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Ausgabe:

1986

Spalte:

613-615

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Seigfried, Adam

Titel/Untertitel:

Vernunft und Offenbarung bei dem Spätaufklärer Jakob Salat 1986

Rezensent:

Jaspert, Bernd

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Theologische Literaturzeitung III. Jahrgang 1986 Nr. 8

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ohne biblische Zitate, Cyprian zitiert immer wieder die Bibel. Bender
faßt zusammen: „Einerseits steht die Apologetik in kritischer, zum
Teil sogar ablehnender Distanz zur menschlichen Weisheit. . . andererseits
erlebt man ein ständiges Suchen und Ringen, da die Apologeten
in den Aussagen der Dichter und Philosophen Werte sahen, Hilfen
finden, Wahrheiten erkennen und somit einsehen, daß sie nicht
einfach daran vorbeigehen und alles beiseite schieben können und
dürfen" (153).

Kap. 6 lenkt zu Laktanz zurück. Er argumentiert auf biblischer
Grundlage, aber er vermeidet direkte Zitate. Wichtig ist ihm
1 Kor 1,19fT: Der Gegensatz zwischen der Weisheit dieser Welt und
der Torheit des Kreuzes. Dagegen hat er Stellen aus der Apostelgeschichte
oder dem Anfang des Römerbriefes, die im Sinne einer
natürlichen Gotteserkenntnis zu verstehen waren, nicht erwähnt.
Diese Stellen würden „seine schroffe und mehr auf Konfrontation als
auf Einvernehmen ausgerichtete Argumentation erschweren" (166).
Gedanken der griechischen Apologeten hat er nicht übernommen,
doch soll dies „nicht als stillschweigende Ablehnung interpretiert werden
" (170). Einflüsse Tertullians sind deutlich, auch zu Cyprian hatte
Laktanz ein positives Verhältnis. Nochmals wird das Kapitel div. inst.
1.5 erörtert. Laktanz hat Achtung vor heidnischen Denkern und erkennt
auch Erkenntnisse bei ihnen an. Aber er hält fest an seinem
Urteil: „Sie hatten die Wahrheit nicht, weil sie Gott nicht erkannten"
(192). Laktanz wagte es einerseits „die christlichen Lehren in einem
Maß aus den heidnischen Schriften zu belegen, wie keiner der Apologeten
vorher, andererseits den Heiden aber die letzte und eigentliche
Erfassung der Wahrheit und wirkliche Erkenntnis Gottes" abzusprechen
(209). Mit Laktanz, „dem entscheidenden Baumeister...
kommt die frühchristliche Apologetik zum Abschluß" (212). Kap. 7
..Ausblick" zeigt Einflüsse des Laktanz auf Augustin auf, kommt dann
aber wieder zu gegenwärtigen Fragen zurück.

Die Arbeit ist mit Quellenzitaten und Literaturnachweisen durchzogen
. Kirchengeschichte und Theologiegeschichte bekommen reiche
Anregungen.

Rostock Gert Haendler

Seigfried. Adam: Vernunft und Offenbarung bei dem Spätaufklärer
Jakob Salat. Eine historisch-systematische Untersuchung. Innsbruck
-Wien: Tyrolia 1983. 301 S. 8' = Innsbrucker theologische
Studien, 10. Kart. ÖS 420.-.

Dem katholischen Aufklärungstheologen Jakob Salat (1766-1851)
wurde bislang wenig Aufmerksamkeit zuteil. Mit der Wiener Habilitationsschrift
von Adam Seigfried, die 1982 mit dem Kardinal-
Innitzer-Förderungspreis für Theologie ausgezeichnet wurde, wird
Salat zum ersten Mal in einer seinem umfangreichen und vielschichtigen
Werk angemessenen Form gewürdigt. Dabei kommen auch
zahlreiche, bisher unbekannte archivalischc Dokumente ans Tageslicht
, so aus München, Augsburg, Heidelberg, Marbach, Nürnberg,
Stuttgart. Trier, Bonn. Karlsruhe, Freiburgi. Br., Dresden. Außerdem
hat der Vf. in oft mühevoller Kleinarbeit eine 129 Nummern umfassende
Bibliographie Salats sowie aller bedeutenden Rezensionen
seiner Schriften zusammengestellt. Allein hieraus wird schon deutlich
, daß der Gegenspieler Schellingsein weit bedeutenderer Theologe
und Philosoph war, als es nach seinen beiden Bänden „Sendling in
München" (1837-1845), einer „Religionsphilosophie" (2. Aufl.
1821) oder seinen „Denkwürdigkeiten betreffend den Gang der Wissenschaft
und Aufklärung im südlichen Deutschland. Veranlaßt
durch J. M. Sailers Denkschrift auf P. B. Zimmer" (1823) scheinen
konnte. Deutlich wird nun auch, daß Salat mit seinem spezifischen
Verständnis von „katholisch" und „protestantisch" als zwei notwendigen
Prinzipien der anzustrebenden universalen Kirche in die Reihe
der Vorläufer der ökumenischen Bewegung gehört.

Seigfried hat sein Buch „eine historisch-systematische Untersuchung
" genannt. Dementsprechend handelt er im 1. Teil über
..Jakob Salat in der geistigen Auseinandersetzung seiner Zeit"

(S. 28-145). Hier wird aufgezeigt, wie Salat dem ursprünglichen Anliegen
seiner Lehrer Sailer, Zimmer und Weber treu bleibt und die
Grundlagen des bei ihnen gelernten Menschen- und Gottesverständnisses
nicht zugunsten der von ihnen in einer geistigen Wende begrüßten
neuen Offenbarungsphilosophie Schellings verläßt. Die via media
zwischen Jacobi und Kant ist Salats erklärtes Ziel. „Während sich um
ihn herum ein neuer Aufbruch ereignet, während romantische, aber
auch reaktionäre Ideen einen ungeahnten Wandel der geistigen Welt
hervorbringen, beharrt er auf seinem weniger fruchtbaren Weg ... Er
ist überzeugt, die Zukunft wird alle Geschehen um ihn als Verfinsterung
und Despotie durchschauen, und eine ,neue Morgenröte der
Aufklärung' wird ihn rehabilitieren" (S. 145). Auch wenn schon Döl-
linger 1843 erkannte, daß die Christen wohl zu große Hoffnungen auf
Schölling gesetzt hätten, und damit die Erkenntnis einleitete, daß
seine Oflenbarungsphilosophie im Widerspruch zum Christentum
stünde, führte solch neue Sicht nicht zur Rehabilitation Salats. Er
wurde einfach „ignoriert und totgeschwiegen" (S. 144), wie zutreffend
unter dem neuen Erkenntnishorizont nun seine Gedanken auch
waren. Bleibt also die Frage, ob Salats Denken wissenschaftsgeschichtlich
ein für allemal verloren ist, oder ob es nicht - gerade
nach der Zeit der Romantik und des Idealismus - im Neuaufbruch des
theologisch-philosophischen Denkens unseres Jh. neue Aktualität erlangen
und zur Lösung heutiger Fragen hinsichtlich Vernunft- und
Offenbarungsverständnis einiges beitragen könnte.

Diese Frage stellt Seigfried im 2. Teil seines Buches, in dem er eine
„Systematische Rekonstruktion von Jakob Salats Denken" vornimmt
(S. 146-243). Es ist die gründlichste Analyse, die es von Salats Theologie
und Philosophie gibt. Salats grundlegende Überzeugung, daß der
christliche Glaube vor der Vernunft nicht nur bestehen können muß,
sondern sich ihrer auch zu bedienen hat, macht diesen Spätaufklärer
zu einem interessanten Gesprächspartner heutiger Theologie. Denn
heute geht es nach Ansicht Seigfrieds um „das Aufgreifen eines Denkens
, das ohne jede Wirkungsgeschichte einst abgebrochen wurde"
(S. 245), und er meint damit die Aufklärung - einschränkend müßte
man ergänzen: die katholische! Und in der Tat kann der Vf. überzeugend
dartun, daß Salats System Elemente enthält, die in der heutigen
theologisch-philosophischen Diskussion über Gott, Offenbarung,
Freiheit und Vernunft belebend und nutzbringend wirken können.

Das schöpferische Zusammenspiel von Gott und Mensch, wie es
Salat sieht, ist eine der Möglichkeiten, heute Offenbarung und Vernunft
als Einheit zu denken und die Subjekt-Objekt-Spaltung in einer
wirklichen Trans-zendenz der Freiheit und Verantwortung zu überwinden
: in echter Dialektik. Seigfried übersieht dabei aber nicht die
Grenzen von Salats Denken, in dem z. B. Vernunft immer theonom
gedacht ist, was nach der Offenbarungskritik von Feuerbach, Marx
und Nietzsche heute - wie man etwa bei Theodor W. Adorno und
seinen theologischen Verehrern sehen kann - durchaus keine Selbstverständlichkeit
mehr ist. Am transzendentalen Ansatz Salats sei
festzuhalten, meint Seigfried, aber er sei zu erweitern um die Erfahrung
der Gottesleere des modernen Menschen. Das heißt, heute kann
theologisch verantwortlich nur mit einem anderen Offenbarungsbegriff
geredet werden, der Gott nicht allein als Allmächtigen und
Außermenschlichen in seiner Ich-Du-Beziehung zum Menschen begreift
, sondern auch und vor allem als das „in interpersonaler Kommunikation
mitgeteilte Heil" (S. 263). Eine solche Offenbarungsvorstellung
ist allerdings „mit einem spezifisch anderen Freiheits- und
Gottesverständnis verbunden, als es den Aufklärern und ihren positivistischen
Gegnern unter den Theologen eigen war" (ebd.). Erst das
Zweite Vatikanum hat mit diesem neuen Offenbarungsbegriff den
nominalistischen Offenbarungspositivismus mit seiner Übersteigerung
des Deus absconditus und dessen Unbegreiflichkeit überwunden
und nicht nur die Vernunft als Gabe Gottes wieder eingeordnet in das
Offenbarungsgeschehen selbst, sondern Offenbarung wieder fundamental
als „heilende und heiligende Selbstmitteilung Gottes" (ebd.),
als „Erlösung" definiert. Damit scheint die Restauration des 19. Jh.
überwunden zu sein, die der katholischen Theologie, wie man sieht,