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Ausgabe:

1986

Spalte:

589-591

Kategorie:

Neues Testament

Titel/Untertitel:

Die Frau im Urchristentum 1986

Rezensent:

Vogler, Werner

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Theologische Literaturzeitung III. Jahrgang 1986 Nr. 8

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contribution toward bringing all men and women who seek God and
the brotherhood of humanity into a closer bond of fellowship" (158).
Zu diesem Zweck greift er auf einen Brief (Appendix zu Seder Olam
Rabbarl Vezuta)des Rabbi Jacob Emden (1697-1776) zurück, in dem
Jesu Sendung darin erblickt wird, eine Religion für die Heiden durch
Verpflichtung auf die 7 noachidischen Gebote zu bringen, für die
Juden aber die volle Toraerfüllung in verschärfter Form zu fordern. F.
versucht nun. diese These aufzunehmen und durch Belege aus rabbi-
nischen. qumranischen und neutestamentlichen Schriften auszubauen
. Unter Berufung auf Sanh 57a und Maimonidcs, wonach
Mose den Juden die Verpflichtung gegeben habe, die noachidischen
Gebote allen Menschen der Welt zu verkünden, erblickt er Jesu Intention
darin, diesen heidenfreundlichen Auftrag zu erfüllen. Da nach
Ab 1,12 und 1QS 1,3fTdieselbe Verpflichtung auch für Hillel und für
die als Essener verstandenen Qumranlcute gelten soll, folgert F., daß
einerseits Hillel in Wirklichkeit ein Essener war (52) und daß andererseits
Jesus "was actually a followcr of the School of Hillel and the
Essene Hasidim"(86). Die Polemik sowohl der Schule Hilleis als auch
der Qumrantcxte und der Evangelien soll dementsprechend ebenfalls
gleich orientiert gewesen sein und sich gegen die Schule Schammais
gerichtet haben. Diese Schule Schammais war mit den Zeloten durch
ihren gemeinsamen Haß gegen die heidnische Welt, personifiziert in
den Römern, engstens verbunden (125) und trug so zum Untergang
Jerusalems und seines Tempels bei. Demgegenüber war Jesus von der
Hoffnung motiviert, "that the conversion of Rome to Christianity -
aecording to the Noahide Commandments of the Torah of Moses -
would save the Templc" (133). Wenn sich jedoch Jesu Polemik - in
Entsprechung zu der der Schule Hillels und der Essener - nur gegen
die Schule Schammais gerichtet hat und wenn er jede ..christliche
nissionarische Aktivität unter Juden" ablehnte (158). dann gibt es
nach dem Sieg der Schule Hillels im rabbinischen Judentum keinen
Hinderungsgrund mehr für die von F. erhoffte gute Gemeinschaft zwischen
Christen und Juden.

Rez. begrüßt und bejaht zwar sehr das Anliegen dieser Schrift, muß
aber zugleich einwenden, daß die hier vorgetragenen Thesen nicht
einer historisch-kritischen Nachprüfung standhalten können. Einerseits
lassen sich die rabbinischen Nachrichten über Hillel und
Schammai kaum für historische Rekonstruktionen verwenden, wie
J- Neusner gezeigt hat. Andererseits darf das erst mit dem Jüdischen
Krieg einsetzende scharfe Schisma zwischen den beiden Schulen nicht
in die Zeit Jesu zurückprojiziert werden. Drittens führt eine kritische
Auswertung der Qumrantcxte und der Evangelien unter besonderer
Berücksichtigung der Traditions-, Form- und Redaktionsgeschichtc
keinesfalls zu dem von F. intendierten Ergebnis. Die antijüdischen
Passagen im Neuen Testament lassen sich leider nicht so einfach entschärfen
, wie es bei F.'der Fall ist. sondern fordern einen grundsätzlich
neuen hermeneutischen Ansatz der christlichen Theologie.

Berlin Günther Baumbach

Neues Testament

"Mttzenberg, Gerhard, Helmut Merklein, u. Karlheinz Müller
[Hgg.]: Die Frau im Urchristentum. Freiburg-Basel-Wien: Herder
1983. 358 S. 8' = QuaestionesDisputatae.95. Kart. DM 64.-.

Dieser Bd. folgt einer guten Gewohnheit der Reihe „Quaestiones
PJ'sputatac": Er enthält elf - zumeist überarbeitete - Vorträge, die
'dieses Mal) auf der Herbsttagung 1980 des Schülerkreises Rudolf
Bchnackenburg gehalten und diskutiert wurden. Es sind größtenteils
Beiträge, die ..unter dem Eindruck der Anfragen" entstanden sind,
-welche die moderne Frauenbewegung an die Theologie und an die
Exegese des Neuen Testaments richtet" (S. 5).

Die ersten drei Aufsätze bilden eine Art Trilogie. Zunächst behandelt
Josef Blank das Thema „Frauen in den Jesusüberlicfcrungen"
'S. 9-9|). Hierbei läßt er jedoch die Texte aus. die in den Beiträgen

von Robert Mahoney, „Die Mutter Jesu im Neuen Testament"
(S. 92-116), und Hubert Ritt, „Die Frauen in der Osterbotschaft"
(S. 117-135), untersucht werden. Nach einer Zusammenstellung der
„Frauenüberlieferungen" bei Mk, Mt, Lk und Joh analysiert Josef
Blank diese Texte der Reihe nach. Dadurch werden zwei Motive für
Jesu (Heils-)Zuwendung zu den Frauen erkennbar. Das eine ist in
dessen />a.v//<>/«-Botschaft gegeben, die zuerst den „Armen" und „Bedrängten
" gilt. Das andere Motiv für Jesu „Gleichbehandlung der
Frau" besteht darin, „daß für Jesus die Frau in der Liebe Gottes dem
Manne völlig gleichgestellt und gleichberechtigt ist" (S. 89). Außerdem
bezeugen diese Texte nach Blank: „Alle diese Frauen gehören
wirklich zum .Grundstock der Kirche' und haben von Anfang an entscheidend
dazu heigetragen, daß das Christentum sich nicht als reine
.Männerrcligion' etablierte" (S. 90). - Die gleiche Struktur wie die Arbeit
von Blank weisen die Beiträge von Mahoney und Ritt auf. Robert
Mahoney ist darum bemüht, vier verschiedene Marienbilder innerhalb
der Evangelientradition nachzuweisen, die, wie er meint. „Impulse
für die Neubewertung der Frau liefern" können (S. I 16). Während
sich bei Paulus keine Notiz über Maria findet, erwähnt Markus
sie als „Mutter von mindestens sieben Kindern" (S. 97), deren Haltung
gegenüber Jesus vorwiegend kritisch ist. Eine auffallende Unterordnung
unter ihren „davidischen" Mann kennzeichnet die Mariendarstellung
bei Matthäus. Eine positive Wertung findet Maria nur bei
Lukas: Dort ist sie „aktiv Mitwirkende" bei der „Einführung" von
(iottes Heil. Im JohEv tritt die Mutter Jesu völlig hinter ihren Sohn
zurück. - Die Untersuchung von Hubert Ritt bestimmen vor allem die
Fragen: „Warum wird in der Überlieferung der Evangelien die Verkündigung
der Osterbotschaft ursprünglich und erstrangig an Frauen
gerichtet?" (S. I 18) und „Welche Bedeutung haben die Frauen für die
Verkündigung der Osterbotschaft.'(S. I 19). Die erste Frage beantwortet
Ritt mit der (in dcn_„Fraucnlislcn" gesicherten) „Kontinuität"
zwischen dem Jesus von Tvarfreitag und dem von Ostern: Der Gekreuzigte
ist der Auferstandene. Die andere Frage sieht er durch das
Stichwort „Handlungsträger" beantwortet: Die Frauen tragen die an
sie „adressierte" Osterbotschaft weiter.

Ebenso stringent und gehaltvoll wie diese Aufsätze sind die acht folgenden
. Ruthild Geiger legt in „Die Stellung der geschiedenen Frau in
der Umwelt des Neuen Testamentes" (S. 1.34-1 57) zunächst Grund-
z.ügc des Scheidungsrechtes der (heidnischen wie jüdischen) Antike
dar. Danach stellt sie heraus, daß die Antike das Problem der geschiedenen
(d. h. der kürzere oder längere Zeit partnerlos lebenden)
Frau nicht gekannt hat. Abschließend begründet sie aus der Analyse
synoptischer Texte Jesu „Nein" zur Ehescheidung: Diese widerspricht
„dem erklärten Willen Gottes" (S. 155). Außerdem hat Jesus
dadurch „den schwächeren Teil" in der Ehe schützen wollen (S. 157).
- Alfons Weiser arbeitet „Die Rolle der Frau in der urchristlichen
Mission" (S. 158-181) heraus. Nach einer Auflistung aller Erwähnungen
von Frauen in Act bis Apk begründet er deren große Zahl
mit dem „Verhalten Jesu gegenüber den Frauen" (S. 164) sowie durch
theologische, missionshistorische und sozialgeschichtliche Feststellungen
. Bedeutsam ist die „aktive Beteiligung" von Frauen „an der
urchristlichen Missionsarbeif' (S. 167), die in Gebet, karitativen Aufgaben
, der Betreuung von Missionaren, Funktionen in den Hausgemeinden
sowie „verschiedene(n) Formen vollwertigen missionarischen
Einsatzes" (S. 181) ihren Ausdruck fand. - Gerhard Dautzen-
berg äußert sich speziell „Zur Stellung der Frauen in den paulinischen
Gemeinden" (S. 182-224). Auf Grund von 1 Kor 11 -14 und 7 betont
er (gegen alle, die an der patriarchalischen Gemeindestruktur festhalten
): Durch die starke Präsenz von Frauen entwickelte sich in den
paulinischen Gemeinden eine Ordnung, in der für patriarchalische
Vorstellungen (so gut wie) kein Platz war. Wenn Paulus darum einem
Konflikt wie dem von I Kor 1,2-16 „mit dem Rückgriff" auf die antiken
„Ordnungsvorstellungen" entgegentrat, so bedeutete das keinen
Rückfall in sie. Erst „das nachpaulinische Christentum" hat die „Forderung
der Unterordnung der Frauen" aufgenommen und damit „die
theologischen Einsichten von 1 Kor 11.11 und Gal 3.28" nicht mehr