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1986

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Systematische Theologie: Dogmatik

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Neuerscheinungen

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Theologische Literaturzeitung 111. Jahrgang 1986 Nr. 8

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Rechtfertigungsbegriff als alles regulierenden Begriff zu verstehen,
„wird man aber Bedenken tragen, weil den Menschen, zu denen wir
heute sprechen, großenteils die Voraussetzungen verloren gegangen
sind, unter denen allein das ganze Gewicht der Rechtfertigung fühlbar
gemacht werden kann" (137). M p

Schädel, Erwin [Hg.] unter Mitarb. von D. Brünn u. Peter Müller:
Bibliotheca Trinitariorum. Internationale Bibliographie trinita-
rischer Literatur. Bd. I: Autorenverzeichnis. München-Paris-New
York-London: Saur 1984. CXI, 624 S.gr. 8°. Lw. DM 120,-.

„Neuzeitliche Trinitätsvergessenheit" (VII), nicht nur als ein theologisches
, sondern als ein wirklichkeitstheoretisches Phänomen, gibt
den Impuls für eine solche Bemühung her wie die vorliegende. Die
Bibliotheca trinitariorum möchte „einen Beitrag zu ontisch konsistenter
Zukunftsgestaltung leisten" (VIII). Dahinter steckt der Wille,
„die Sensibilität und innere Bereitschaft zur Aufnahme des ganzheitstheoretischen
Problembereiches der Trinitätsmetaphysik", wie sie
offenbar im Wachsen begriffen ist (XVII), zu nutzen. Das Trinita-
rische könnte Vermittlungsinstanz in intersubjektiver, interkultureller
, gemeinschaftlicher und theologisch-philosophischer Hinsicht
sein.

Dem 1. Band mit dem alphabetischen Autorenverzeichnis soll ein
2. folgen, der formale, sachliche und historische Indiccs liefert, daß gezielte
wissenschaftliche Detailuntersuchungen möglich werden. Der
Einfuhrung in deutscher, englischer, französischer, italienischer, lateinischer
und spanischer Sprache folgen, nach einem Abkürzungsverzeichnis
, die 4712 Titel.

Brom, L. J. van den: Dogmatiek een wetenschap: een contradictic?
(NedThT40. 1986,53-81).

Geißer, Hans-Friedrich: Dogmatik im Aufbruch - wohin? (ThR 51, 1986,
98-116).

Hilberath. Bernd Jochen: „Substanzverwandlung" - „Bedeutungswandel" -
„Umstiftung". Zur Diskussion um die eucharistische „Wandlung" (Cath 39.
1985,133-150).

Johnson, E. A.: Jesus, the Wisdom of God: A Biblical Basis for Non-
Andrbcentric Christology (Ephemerides Theologicae Lovanienses 61, 1985,
261-294).

Kühn,Ulrich: Die Kirche als Ort der Theologie (KuD 31,1985,98-115).

Systematische Theologie: Ethik

Flöhl, Rainer [Hg.]: Genforschung - Fluch oder Segen? Interdisziplinäre
Stellungnahmen. München: J. Schweitzer 1985. XII, 381 S. gr.
8" = Gentechnologie, Chancen und Risiken, 3. Kart. DM 29,80.

„Unsere so völlig enttabuisierte Welt muß . . . freiwillig neue Tabus
aufrichten": Dies fordert der deutsch-amerikanische Philosoph Hans
Jonas in seinem skeptischen Beitrag, mit dem der von R. Flöhl herausgegebene
Sammelbd. zur Rcproduktions- und Gentechnologie eingeleitet
wird. Aufsätze von 23 Autoren (zumeist aus der BRD) aus Philosophie
, Theologie, Rechtswissenschaft, Medizin und Naturwissenschaft
sowie Gewerkschaft und Wirtschaft verdeutlichen den derzeitigen
rechtlichen und ethischen Diskussionsstand zu dem umfassenden
Fragenkatalog, der durch die neuere Entwicklung in Biomedizin und
Gentechnik aufgeworfen wird. Um vorab nur einige Autoren namentlich
zu nennen: Zu den theologischen Mitautoren des Sammelbds.
zählen u. a. F. Böckle, Chr. Frey, M. Honecker und J. Hübner: aus
juristischer Sicht haben u. a. E. Benda und A. Kaufmann, aus philosophischer
Perspektive W. Kluxen und H.-M. Sass Beiträge eingebracht
. Man mag bedauern, daß aus der gerade im Blick auf die Gentechnologie
besonders relevanten amerikanischen Diskussion neben
Hans Jonas mit dem Genetiker E. Chargaff nur noch eine einzelne
weitere Stimme vertreten ist. Da die unterschiedlichen Beiträge des
Sammelbds. nicht aufeinander abgestimmt sind, ergeben sich überdies

im einzelnen Wiederholungen in den Argumentationsgängen, die den
Leser gelegentlich ermüden können. Jedoch: Der deutlich hervorzuhebende
Vorzug des Bds. besteht darin, daß er das Spektrum möglicher
- sei es ablehnender oder zustimmender - Positionen zur Re-
produktions- und Gentechnik vor Augen führt. Vor allem zeigt sich -
und dies ist durchaus ein Zwischenergebnis, welches durch den
Sammelbd. sichtbar wird -, daß die Gentechnik inzwischen eine Diskussion
auf mehreren Prohlemebenen erfordert: Im Vergleich zu den
70er Jahren, als im wesentlichen Sicherheitsprobleme der Gentechnik
im Vordergrund standen (Asilomarkonfercnz 1975!), muß die Reflexion
heute, nur zehn Jahre später, gerade in ethischer Hinsicht sehr
viel weiterausgreifen.

Die erste Problcmebene betrifft konkrete Einzelfragen, die ethischer
Bewertung und rechtlicher Regelung bedürfen. Bei den Autoren des
Sammelbds. besteht zwar durchweg Konsens in den Einwänden gegen
Mietmütter, in der Ablehnung des genetischen Eingriffs in Keimbahnzellen
, des (hypothetischen) Klonierens von Menschen oder der Herstellung
von Mensch-Tier-Chimären. Freilich: Die noch offenen und
strittigen Fragen werden in Zukunft crhehliche Kontroversen auslösen
. Dies gilt für die Genomanalyse an Arbeitnehmern. Besonders
von S. Bleicher (S. 298 ff) werden aus gewerkschaftlicher Sicht die Einwände
namhaft gemacht: das Recht des Arbeitnehmers, nicht ausgeforscht
zu werden, und der Vorrang von Arbeitsschutzmaßnahmen
vor genetischen Untersuchungen, die in individuelle Rechte eingreifen
. Ein weiterer strittiger Punkt ist die Forschung an Emhryonen.
Der Position von H.-M. Sass (S. 460, Forschung generell his zum Beginn
der Hirntätigkeit freizugehen, steht die Auffassung einer Mehrzahl
der Autoren gegenüber, die nachdrücklich die anthropologischethisch
begründete Grenze der Forschung betonen (z. B. A. Kaufmann
S. 270f, W. Kluxen S. 280- Eine solche restriktive Position
kann in der Tat für sich geltend machen, daß bereits mit der Befruchtung
gattungsspezifisch menschliches Leben beginnt und die individuelle
Ausprägung von vornherein angelegt ist; daher ist ethische Verantwortung
auch auf früheste Stadien menschlichen Lebens auszudehnen
. Die Ethik hat sich zum Anwalt des werdenden bzw. potentiellen
menschlichen Lebens zu machen, das schutzbedürftig und
selbst wehrlos ist.

Mithin zeigen sich an den konkreten Einzelfragen Grenzen dessen,
was ethisch vertretbar ist. Dies führt zu einer zweiten Problcmebene:
der Grundsatzfrage nach dem Verhältnis von Ethik und Technologie
überhaupt. Diese Grundsatz.frage wird in dem Sammelbd. besonders
durch den Gegensatz zwischen dem Technologiekritiker Hans Jonas
und dem Bochumer Philosophen Hans-Martin Sass sichtbar. Während
Jonas den drohenden Mißbrauch und die negativen Folgen der
Gentechnik - bis hin zur Gefahr der Menschenzüchtung und Eugenik
- betont und prinzipiell den Vorrang des Bewahrens vor dem Verändern
hervorhebt, hält Sass es für möglich, daß Ethik die technische
Revolution der Genetik positiv steuern könne. Anstelle bremsender
Stellungnahmen durch die Ethik sei eine Beschleunigung ethischer
Einsicht anzustreben. Allerdings: Es ist zu bezweifeln, ob der Informationsrückstand
der Ethik gegenüber Forschung und Technik solch
eine ethische Steuerung der Technik überhaupt zuläßt - abgesehen
davon, daß technologische Entwicklungsschübc oft nicht vorherzusehen
sind, Eigendynamik entwickeln und die Gefahr faktischen Mißbrauchs
der Gentechnik ungelöst bleibt.

Die hier aufbrechende Grundsatzdebattc zum Verhältnis von Technik
und Ethik wird in Zukunft noch an Schärfe und Profil gewinnen
und dürfte einen einseitigen gentechnologischen Fortschrittsoptimismus
zunehmend problcmatisieren. Sie berührt sich überdies mit einer
dritten Problemebene: Technologische Entwicklungen strahlen aul
das Ethos, auf die ethische Einstellung der Menschen im Lebensalltag
aus. Daher ist zu fragen, wie sich die Einstellung zum Phänomen des
Lebens wandeln wird, wenn durch Gentechnik Leben als machbar
und beherrschbar gilt und wenn behindertes Leben als - angeblich -
technisch vermeidbar angesehen wird (M. Honecker S. 14411). Drohen
nicht negative Rückwirkungen auf die individuelle und gesell-