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Ausgabe:

1986

Spalte:

586-588

Kategorie:

Judaistik

Titel/Untertitel:

Introduction. The Persian period 1986

Rezensent:

Schreiner, Stefan

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585

Theologische Literaturzeitung 111. Jahrgang 1986 Nr. 8

586

Vanderkam. James C.: Enoch and the Growth of An Apocalyptic
Tradition. Washington: The Catholic Biblical Association of
America 1984. X, 217 S. 8" = The Catholic Biblical Quarterly.
Monograph Series. 16. Kart. $ 6.50.

Dem Autor geht es um das Problem der Eigenart und Herkunft der
Apokalyptik. Diese Frage sucht er durch eine minutiöse Analyse der
Henoch-Traditionen einer Beantwortung näher zu bringen. Er
schließt dabei ausdrücklich an die Vorarbeiten und Ergebnisse von
H. P. Müller an. Wie dieser der Daniel-Tradition nachgegangen ist,
will er das Henoch-Material analysieren. Er geht von der Frage aus,
woher die jüdischen Autoren die Henochtradilion übernommen
haben.

Die von H. L. Jansen im Jahr 1939 vorgelegte Untersuchung ist
wegen des Vorliegens neuer Materialien und des von Vanderkam
Postulierten Neuansatzes einer Analyse der Quellen überholt. Daher
■st. wie der Autor feststellt, diese neuerliche von ihm vorgelegte Arbeit
notwendig und gerechtfertigt. Zunächst wendet sich Vanderkam dem
biblischen Material in Gen 5,21 -24 zu. Das dort vom priesterschriftlichen
Autor gezeichnete Henoch-Bild (365 Lebensjahre, Wandel mit
ebhim) läßt sich am besten durch einen Zusammenhang mit Enme-
duranki dem siebenten König von Sippar erklären (44). Hier liegt
auch der Berührungspunkt zwischen mantischer Weisheit und Apokalyptik
. ist doch Enmcduranki auch der Gründer einer Gilde von
Mantikcrn(58).

Henoch, ursprünglich nur "the Jcwish counterpart of Enmcduranki
", wurde in der Krisenzeit unter Antiochus IV. in manchen Apo-
kalyptiker-Kreiscn zum apokalyptischen Seher. In diesem Trans-
lormationsvorgang wird für Vanderkam der wesentliche genetische
Faktor der jüdischen Apokalyptik überhaupt wirksam: "One of the
major theses of this book is thal mantic wisdom was an important con-
hibutory läctor in the evolution of Jewish apocalypticism as exem-
Phfied by the carly Enochic literature." (71)

Hieraufwendet sich der Autor der Analyse der Henoch-Traditionen
im äthiopischen Hcnochbuch zu und beginnt mit dem Astronomischen
Buch (Kap. 72-82). Dabei steht ihm nun das von Milik
Publizierte Material aus Qumran (4Q Enastr) zur Verfügung, dessen
Zusammengehörigkeit mit dem Text des äthiopischen Henochbuchcs
cr ebenso akzeptiert wie auch das von Milik als Entstchungszcit der
h4ss. ermittelte Datum um 200 v. Chr. Allerdings folgt er nicht der
gewagten und wohl nicht ausreichend begründeten These Miliks. daß
das Astronomische Buch bereits dem Autor von Gen 5,23 vorgelegen
sm. Die Abhängigkeit wird von Vanderkam mit Recht umgekehrt gesehen
: Der Autor von Hen 72-82 hat einige kryptische Bemerkungen
ln Gen 5,21-24 weiter ausgesponnen. Dabei habe der Autor von
Hen 72-82 auf Elemente der babylonischen Astronomie zurückgegriffen
und sie verwertet. Dazu kamen überdies noch andere außer-
hiblische schriftliche oder auch nur mündliche Henoch-Traditionen.
dadurch erscheint Henoch im Unterschied zu Gen 5.21-24 "as a
Wnter of books which contain angehe revelations about aslronomy
a"d geography"(105).

Die Kapitel Hen 1-36. die .Buch der Wächter' genannt werden.
Weisen nach Vanderkam erstmals in der Hcnoch-Litcratur Spuren
flechischen Einflusses auf. Da aber Antiochus IV. nicht einmal indirekt
erwähnt wird, hat man wohl mit einem Entslehungsdatum
"och vor seinem Auftreten zu rechnen. Inhaltlich zeigt sich auch bei
diesem Teil der Hcnoch-Übcrlicfcrung ein starkes Interesse an kos-
rn°logisehen Fragen und dasOtTcnsein lür auswärtige Einflüsse.

Vanderkam wendet sich dann dem Brief des Henoch und der
Bochen-Apokalypse zu. die er als historische Apokalypse versteht.
"Vis Entstehungsdatum rechnet cr mit der Zeit zwischen 175 und 167
V-Chr. Dabei spielt die Deutung des „Schwertes" in Hen 91.12 die
entscheidende Rolle. Es ist erfreulich zu lesen, wie Vanderkam in
Präziser Weise, gleichsam in Form eines Planspicles. die Interpreta-
bonsmöglichkeiten referiert und sich dann für eine Entstehungszeit
tischen 175 und 167 v.Chr. entscheidet. (149) Diesem Ansatz
lochte der Rez. nicht ganz zustimmen und doch an seiner eigenen

Einschätzung der Argumente festhalten, die für ein Entstehungsdatum
um 166 v. Chr., d. h. nach den ersten Erfolgen der makka-
bäischen Kämpfe sprechen. Voll zuzustimmen ist dem Autor bei seiner
Feststellung: ". .. the ApW is the oldest surviving Jewish apoca-
lypse that includesa historical survey . . ." (149).

Für den „Buch der Träume" genannten Abschnitt des Henochbuchcs
, der auch die Tier-Apokalypse enthält, kommt der Autor im
Anschluß an Milik zu einem Entstehungsdatum etwas vor 125 v. Chr.
In der Tier-Apokalypse wird sichtbar, wie biblische Prophezeihung
(vgl. Jer25) in einer Geschichtsapokalypse nutzbar gemacht werden
konnte.

Auch fürdie Kapitel Hen 106-107 kann Vanderkam noch mesopo-
tamischen Einfluß nachweisen. Wie sehr die Henoch-Tradition
immer noch lür die Hinzufügung neuer Aspekte offen war, zeigt
Jub 4.16-25, wo Henoch als Kultur-Heroe erscheint, und auch von
seinem Verweilen im Garten Eden gesprochen wird.

Vanderkam hat eine sehr präzise und ausgewogene Studie vorgelegt
, die wohl für längere Zeit das Standardwerk über die Henoch-
Traditionen bilden wird. Darüber hinaus hat Vanderkam mit diesem
Buch einen wichtigen Beitrag zum Aufweis der vielfältigen geistigen
und kulturellen Faktoren geleistet, die die Apokalyptik mitgeformt
hahen.

Wien herdinand Dcxinger

Judaica

Davies, W. D„ and Louis Finkelstein [Ed.]: The Cambridge History of
Judaism. I: Introduction; The Persian Pcriod. Cambridge-Lon-
don-New York-New Rochelle-Mclbourne-Sydney: Cambridge
University Press 1984. XV, 461 S., 1 Tab.. I Kte gr. 87 Lw.
£ 33.-.

Mit der auf vier Bände geplanten 77ie Cambridge History of
Judaism möchten die Hgg.. dabei die Mitarbeit einer großen Zahl von
Fachkollegen in Anspruch nehmend, eine umfassende Geschichte der
Juden und des Judentums vorlegen, die die Zeit vom Babylonischen
Exil bis zum Abschluß der Mischna, also die Zeit von 587 v. bis etwa
250 n. Chr. umgreift. Umfassend meint dabei ebenso, daß alle
Aspekte dieser Geschichte, die politische, die Sozial- und Religionsgeschichte
sowie die Geschichte der von den Juden gesprochenen
Sprachen und deren jeweilige Literatur gleichermaßen in die Darstellung
einbezogen werden wie den Vorsatz, dazu alle nur verfügbaren
literarischen und archäologischen Quellen gebührend auszuschöpfen
, was einschließt, auch den nichtjüdischen Background der
jüdischen Geschichte und die wechselweisen Beeinflussungen und
Abhängigkeiten ("interaction") von jüdischer Geschichte und Kultur
und Geschichte und Kultur der Umwelt entsprechend zu berücksichtigen
. Freilich sind sich Hgg. und Autoren der einzelnen Beiträge
bewußt, daß sie mit ihrem Werk dennoch nicht den Anspruch erheben
können, es auch nicht wollen, "a 'definitive' History of
Judaism". wohl ohnehin eine Unmöglichkeit, vorzulegen; denn sie
übersehen keineswegs, daß zuvor noch "much textual and exegetical
work remains to be done betöre Judaism can be satisfactorily inter-
preted"(S. VI). Mußdie Arbeit daherauch hinter dem gesteckten Ziel
zurückbleiben, so will sie aber doch für sich in Anspruch nehmen, das
bisherige Wissen von der Geschichte des antiken Judentums, sofern es
auf begrenztem Raum möglich ist, zusammenzufassen, also mindestens
in diesem Sinne umfassend zu sein. Für dieses Bemühen haben
die Hgg. zahlreiche jüdische und nichtjüdische Gelehrte aus vielen
Ländern um Mitarbeit ersucht und gewinnen können: wollten sie
doch auf diese Weise zugleich dokumentieren, daß eine jüdische Geschichte
in dem von ihnen angestrebten umfassenden Sinne eine Aufgabe
ist. die der interreligiösen wie der internationalen wissenschaftlichen
Zusammenarbeit bedarf.

Der vorliegende, hier anzuzeigende erste Band umläßt, eingerahmt
von Prtface, List of abbreviations (S. V-XV), BibHographies (nach