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Ausgabe:

1986

Spalte:

594-595

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Best, Ernest E.

Titel/Untertitel:

Mark 1986

Rezensent:

Vogler, Werner

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Theologische Literaturzeitung III. Jahrgang 1986 Nr. 8

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kleinere „apokalyptische" Texteinheiten weitgestreut in der früh-
jüdischen und frühchristlichen Literatur eingebettet finden in im
ganzen un..apokalyptischen" Texten.

Um angesichts solcher Schwierigkeiten festen Grund zu gewinnen
, hat man eine streng literarische Definition der Gattung Apokalypsen
vorgeschlagen und nur darüber die „Apokalyptik" bestimmt
. Besonders wichtig ist die Definition von J. J. Collins geworden
(Scmeia 14. 1979, 9): "a genre of revelatory literature with a
narrative framework. in which a revelation is mediated by an other-
worldly being to a human reeipient, disclosing a transcendent reality
which is both temporal, in so far as it envisage cschatological salva-
tion, and spatial, in so far as it involves another, supernatural world";
sie wird mehrfach in dem vorliegenden Bd. zitiert und auch von J. .1.
Collins selbst wiederholt (S. 532). Gleichfalls rein literarisch, aber
noch knapper und damit umfassender, definiert J. Carmignac die
Apokalyptik: «Genre littcrairc qui decrit des revelations Celestes ä
travers des symboles» (S. 165): freilich hat das zur Folge, daß die inhaltlich
-theologische Bedeutung der Apokalyptik entschwindet: «En
realitc le genre littcrairc de l'Apocalyptique peut convenir ä diverses
theologies et chaque theologic peut s'exprimer aussi en d'autres gen res
htteraircs.» (S. 164 A.8) Die rein literarische Bestimmung der Apokalyptik
wird in besonders interessanter Weise von H. Stegemann aufgenommen
. Durch eine sehr weite Definition der Apokalyptik und
Apokalypsen („ülfenbarungsschriften", die Sachverhalte „enthüllen
", die sich Autor und Leser nicht aus innerweltlichen Gegebenheiten
, sondern nur durch den Rückgriff auf „himmlisches Olfen-
barungswissen" erschließen, vgl. S. 4980, sowie durch die Rekonstruktion
von älteren Hcnoch-Schriften aus den Qumranfunden erschließt
er weitreichende Konsequenzen für die Herkunft und Funktion
der jüdischen Apokalyptik. Abgesehen von der(zumindest gegenwärtig
noch) hypothetischen Natur des „astronomischen Buches" als
einer „Apokalypse" der Hcnoch-Litcratur ist der Überstieg von dem
frühesten Beleg der Form „Apokalypse", die ausdrücklich keine literarische
Gattung darstellen soll (vgl. S. 499), zu Aussagen über die
Herkunft der „jüdischen .Apokalyptik'" aus der „kultischen Weisheit
" und über ihre Funktion als autoritätsbegründend überaus problematisch
.

Dennoch gilt die Bemühung um die „Apokalyptik", wie der Bd.
eindrucksvoll zeigt, nicht einem gelehrten Phantom, sondern ist
durchaus auf eine Wirklichkeit gerichtet. Die „Apokalypsen" enthalten
spezifische Vorstellungen in spezifischer Form der Aussage,
nur gehen sie in der Regel nicht gänzlich darin auf und es finden sich
andererseits „apokalyptische" Formen und Vorstellungen auch in
Schriften, die keine „Apokalypsen" sind. Das Verhältnis von Form
und Inhalt ist gerade bei dem Phänomen „Apokalyptik" besonders
kompliziert. Die auf J. Assmann zurückgehende Formulierung „con-
•ra definitionem. pro descriptione" löst das Problem nicht, da der
Gegenstand der descriptio durch die definitio erst bestimmt wird. Entsprechend
der Entwicklung der Begriffe ist von der literarischen Einheit
„Apokalypse" auszugehen und zu versuchen, das sie besonders
Prägende und zugleich untereinander Verbindende zu eruieren. Natürlich
bleibt das fundamentale Problem bestehen, welches Literaturwerk
als „Apokalypse" klassifiziert wird. Es ist gewiß geraten, zunächst
den Kreis möglichst eng zu ziehen und nur geschlossene, sicher
'solierbare Texte zu untersuchen. Von daher stellt sich an den Aulbau
des Bds. und die Organisation der Arbeit des Kongresses die Frage, ob
nicht die zweite Sektion „Die Literaturgattung Apokalypse" an den
Anläng gehört hätte. Es ist charakteristisch, wie häufig die Einzcl-
heiträge in allen Sektionen mit der Frage nach der Gattung „Apokalypse
" beginnen.

Der Bd. ist ungewöhnlich anregend, sowohl als ganzer als auch in
scincn einzelnen Beiträgen. Er repräsentiert in geradezu erstaunlich
helfender Weise die gegenwärtige Situation angesichts des Phänomens
Apokalyptik; das gilt ebenso von der geographischen und zeitlichen
Weite, die erfaßt wird, wie von der intensiven Arbeit an Spc-
"»1 fragen. Dabei ist auch das unvermittelte Nebeneinander ganz dif-

ferenter Ansätze und Ergebnisse charakteristisch. Als merkwürdig
und auch bedauerlich habe ich nur empfunden, eine wie überaus geringe
Rolle in dem ganzen Bd. die interessante und m. E. beachtliche
These von K. Müller (s. TRE III. 202-251) über die Genese der Apokalyptik
aus einer schockartigen Großmutation, die unter den Se-
leukiden den ganzen östlichen Mittelmeerraum erfaßte, spielt (sie
wird nur von J. Lebram angeführt). Natürlich lassen sich auch matc-
riale Lücken benennen; K. Rudolph weist daraufhin, daß das Thema
Apokalyptik und Merkabah-Spekulation fehlt (S. 783. A. 6) sowie daß
„niemand der reichen maniehäischen Eschatologie mit ihren apk Bestandteilen
nachgegangen" ist (S. 785). Solche Fehlanzeigen sind in
der Tat bedauerlich, doch bleibt die Fülle des Behandelten beeindruckend
.

Es ist nicht möglich, die Einzelbciträge auch nur zu nennen. Viele
von ihnen haben nicht nur für das Thema „Apokalyptik" Bedeutung,
sondern ebenso als Untersuchungen zu Spezialfragen der Religions-
geschichtc der antiken mediterranen Welt. Sie zeigen z. T. übrigens
vor allem, daß die Bereiche, die sie behandeln, tief von dem Denken
geschieden sind, das uns in den jüdisch-christlichen Apokalypsen als
das „Apokalyptische" entgegentritt; das gilt insbesondere für den
alten ägyptischen, den griechischen und den italischen Bereich.

Als zukunftsweisend präsentiert sich die literarwissenschaftliche
und die soziologische Fragestellung. Der Aufsatz von M. Hengcl zeigt,
daß auch der detaillierten historischen Arbeit allergrößte Bedeutung
für die Erhellung des Gegenstandes zukommt; sie ist es vor allem, die
jeder Einseitigkeit und Verabsolutierung wehrt.

Die Apokaly ptik-Forschung hat ein gewichtiges Instrument für ihre
Orientierung erhalten, das ihr den erreichten Ort anzeigt und neue
Aufgaben stellt. Dafür ist den Veranstaltern des Symposiums, dem
Hg. und dem Verlag zu danken. Ein 70 Seiten starkes Stellenrcgister
am Ende des Bandes belegt abschließend seine inhaltliche Weite und
die Sorgfalt, mit derer herausgegeben wurde.

Halle(Saale) Traugott Holtz

Best, Ernest: Mark. The Gospel as Story. Edinburgh: Clark 1983. VII.
155 S. 8' = Studies of the New Testament and its World. Lw.

£8.95.

Vf. ist auf dem Gebiet der Markusforschung kein Unbekannter
mehr. Im Unterschied jedoch zu früheren Veröffentlichungen geht es
ihm in dem vorliegenden Bd. um eine relativ breit angelegte Einführung
in Fragen zum Verständnis des MkEv, wie es ihm im Laufe
der Jahre erwachsen ist. Dabei hat auch das Buch selbst ein Wachstum
durchlaufen: Seine Anfänge gehen auf Vorlesungen zurück, die Vf.
1978 in Chicago gehalten hat.

Entsprechend der Zielsetzung dieser Arbeit erfährt der Leser darin
weniger über Probleme der Markusforschung als vielmehr über den
Standpunkt ihres Autors, der in 22 Abschnitten dargelegt wird. Dieser
ist - dem Leser nicht neu - von zwei grundlegenden Auffassungen bestimmt
: (1) Markus war ein ausgesprochen traditionsverhafteter
Theologe. Ist auch die Art seiner Komposition schöpferisch, so hat er
doch die einzelnen Übcrlicferungsstücke soweit wie möglich unverändert
gelassen. Weil seinen Adressaten die von dem Evangelisten
verwendeten Stoffs bekannt waren, "he could not therefore alter them
radically and so he preserved their detail even though he might have
preferred not to" (S. 13). Und: (2) Das MkEv will als Ganzes betrachtet
werden. Der Beginn des Auftretens Jesu in Galiläa, sein Weg
nach Jerusalem an das Kreuz und seine Auferstehung sind nicht voneinander
abtrennbar. Das Motiv dieser ganzheitlichen Betrachtung
aber ist lür den Redaktor weder ein apologetisches noch ein historio-
graphisches, sondern ein ausschließlich pastoralcs: "the Christ whom
we follow is both the crueified and the risen Christ. In that way the
story is roundcd off and we realise its unity" (S. 133).

Mit diesen beiden zentralen Aussagen seines Buches will B. auf ein
Defizit der Markusforschung der letzten Jahrzehnte aufmerksam