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Ausgabe:

1986

Spalte:

609-612

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Lies, Lothar

Titel/Untertitel:

Origenes' Eucharistielehre im Streit der Konfessionen 1986

Rezensent:

Kandler, Karl-Hermann

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609

Theologische Literaturzeitung III. Jahrgang 1986 Nr. 8

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Ein VI. Teil über „Die JohanncsolTenbarung im abendländischen
Mittelalter", der längste unter den auslegungsgeschichtlichen, schließt
das Buch ab (S. 116-160). Er stellt die Apk-Deutung in einen weiten
Horizont, der auch die Buchmalerei, die ottonische Kaisertheologie,
die Rolle der Apk im Investiturstreit, die Kreuzzüge und die staufische
Theologie einschließt. Dieser VI. Teil läuft aus in einen Abschnitt
..Schriftauslegung und Geschichtsdeutung". Ein „Epilog"
knüpft den „Aufbruch in einen neuen Chiliasmus" an zwei Namen:
Joachim von Fiorc und Franz von Assisi (S. 158). Bis in die reformatorische
Zeit hinein erweist sich: „Die Johannesoffcnbarung ist nicht
einlach ein Produkt der Apokalypse im alttcstamentlichen Gottesvolk
seit der Makkabäcrzeit, sondern prophetische Ausdeutung des Kreuzesgeschehens
in apokalyptischen Farben" (S. 160).

Man bewundert die Kenntnis, aus der heraus fast mit Leichtigkeit
(nicht in Oberflächlichkeit!) auf knapp 160 Seiten eine so intensive
Auslcgungsgcschichte über ca. 1200 Jahre hinweg dargestellt wird.
Dieser Wurf hat etwas Künstlerisches. Erstaunlich die Menge der verarbeiteten
Literatur. Schade, daß Literaturverzeichnis und Register
fehlen. Druckfehler fallen nur an einem Punkt ins Gewicht (14,7-16
statt 14,7-16,21 auf S. 7, 46). Ein Leitfaden durch das erste Jahrtausend
und schließlich auf die Apk hin, der dazu dienen dürfte, das
forschungsgcschichtliche Interesse am letzten Bibelbuch zu verstärken
.

Tübingen Gerhard Maier

Eies. Lothar: Origenes' Eucharistielehre im Streit der Konfessionen.

Die Auslegungsgeschichte seit der Reformation. Innsbruck-Wien:
Tyrolia 1985. 421 S. 8" = Innsbrucker theologische Studien, 15.
ÖS 590.-.

L. läßt seiner Dissertation „Wort und Eucharistie bei Origenes. Zur
Spiritualisicrungstcndenz des Eucharistieverständnisses" (Innsbruck
1978,2I982; vgl. ThLZ III, 1986, 374) nun seine Habil.-Schrift von
1981 folgen. Ihm war aufgefallen, daß die Eucharisticauflässung des
Origenes (O.) „keine einheitliche Auslegung" erfahren hatte. „Kontroverstheologische
, konfessionell-dogmatische und .liberale' Überformungen
ließen O. selbst nicht auf gemäße Weise zu Wort kommen.
Die hier vorgelegte kritische Dokumentation will die Aprioris der
früheren Deutungen herausstellen", aber auch „einen Baustein liefern
zu ökumenischer Theologie" (I I).

Im I, Teil (13-100) behandelt L. „Origenes" Eucharisticlchrc zwischen
Reformation und Tricnt", im 2. Teil „Die Eucharisticauftas-
sung des Origenes zwischen Orthodoxie und Aufklärung" (101-260)
und im 3. Teil „Origenes' Eucharistielehre von der Aufklärung bis zur
Gegenwart (261-373). Dem folgen „Rückblick und Ausblick: Die
Geltung des Geschehens" (374-396), Literaturverzeichnis und Register
. L. geht so vor, daß er in jedem Kapitel erst eine „Historisch-
kritische Darstellung" vorlegt, der die „Systematische Fragestellung"
folgt. Bei jedem behandelten Autor nennt er zunächst den „Allgemeinen
Rahmen" bzw. „Anliegen", dann stellt er „O. und die
Eucharistie" dar und schließt mit der „(Systematischen) Verdeutlichung
": bei kürzer behandelten Verfassern wird dieses Schema nicht
immer durch Unterteilung hervorgehoben.

L. setzt ein mit Erasmus (14-25), der „den Alexandriner in den
Blick der Reformatoren rückt". Zwingli ist von „dessen augustinisch-
origenischcr Geistigkeit beeinflußt", aber in der Abcndmahlsfrage
treten beide auseinander. Vorsichtig bekennt sich Erasmus in den
Abcndmahlsstrcitigkeiten zur Aulfassung des O.. gerät aber zwischen
die Fronten. Die Transsubstantiationslehre ist Erasmus zu philosophisch
, ihm stellt sich „die Frage nach dem objektiven Zueinander
von Symbol und Symbolisiertem". Luther erkennt klar, daß O. der
Gewährsmann der crasmischen Eucharisticauftassung ist. Erasmus
geht es „nicht um die Feststellung dogmatischer Gedanken zum
Sakrament, sondern um das Leben, das durch das Sakrament geformt
wird" (Krodel); nach L. ist Erasmus während der Reformationszeit O.
am meisten gerecht geworden - weniger in theologischer Reflexion als

in gewisser Konnaturalität: „Das Neue, das Subjekt, der Glaube ist im
Blick. Das Objektive wird nicht geleugnet."

Weit über Erasmus hinaus geht Ökolampad (25-36). Auch er ist
von O. beeinflußt, entkleidet aber das Abendmahl seines mysterien-
haften Charakters und leugnet jede objektive Realpräsenz. Für ihn ist
- mit Berufung auf O. - Eucharistie nur „Danksagung und Erinnerung
". Er ist überzeugt, mit seiner Betonung des geistlichen Essens im
Konsens der alten Kirche zu stehen, O. betone die Eucharistie als
commemoratio. Von spritualistischen Texten aus interpretiert er real-
präsentische. Er übernimmt O. nur dort, wo er mit ihm übereinstimmt
. Ökolampads symbolische commemoratio unterscheidet sich
von der realpräsentischen des Erasmus.

Ähnliches gilt für Zwingli (37-45). Nach ihm bezeugen die Väter
(vor allem O.) „die Eucharistie als reines Deutemahl", es läßt Sünde
nicht nach, sondern besiegelt den Glauben. „Die bei Erasmus noch
verbundenen Aspekte von Realpräsenz und empfangendem Subjekt
trennt er, zu Ungunsten der Realpräsenz, auch gegen Luther." Wenn
Luther (46-54) auch ganz von der Schrift ausgehen will, wird doch im
Abcndmahlsstreit ihm der consensus ecclesiae zu einem theologischen
Argument von Rang und führt ihn gegen die röm.-kath. Praxis
wie gegen die Leugnung der Realpräsenz durch die Schweizer an. Er
fordert, „keine theologischen Aprioris in den Text hineinzutragen".
Luther lehnt O. ab. beeinflußt durch seinen Widerwillen gegen dessen
allegorischen Schriftgebrauch. Er erkennt in der Eucharistieauftas-
sung des O. die Sentenz Zwingiis, allegorische Exegese löse das realistische
Abendmahlsverständnis auf. Bei Melanchthon (54-67) steht
O. in der Spannung von Ablehnung und Geltung. Einerseits ist er ihm
„Vaterallcr Häresie", andererseits gewinnt in seiner Entwicklung von
der realistischen zur spiritualistischen Sicht der Eucharistie (die L.
reichlich überzieht) O. zunehmend Bedeutung. Mit Ökolampad ist
ihm O. zum „Kronzeugen symbolischen Eucharistieverständnisses
geworden". Calvin (67-73) läßt sich in seiner Abendmahlslehre nicht
von O. beeinflussen.

Wohl gehört die Eucharisticauftassung des O. „einer kirchlichen
Praxis an, die nicht die tridentinische ist", aber die Väter des Triden-
tinums beziehen sich wiederholt auf ihn, lehnen eine rein spirituelle
Deutung ab; ihnen gilt O. als Zeuge dafür, Joh 6 „im Sinne des sakramentalen
Empfangs des Leibes und Blutes Christi anzusehen", er wird
ihnen zum Zeugen der „somatischen Realpräsenz". Die „spätmittcl-
alterliche Tradition interpretiert die frühen Väter". Sie finden bei O.
auch den „Opfercharaktcr der Messe" und stellen ihn so den Reformatoren
gegenüber (76-100).

Petrus Martyr bezieht die Wandlungsworte nicht aufs Brot, sondern
auf die Gemeinde: Nach O. seien Leib und Blut geistig zu verstehen.
Mit seiner Spiritualisierung der Eucharistie geht O. in dessen Denken
ein. Er hat O. neu zum Sprechen gebracht (102-121). Bei Hessiander
kommt etwas von frühchristlicher Tradition in Sicht; mit O. will er
die „heilswirksame Vereinigung mit Christus" denken, die nicht das
„physische Fleisch Christi schafft", „sondern der Logos verbindet uns
mit seinem Leib, macht uns zu seinem Leib, und dies in der Eucharistiefeier
" (121-123). Bei den Anglikancrn verbindet sich frühchristliches
mit mehr luth. Denken (Joh. v. Dorchester, 124-126). Für
Chemnitz dient O. als Beweis, daß die tridentinische Eucharistieauffassung
nicht immer bestand (126-133); ähnlich bei J.Gerhard
(133-138). Ihm und Calov (138-142) dient O. vor allem als historische
Quelle von Nachrichten über die altkirchliche Abendmahlspraxis
. O. wird „eklektisch zur Verteidigung eines theologischen
Systems herangezogen, nachdem er inhaltlich danach interpretiert
wurde". „Aufgrund eines spirituellen Nahverhältnisses" sind die
Deutungen der Reformierten „richtiger" (152).

Bei den Universitätsgutachten gegen Luther (Sorbonne. Köln)
wurde O. „in die Nähe lutherischer Positionen gerückt" (154), sonst
haben ihn aber röm.-kath. Theologen den „Neuerern entgegen gehalten
". Sie wollen O. im kath. Lager einen festen Platz zuweisen und ihn
den Reformatoren (bes. zwinglianischcr Provenienz) entreißen. „Der
Glaube an die Realpräsenz bietet einen Raster, in dem auch an sich