels in verschiedene Richtungen schweifende Neugier auf nur
eine Bahn. Untersucht werden sollen die alttestamentlichcn „Aussagen
, die sich mit der Fruchtbarkeit des Israel gegebenen Landes
beschäftigen" (S. 9). Nacheinander werden dazu prophetische Aussagen
über das Land (S. 13-58). jahwistische und elohistischc Texte

über die Fruchtbarkeit des Landes (S. 59-98) sowie entsprechende
Passagen in den Stammessprüchen, Hymnen und Psalmen
(S. 99-117) behandelt und dann die Ergebnisse zusammengefaßt
(S. 119-134). Nachgestellt sind die Besprechung deutcronomischer
Texte über die Fruchtbarkeit des Landes (S. 135-156) und ein Ausblick
(S. 157-161). Ein Literaturverzeichnis (S. 163-171) und der
Anmerkungsteil (S. 1 73-213) beschließen das Buch.

Bereits an der Inhaltsangabe zeigt sich, daß die Vfn. darauf verzichtet
hat, die alttestamentlichen Aussagen generell mit den im
Lande vorfindlichen natürlichen Gegebenheiten zu konfrontieren.
Nur vereinzelt finden sich Bemerkungen dazu zwischen exegetische
Ausführungen eingestreut. Das ist schade; denn damit bleibt die Exegese
auf ihrem hohen Stuhl sitzen, und es gelingt ihr nicht, die Füße
auf den Boden.zu stellen. Freilich muß man der Vfn. zugute halten,
daß das Thema nicht nur die Auslegung zahlreicher Texte verlangt,
sondern daß diese auch noch über alle Teile des Alten Testaments
verstreut sind. Damit ist keine leichte Aufgabe gestellt. Nur zu rasch
kann man in der Stoffmasse die Hauptlinien aus dem Blick verlieren,
und groß ist auch die Versuchung, die Vielzahl und Vielstimmigkeit
der Texte in ein Schema zu zwingen. Der ersten Gefahr ist die Vfn.
nicht erlegen. Sie ordnet die alttestamentlichen Aussagen über die
Fruchtbarkeit des Landes einer in der Sache recht einheitlichen Textgruppe
aus dem Norden und einer weniger einheitlichen Textgruppe
aus dem Süden zu. Die Texte aus dem Norden (Elia- und Elisa-
erzählungen, Hoseatcxte, frühe Jeremiatexte. elohistische Quelle,
Ri 5,4f; Ps29; 68) bezeichnen ihrer Meinung nach Jahwe deshalb
ganz ausdrücklich als denjenigen, dem das Volk den Regen und den
agrarischen Ertrag des Landes verdankt, weil sie „aus dem Kampf
einer jahwetreucn Prophetie gegen eine zunehmende Baalisicrung des
Jahwcglaubens" (S. 124) heraus entständen seien. Daß Jahwe aber
dennoch nicht einfach in die Rolle seines Konkurrenten Baal geschlüpft
sei. erweise sich in seiner Fähigkeit, den Regen und die Ernten
verweigern zu können. Daß Jahwe die Macht habe, den jahreszeitlichen
Rhythmus aufzuheben, unterscheide ihn vom sterbenden und
auferstehenden Vegetationsgott Baal. Gleichzeitig rücke Jahwes positives
(Regen, Ernte) und negatives (Dürre, Hungersnot) Eingreifen in
die Natur dadurch in die Nähe seines Geschichtshandclns. daß er von
Fall zu Fall, also punktuell über die Landesgaben oder ihre Verweigerung
entscheide. Die Aussagen über die Fruchtbarkeit des Landes aus
dem Süden (jahwistische Quelle mit Erweiterungen, Gen 49,10-12;
Dtn 33,13-16; Ps 65; 72) ließen demgegenüber keinerlei Konkurrenz
zwischen Jahwe und Baal erkennen. Unbesorgt habe man deshalb
kanaanäische Vorstellungen in die Schilderungen der Fruchtbarkeit
des Landes übernehmen und auch gerade die Kontinuität im Jahresablauf
rühmen können. Da man Baal mit alledem nicht in Verbindunggesetzt
habe, habe man darauf verzichten können. Jahwe ausdrücklich
als Geber des Überflusses in der Natur zu bezeichnen. Es sei
ausreichend gewesen, in ihm den Geberdes verheißenen Landes zu erkennen
und anzuerkennen.

Als piece de resistance stellen sich die Theophaniehymnen und
Psalmen aus dem Nordreich (S. 108-112) dieser Argumentation in
den Weg; denn sie lassen Jahwes Erscheinen von heftigen Regengüssen
begleitet sein und greifen damit kanaanäische Vorstellungen
auf. Um ihre Textgruppicrung nicht zu gefährden, muß die Vfn. annehmen
, daß die Schilderungen nur den „Aufruhr der Natur", nicht
aber Jahwe als „Spender des Regens" beschreiben wollen (S. 109).
Um die Konfrontation zwischen Jahwe und Baal ausschließlich im
Norden und nicht auch im Süden stattfinden lassen zu müssen, wird
die Theophanieschilderung in Ps 29 als alte Nordreichsüberlieferung
bestimmt, die erst sekundär in Jerusalem überarbeitet worden sei. Die
Begründung dafür, daß „von einer Baalsverehrung in Jerusalem . . .
nichts bekannt" sei (S. III), gerät freilich zum klassischen Zirkelschluß
. Nicht zufällig werden auch die deutcronomischen Aussagen
über die Fruchtbarkeit (Dtn 6,10-12; 7,13ff; 8,6-14; 11,1 Off; 28) erst
nach der Formulierung des Ergebnisses behandelt (S. 135-156); denn
sie enthalten zum großen Teil Vorstellungen, die die Vfn. als typisch