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Ausgabe:

1986

Spalte:

598-599

Kategorie:

Neues Testament

Titel/Untertitel:

The Jesus tradition outside the Gospels 1986

Rezensent:

Holtz, Traugott

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Theologische Litcraturzeitung III. Jahrgang 1986 Nr. 8

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geführten Zeugen genannt, sondern zeilenweise Minuskelzahlen, die
das Institut für neutestamentliche Toxtforschung in Münster zur Verfügung
gestellt hat (beliebige Beispiele sind auf S. 55 und 236 zu finden
). Von diesen Aufzählungen sind Verschreibungen in einzelnen,
teilweise auch ganz späten, Handschriften (etwa in 4,12 das Fehlen
von ny bei zon in der Handschrift C, S. 117), die wechselnden Schreibweisen
von Moses (z. B. S. 80, 82, 320, 378), der Itazismus ileon für
ilaion in 1,9 und vieles Derartige nicht ausgenommen.

2) Wenn sich der Leser durch diesen Irrgarten von Informationen zu
den oftmals überzeugenden Erörterungen über die Interpretation
eines einzelnen Gedankens durchgerungen hat und nach dem Zusammenhang
des einzelnen Gedankens im näheren und weiteren
Kontext fragt, erhält er aber keine Antwort. Nicht nur wird die für den
Hebräerbrief bekanntlich besonders umstrittene Gliederung der
Schrift und damit der Stellenwert des Einzelgedankcns im Ganzen
überhaupt nicht erörtert (die auf S. 16 gebotene „Gliederung in
großen Zügen" wird nur unvollkommen in den Kommentar übernommen
; es fehlen die Überschriften zu 6,13-20; 10,19 bis
25.26-31.32-39; 12,12-29; 13,18-25), auch bei der Erörterung der
Aussagen eines Verses wird selten über den einzelnen Vers hinausgewiesen
. Vor allem aber: Die Frage: „Was besagt die Aussage des
Textes für den heutigen Leser und damit für mich?" wird nirgendwo
gestellt oder beantwortet. Ganz vereinzelte kurze Reflexionen in
dieser Richtung (zur Beschreibung des Glaubens in 11,1 wird
gesagt: „.Beweis' und .unsichtbare Dinge' stimmen am besten dort
überein, wo der Glaube im Spiel ist [Calvin]. Das kann auch uns hilfreich
sein, solange die erhofften und unsichtbaren Dinge von uns nicht
"Ufdie Grenzen des Hb-Weltbildcs festgelegt werden"; und zum Hinweis
auf den Fall der Mauern Jerichos „durch Glauben" in I 1,30 wird
die Frage gestellt: „Darf der Glaube die Rolle in einem ursprünglich
magisch gedachten Geschehen übernehmen?") können nicht darüber
hinwegtäuschen, daß dieser Kommentar über die Festlegung der einzelnen
zeitgeschichtlich interpretierten Gedanken nicht zum Sinn des
Ganzen und schon gar nicht zur Frage nach der Anrede des Textes an
uns vordringt. Probleme wie die bekanntlich von Luther kritisierte
Ausschließung der zweiten Buße oder die richtig aufgezeigten Spannungen
innerhalb der Christologic des Hebräerbriefes oder die von
braun für den Hebräerbrief behauptete „hellenistisch-christliche Abschreibung
der Erde" (S. 362) oder die nach Braun in Hebr 13.8 vertretene
„liturgisch-christologisch-metaphysischc Sclbigkeit Jesu"
werden wie viele andere den Leser des Hebräerbriefs bedrängende
fragen überhaupt nicht erörtert. Und man fragt sich vergeblich, wo in
diesem Kommentar die von Braun einst formulierte Feststellung genlieben
ist. es gehe im Neuen Testament „um das .Du sollst' und das
• Du darfst', das mir geschieht, das je mich bindet und je mich trägt"
(„Vom Verstehen des Neuen Testaments", in: H. Braun, Gesammelte
Studien zum Neuen Testament und seiner Umwelt, 1962,297).

Auf einige formale Mängel des Buches sei nur kurz, hingewiesen:
Gie Abkürzung der Titel von Büchern und Aufsätzen im Literaturverzeichnis
macht sie in vielen Fällen unverständlich; in einigen
Hallen sind Aufsätze in Festschriften kaum auffindbar, weil nur die
Titel der Festschriften und nicht deren Empfänger genannt sind (bei
G. K. Barrett ist die Dodd-Fcstschrift, bei H. Köster die von Rad-Festschrift
, bei H. M. Schenke die Braun-Festschrift gemeint); Blass-
Hcbrunners Grammatik wird nicht in der Neubearbeitung durch
H Rehkopf zitiert; trotz des umfangreichen Literaturverzeichnisses
fehlen auffälligerweise einige wichtige Bücher (ich nenne nur: der
Kommentarvon Th. H. Robinson,"1948; W. Manson, The Epistleto
•he Hebrews, 21953; F.F. Bruce, "To the Hebrews" or "To the
Essenes"?, NTSt 9, 1962/62,217ff; T. V. Filson. Yesterday. A Study
°f Hebrews in the Light of (hapter 13, 1967); unverständlich ist, daß
für Braun E. Käsemanns Buch „Leib und Leib C hristi" „leider nicht
zugänglich war" (S. 288); falsch ist die Angabe S. 187, daß in Mt I I.
27par. ein „wollen" vom „Menschensohn" ausgesagt sei: Da ist nur
v°m „Sohn" die Rede; auffällig ist, daß immer wieder von „der Gottheit
" statt von „Gott" die Rede ist.

Aber solche formalen Mängel wiegen leicht gegenüber den grundsätzlichen
Einwänden, die ich diesem Buch gegenüber erheben mußte.
Natürlich will ich nicht bestreiten, daß man mit einiger Geduld über
die Übersetzungs- und Verständnismöglichkeiten einzelner Aussagen
zustimmend oder ablehnend Wichtiges lernen kann, doch kann davon
hier nicht weiter die Rede sein. Ich kann zum Schluß nur wiederholen,
was ich zu Anfang gesagt habe, daß dieses Buch eine über jedes vernünftige
Maß hinausgehende Anhäufung von exegetischem Material
bietet, daß es aber kein Kommentar ist und schon gar nicht ein theologischer
Kommentar.

Marburg Werner Georg Kümmel

Bornkamm, Günther: Studien zum Neuen Testament. Berlin: Evang.
Verlagsanstalt u. München: Kaiser 1985. 334 S. 8

Günther Bornkamms Bedeutung für die neuere Geschichte der neu-
testamentlichcn Wissenschaft bedarf keiner Hervorhebung. Er hat in
gleicher Weise literarisch wie als Lehrer eine weitgreifende Wirkung
entfaltet. Ein wichtiger Teil seines literarischen Werkes ist in Gestalt
von Aufsätzen erschienen, von denen, zusammengefaßt in vier Bände,
eine starke Anregung ausging. Die EVA legt in Zusammenarbeit mit
dem Kaiser-Verlag eine Auswahl wichtiger Aufsätze erneut vor, in
unveränderter Reproduktion ihrer Form, die sie in der ursprünglichen
Sammlung hatten. Sie sind nach sachlichen Gesichtspunkten geordnet
und reichen von dem Beitrag zur Frage nach „Geschichte und
Glaube im Neuen Testament" bis zu der Arbeit über „Das Bekenntnis
im Hebräerbrief". Sicher kann man die eine oder andere Kostbarkeit
aus Bornkamms Feder hier vermissen; da er selbst der Auswahl ein
kurzes Vorwort mitgab, hat er sie offenbar in der vorliegenden Gestalt
gebilligt.

Bedauerlich ist, daß die Bandzahl und die Seiten der ursprünglichen
Sammlung den einzelnen Aufsätzen nicht beigegeben sind; das hätte
für die Benutzung eine Erleichterung bedeuten können.

T. H.

Wenham. David [Ed.]: The Jesus Tradition outside the Gospels.

Sheffield: JSOT Press 1985. 419 S. 8' = Gospel Perspectives,
5. Kart.£ 13.50.

Das Tyndalc House Gospel Project, das der Frage nach dem historischen
Wert der Jesus-Überlieferung nachgeht, legt in einem fünften
Band Untersuchungen zur Jesus-Tradition außerhalb der kanonischen
Evangelien vor. Häufiger untersuchte Bereiche werden erneut
behandelt, dabei ergibt sich ein guter Überblick über den Stand der
Diskussion. Freilich nimmt G. Maier mit der Zuerkennung des 1 Petr
an Petrus eine krasse Außenseiterposition ein; bei der Behandlung des
Jak durch P. H. Davids dagegen vermißt man eine Erörterung der gerade
hier wichtigen Einleitungsfragen. Wird mit Blick auf die nachkanonische
Literatur im allgemeinen Kenntnis unabhängiger Jesus-
Überlieferungen negiert, so findet sie D. A. Hagner bei den Apostolischen
Vätern und bei Justin deutlich vertreten, J. Draper vermutet
für Did die Benutzung einer Quelle, die ,,Q" entspricht. Es sind diese
letztgenannten Ergebnisse und ihre Konsequenzen, die R. Bauckham
in seiner abschließenden Zusammenfassung vor allem aufnimmt und
(für Ign) zu erhärten versucht. Gerade angesichts dessen vermißt man
eine thematische Abhandlung über außerkanonische Jesus-Worte.
Der Band wird abgeschlossen durch eine hilfreiche Bibliographie zum
Thema seit 1970, erarbeitet von R. Bauckham.

Geboten werden folgende Arbeiten:

D. Wenham, Paul's Use of the Jesus Tradition: Three Samplcs. 7-37. - P.
Richardson and P. Gooch, Logia of Jesus in I Corinthians, 39-62. - PH.
Davids, James and Jesus. 63-84. - G. Maicr, Jesustradition im I. Petrus-
hrier?, 85-128. -G. K. Beale. The Use of Daniel in the Synoptic Eschatolo-
gical Discoursc and in the Book of Revelation, 129-153. - B. Ch i Iton, The
Gospel According to Thomas as a Source of Jesus' Teaching. 155-175. -C. L.