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Ausgabe:

1986

Spalte:

40-41

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Autor/Hrsg.:

Nicolaus de Cusa, Nicolai de Cusa Idiota de sapienta

Titel/Untertitel:

de mente 1986

Rezensent:

Kandler, Karl-Hermann

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Theologische Litcraturzeitung III. Jahrgang 1986 Nr. I

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in die Mitarbeit ein. Nach einer ausführlichen Diskussion, befruchtet
durch Gadamers lebhaftes Interesse am Vorhaben, wurde von der Cu-
sanus-Kommission der Heidelberger Akademie beschlossen, die Acta
Cusana in ihre Gesamtausgabc aufzunehmen. Damit war entschieden,
daß es nicht nur um die Edition des Briefwechsels, gar in Auswahl,
gehen konnte, sondern „um eine vollständige, in chronologischer Folge
dargebotene Sammlung". Gewiß kann Vollständigkeit nur angestrebt
, aber nicht erreicht werden. Neue Handschriften, ja neue Titel
werden auftauchen. Nachträge zur Gesamtedition der Acta sind damit
vorprogrammiert (S. IX-X).

Jeder Text, der in die Edition aufgenommen wird, interessiert in ihr
nur soweit, wie er mit NvK im Zusammenhang steht. Danach richtet
sich Darbietung und Intensität der Kommentierung. In Normalgröße
sind nur solche Texte gedruckt, die mit Sicherheit in dieser Form NvK
verfaßt hat.

Fließend bleibt die Grenze zwischen Akte und Werk. Auf die
Werke im eigentlichen Sinne und auf die Predigten wird aber in den
Acta in jeweils eigenen Nummern an der chronologisch entsprechenden
Stelle hingewiesen. Glossen und Exzerpte sind nur berücksichtigt,
wenn sie genauer datiert werden können.

Erschlossene Daten sind als solche gekennzeichnet. Die gebotenen
Stücke werden kurz charakterisiert mit Angabe des Verfassers, gegebenenfalls
des Adressaten, des Hauptinhalts oder des Betreffs. Angaben
zur handschriftlichen Überlieferung, über Drucke und frühere
Erwähnungen schließen sich an. Häufig folgt diesem Vorspann noch
eine Vorbemerkung, die die Erschließung des Datums und Verfassers
erläutert oder in den Zusammenhang einführt.

Zu jedem Stück können zwei Apparate gehören; der erste enthält
Bemerkungen zur Textgestalt, der zweite solche sachlicher Art. Jede
Lieferung enthält eine provisorische Liste der verwendeten Abkürzungen
, Siglcn sowie der zitierten Literatur.

Die Editionsgrundsätze unterscheiden sich naturgemäß von denen
der Opera omnia; es handelt sich um eine Veröffentlichung sui gene-
ris. so daß sie als Parallelunternehmen den Opera zur Seite gestellt
wird.

Geplant sind drei Bände zu je drei Lieferungen. Band 1 umfaßt die
Acta der Jahre bis 1452, Band 2 von 1452 bis 1460, Band 3 von 1460
bis 1464. Unbeschadet der Gesamtverantwortung beider Herausgeber
betreut E. Meuthen Band 1 und 3, H. Hallauer Band 2.

Band 1, Lieferung 1, hat seinen Schwerpunkt in den wenigen Acta
zur Kindheit und Ausbildung (wobei auffällt, daß keine Angaben über
einen Besuch der Schule der Brüder vom gemeinsamen Leben in
Deventer gemacht werden, worauf auch M.Watanabe in seiner
Rezension hinweist1; ein solcher Besuch kann m. E. aber auch nicht
völlig ausgeschlossen werden; 1415/16 studiert NvK in Heidelberg,
womit er erstmals namentlich faßbar wird), zur Pfründenhäulüng
(womit sich NvK ganz als Kind seiner Zeit erweist) und zum Rechtsstreit
um das Trierer Schisma auf dem Basler Konzil. Wesentliche
Texte zur Geschichte dieses Konzils sind in beiden Lieferungen enthalten
. Sie dokumentieren, daß NvK vielfach als ..konziliarer Vertrauensmann
", als Konzilsdeputierter, -gesandter, -prackognitor,
-prokurator und -richter. dazu als Zeuge. Vermittler und Anwalt im
Auftrag verschiedener Institutionen und Personen tätig war. Zugleich
wird seine Fürsorge für seine Pfründen deutlich (z. B. Nr. 258: Statuten
für St. Florin in Koblenz 1436).

Lieferung 2 beginnt mit den Anweisungen für die nach Konstantinopel
reisenden Gesandten der päpstlich gesinnten Konzilsminorität,
zu denen auch NvK gehörte. Weiterhin gehören hierher die Akten
zum Streit um das Basler Konzil und die Tätigkeit des NvK als päpstlicher
Gesandter u.a. auf Reichstagen (Nürnberg 1438, Frankfurt
1442, 1446), wobei NvK von konziliarer Seite vorgeworfen wird, er
vertrete die Irrtumsmöglichkeit der Konzilien (Nr. 375f).

Dazwischen finden sich dann ganz prosaische Dinge, z. B. Eintragungen
des NvK über das Pachtgeding im Propsteibuch von Münstermaifeld
(Nr. 377), Wechsclbriefe bzw. Geldanweisungen oder Bitten
um weitere Pfründen, Nachrichten über aufgefundene bzw. von Konstantinopel
mitgebrachte Handschriften usw., aber auch Notizen über
gehaltene Predigten oder die Abfassung seiner Schriften. So wird die
Fülle seiner Aufgaben und die Vielfalt seines Wirkens dokumentiert.
Zunehmend enthält die 2. Lieferung Schreiben, die NvK als Gesandter
Papst Eugens IV. verfaßt hat, so besonders die Propositionen auf
dem Mainzer Kongreß 1441 über die Notwendigkeit, daß die Kurfürsten
ihre Neutralität aufgeben und Eugen IV. anerkennen (Nr. 473);
die schriftliche Zusammenfassung seiner Rede vor dem Frankfurter
Reichstag 1442 (Nr. 520; ihr Abdruck umfaßt allein 45 Seiten); seine
Stellungnahme gegen die Lehre des Konzils von der Gewalt des Papstes
und über das Verhältnis von Papst und Konzil (Nr. 572) und sein
Vorschlag zur Lösung der Kirchenfrage 1444 (Nr. 598f). Aus Schreiben
des Enea Silvio ist zu entnehmen, daß Eugen IV. NvK schon in
petto zum Kardinal ernannt hat; kreiert wurde er 1448 (Nr. 727,
776-779. 784, 7870- Nach dem Tode Eugens IV. erhielt NvK im
Konklave einige Stimmen (Nr. 740). Schreiben und Gutachten, z. T.
in deutscher Sprache, zeigen uns NvK weiterhin als Eriedensvcrmitt-
ler. Nr. 849 bringt die kurze Autobiographie des NvK, Nr. 872 die
Provision mit dem Bistum Brixcn 1450, Nr. 952f die Beauftragung
mit der Verkündung des Jubiläumsablasses sowie mit der Kirchenreform
in Deutschland und Böhmen und die Ernennung zum Legaten
.

Eine Fülle von Material wird dargeboten. Da die I. Lieferung in der
wissenschaftlichen Fachwelt eine gute Aufnahme gefunden hatte,
sahen sich die Herausgeber zur Weitcrarbeit ermuntert und ermutigt,
ohneGesamlanlagc oder Einzclgcstaltung zu ändern.

Einzelne Ergänzungen sind bereits benannt und z. T. anderweit veröffentlicht
worden. Neue Aktenlünde im Trierer Stadtarchiv konnten
in die 2. Lieferung noch eingearbeitet werden.

Den Bearbeitern und Herausgebern sei für ihre unermüdliche
Arbeit herzlich gedankt. Dieser Dank sei verbunden mit dem
Wunsch, in der Materialfülle nicht zu versinken. Das für eine wissenschaftlich
fundierte Biographic nötige Material ist hier in seiner ganzen
Breite ediert. Ohne die Acta Cusana zu berücksichtigen, kann
künftig einfach nicht mehr sachgerecht über NvK gearbeitet werden.
Hier sind wohl auch Maßstäbe gesetzt worden, die für die Beschäftigung
mit anderen Persönlichkeiten der Geschichte gelten sollten.
Über NvK ist soviel an Acta überliefert, wie nur über wenige Persönlichkeiten
des Mittelalters. Man vergleiche etwa die Acta Cusana mit
dem jüngst erschienenen Werk von Loris Sturlese. Dokumente und
Forschungen zu Leben und Werk Dietrichs von Frcibcrg, eine ebenfalls
fleißige Arbeit. Aber über ihn ist wenig überliefert. Wie würden
freilich Acta Lutherana aussehen?! Dabei wären wohl auch sie nötig,
um eine wirklich wissenschaftliche Luther-Biographie zu ermöglichen
. Aber das wäre wohl - ähnlich wie die Weimarana - ein Jahrhundertwerk
!

Freiberg Karl-Hermann Kandier

' In: Mitteilungen und Forschungsbeiträge der Cusanus-Ciescllschafl 12.
Mainz 1977. S. 157.

Nicolai de Cusa: Opera Omnia iussu et auetoritate Academiac littera-
rum Heidelbergensis ad codieum fidem edita. V: Idiota. De Sapien-
tia. De Mcnte. Editionem post L. Baur, alteram curavit R. Steiger
duas appendices adiecit R. Klibansky. De staficis experimentis ex
editione L. Baur. Brevem Dissertationem addiderunt C. Bormann
et I. G. Senger. Hamburg: Meiner 1983. LXXXIV, 315 S. 4'. Kart.
DM 298,-.

Die vier Bücher vom Idiota verfaßte Nikolaus von Kues (NvK)
1450; in ihnen werden die Gotteslehre (De sapientia I und II),
Erkenntnislehre (De mente) und Naturlehrc (De staticis experimentis)
behandelt. Gott erscheint in den beiden Büchern von „De sapientia"
als die ewige Weisheit (wobei ständig wechselnd neue Gottesbezeichnungen
aufgenommen werden wie ipsa quiditas absoluta, ipsa abso-