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Ausgabe:

1986

Spalte:

612-613

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Bender, Albrecht

Titel/Untertitel:

Die natuerliche Gotteserkenntnis bei Laktanz und seinen apologetischen Vorgaengern 1986

Rezensent:

Haendler, Gert

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Theologische Literaturzeitung 111. Jahrgang 1986 Nr. 8

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zweifelhafte Stellen der Väter in realpräsentischem Licht aufscheinen
" (161).

In beabsichtigter Penetranz zeigt L. im folgenden die „festgefahre-
ne(n) Auslegungsmuster und unkritische(n) Abhängigkeiten" von Bellarmin
bis Sardagna ebenso wie für die sog. protestantische Dogmengeschichtsschreibung
von Harnack bis Kdehler (11 f, 158-319). Röm.-
katholischerseits wird O. zum „Element der katholischen Lehrtradition
von der Realpräsenz und dem Opfercharakter" der Messe; man
läßt ihn nie ganz zu Wort kommen und „verfälscht seine Eucharistielehre
". Sie wird stets im tridentinischen Sinne interpretiert.

Bei Neander beginnt eine neue Sicht. „Er stellt die objektive Wirksamkeit
des Logos, die davon unterschiedene Bedeutung der sakramentalen
Gestalten und vor allem die Verinnerlichungstendenz bei O.
heraus" (276). Dagegen können Lutheraner wie Thomasius, Kahnis
und Höfling „das sakramentale Denken des O. kaum verstehen"
(282), doch ist Höfling der erste, der mit Textstudien O. der Kontroverstheologie
entreißen und unpolemisch über ihn urteilen konnte
(292). Redepenning untersucht O. monographisch. Eucharistie sei bei
O. „Symbol unseres Denkens", der Leib Christi wird als Speise
gesehen, insofern er Logoswirklichkeit ist. „Das Wort ist der wahre
Leib des Logos, nicht das sichtbare Brot auf dem Altar." Ebrard interpretiert
- im Gegensatz zu röm.-kath. Theologen - die realistisch klingenden
Texte bei O. von den spiritualistischen her. Biggs erhebt bei O.
bis dahin Unbekanntes. Obwohl Harnack O.-Studien getrieben hat,
sind weder er noch Loofs, Seeberg oder Koehler dem origenisch.cn
Eucharistieverständnis auch nur ansatzweise gerecht geworden;
A. Adam erwähnt es überhaupt nicht: „Wir sind am traurigen Ende
des protestantischen Stranges der Rezeptionsgeschichte der Eucharistieauffassung
des Alexandriners angelangt." (316).

Röm.-kath. Theologen werden ihm auch nicht gerechter. Auch der
frühe Döllinger interpretiert sie tridentinisch. Erst in liturgiegeschichtlichen
und -theologischen Arbeiten bahnt sich ein neues
Verständnis an (Casel, Grimmelt, Betz). Casel „gibt den spirituali-
stisch klingenden Eucharistiesätzen des O. den Erfahrungsbezug auf
die Liturgie zurück" (373), mit dem Begriff „Mysteriengedächtnis und
Zeichen" versucht er, O. selbst zur Sprache zu bringen (357). Grimmelt
betont das Mitfeiern der Eucharistie durch die Getauften (allg.
Priestertum!); „die eucharistischc Liturgie" macht „den inneren
Opfervollzug des Herzens der Menschen sichtbar" (358). Betz unterscheidet
bei O. „die Aktualpräsenz von der substantiellen Präsenz
Christi in den Gestalten nicht der Realität, sondern nur dem Modus
der Gegenwart nach" (362). Balthasar ist der erste, der das Wesentliche
der Eucharistieauffassung des O. in wenigen Strichen darlegt, er
verstehe die realpräsentischc Eucharistie anagogisch; „nicht die Realpräsenz
steht im Vordergrund, sondern ihre Funktion, den Logos mitzuteilen
" (3660- De Lubac glättet wohl zu sehr, sagt aber „vieles, was
vergessen, verdrängt oder zu sagen verboten war".

Zu wenig wurde meist die Christologic des O. für sein Eucharistieverständnis
beachtet, doch bescheinigt L. den Reformierten, „infolge
des spirituellen Nahverhältnisses ihrer Pneumatologie zur Logos-
Christologie dem O. mehr gerecht" geworden zu sein. Für alle Theologen
gilt aber, daß „die Frage nach dem in der Tradition Geltenden"
faktisch gebunden war „an ihre jeweilige eigene Eucharistievorstellung
" (393).

L. hat eine immens fleißige und einfühlsame Arbeit vorgelegt und
mit ihr nicht nur eine Geschichte des Eucharistieverständnisses von
O., sondern im Grunde eine Geschichte dogmengeschichtlicher
Arbeit überhaupt, wobei er die geltenden Aprioris (bis in die historisch
-kritische Forschung hinein!) bloßlegt. L. hat sich in die Autoren
hineingelesen, er stellt sie weithin objektiv dar und gibt keine
Klischees weiter.

Ohne beckmessern zu wollen, sei zu Einzelheiten das gesagt: L.
nennt weder Eiert (Abendmahl und Kirchengemeinschaft in der alten
Kirche, 1954) noch Sasse (Das Abendmahl in der katholischen Messe,
in: Vom Sakrament des Altars, 1941), auch nicht den RGG-Artikel
von Graß über Abendmahl, dogmengeschichtlich, oder von

G. KretschmarüberO. in „Klassiker der Theologie", 1981. Wäre das
Bild aber dann anders ausgefallen? Der lutherischen (nicht: luthera-
nischen!) Abendmahlslehre wird L. nicht voll gerecht, vor allem
nicht, wenn er sie „konsubstantialistisch" nennt (ein Ausdruck, den
Reformierte für sie um 1555 prägen.) Erstaunlich bleibt, wie der
„Häretiker" O. vielfach für eine orthodox-tridentinische Abendmahlslehre
gebraucht (oder eigentlich mißbraucht) worden ist. Doch
könnte auch für die luth. Abendmahlslehre gelten, was Balthasar für
die des O. erhebt: Auch für sie steht nicht die Realpräsenz (an sich!)
im Vordergrund, sondern ihre Funktion - nun würde ich sagen: mit
dem Verbum incarnatum zu verbinden, mit ihm eins zu werden,
durch Christus, durch seinen Leib, sein Blut „Vergebung der Sünden,
Leben und Seligkeit" zu haben. Könnten wir das über die Konfessionen
hinaus so verstehend glauben, wären wir (weit über Lima hinaus
!) einander nähergekommen.

Freiberg Karl-Hermann Kandier

Bender, Albrecht: Die natürliche Gurteserkenntnis bei Laktanz und
seinen apologetischen Vorgängern. Frankfurt/M.-Bern-New
York: Lang 1983. VIII, 228 S. 8* = Europäische Hochschulschriften
. Reihe XV: Klassische Sprachen und Literaturen, 26. Kart.
sfr53.-.

Die Gießcncr Dissertation lag 1982 dem Fachbereich „Sprachen
und Kulturen des Mittelmeerraumes und Osteuropas" vor. sie hätte
aber auch bei einer Theologischen Fakultät Annahme finden können
. Ein einleitender Überblick über die natürliche Gotteserkenntnis
in der neueren Theologie skizziert die Positionen von Karl Barth.
Emil Brunner. Paul Althaus, Rudolf Bultmann, Karl Rahner. Hans
Urs von Balthasar, Wolfhart Pannenberg und Eberhard Jüngel. „um
die Probleme und Vorgänge zur Zeit des Laktanz besser verstehen zu
können" (11). Die „Erkenntnis Gottes, wie sie auch bei heidnischen
Philosophen und Dichtern vorhanden ist", führt zu der „Frage nach
der Anerkennung oder Ablehnung dieser vor- und außerchristlichen
.natürlichen Gotteserkenntnis' durch die Christen" (19). Kap. 2 stellt
die zentrale Stelle bei Laktanz vor: Divinae institutiones 1,5 sagt zu
den Dichtern: „1. Die alte klassische Tradition ist nicht unterschiedslos
und gleichrangig anzuerkennen. Es gab Zeiten und Menschen, die
näher oder entfernter zur Wahrheit, d. h. zur wahren Erkenntnis Gottes
standen. 2. Die bessere Tradition greift nun das Christentum auf
und setzt sie folgerichtig fort, ja. bringt sie zur Vollendung" (41).
Plato, Cicero und Seneca werden hoch geachtet. Die Aussagen in div.
inst. 1,5 werden durch Stellen aus anderen Schriften des Laklanz ergänzt
. Seine Grundposition wird so beschrieben: „Die Betonung der
Grenzen menschlicher Weisheit und Erkenntnis und die rigorose Ablehnung
einer wirklichen Gotteserkenntnis ohne die Offenbarung.
Und das hält Laktanz fest in allen Konsequenzen für den Menschen
allgemein, für seine Philosophie und für sein Leben und Handeln"
(54).

Kap. 3 „Die natürliche Gotteserkenntnis in der Schrift" findet im
Alten und Neuen Testament natürliche Gotteserkenntnis, stellt aber
auch einen einzigartigen Anspruch Jesu Christi heraus (65). Kap. 4
„Die natürliche Gotteserkenntnis bei den griechischen und lateinischen
Philosophen vor dem Christentum" geht auf den Platonis-
mus, Aristoteles, die Stoa, den Hellenismus, Philo von Alexandrien
und die Gnosis ein. Es führt zu der „Feststellung, daß theoretisch in
den verschiedenen philosophischen Richtungen nicht nur gute Denkansätze
, sondern sogar volle Argumentationen für die natürliche
Gotteserkenntnis vorlagen, daß diese aber in der Praxis des heidnischen
Lebens weder im Volk noch bei den Gebildeten zum Tragen
kamen. Dieser Zwiespalt bot zugleich die Möglichkeit zur Übernahme
und zur Kritik" (92). Kap. 5 „Die natürliche Gotteserkenntnis
bei den frühchristlichen Apologeten vor Laktanz" bringt eine große
Vielfalt: Justin urteilt ganz anders als Tatian; Tertullian urteilt ganz
unterschiedlich, sein Wort von der „anima naturaliterchristiana" darl
nicht einseitig beansprucht werden; Minucius Felix argumentiert