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Ausgabe:

1986

Spalte:

577-580

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Watt, William Montgomery

Titel/Untertitel:

Der Islam 1986

Rezensent:

Lohmann, Theodor

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577

Theologische Literaturzeitung III. Jahrgang 1986 Nr. 8 ,

578

ihnen wiederum das Stichwort Pantokrator fehlt. Nach H. ergeben
sich aus dem Vorhandensein jener kosmotheologischen bzw.
-christologischen Aussagen im Neuen Testament Folgerungen in be-
zug auf die Stellung des I. Artikels im altkirchlichen Credo und seine
Gesamtinterpretation, die m. E. aller Beachtung wert sind: Der I. Artikel
stellt mit dem Bekenntnis zu Gott-Vater dem Schöpfer und Erhalter
eine auch für nichtchristliche Hellenisten akzeptierbare
gemeinsame religiöse Basis her, während dann der zweite Artikel das
unterscheidend Christliche formuliert.

Aus Raumgründen kann von den weiteren Aufsätzen nur noch die
längste, das Interesse von Theologen besonders beanspruchende Abhandlung
über ..Vergils ,messianisch.es' Gedicht" zur berühmten
IV. Ekloge (S. 267-333: von 1950, mit Nachworten von 1963 und
1981 sowie einer poetischen Neuübersetzung des Gedichts von Erika
Simon und einem hübschen Scherenschnitt zur Friedensvision von
der Tochter Agathe Hommel) kurz vorgestellt werden. H. kommentiert
zunächst den (in eigener Übersetzung abgedruckten) Text und bemüht
sich dann um eine genaue Bestimmung des für Vcrgil gegebenen
Anlasses. Mit Nachdruck vertritt H. - entgegen der früher (E. Norden
u. a.) bevorzugten Deutung - die Auffassung, daß der im Gedicht besungene
Knabe kein religiös-idealisches Phantasiegebilde sei. sondern
ganz konret der Ende 41 v. Chr. geborene Sohn des Für das Jahr 40
zum Konsul bestimmten C. Asinius Pollio; Vcrgil überreicht das Gedicht
seinem Ciönncr zum Antritt des Konsulats zugleich als Glückwunsch
zur Geburt des Sohnes und als Huldigung, die seine aus ticler
Friedenssehnsucht geborene echte gewagte Prophctic zum Ausdruck
bringt (diese ..realistische" Beziehung des Gedichts hat sich seither
wohl ziemlich durchgesetzt). Abschließend reflektiert H. die christliche
Neuinterpretation des Gedichts als einer heidnischen Weissagung
auf Christus, die mit dem llrsinn immerhin das Haften der Er-
löscrholl'nung an einem „im Fleisch Gekommenen" gemeinsam hat.
-..Aber nur die Sprache ist scheinbar die gleiche" (S. 315).

Für die übrigen Beiträge muH die Anführung der Titel genügen: „Der Gott
Achilleus" (S. 207-209); „Das Apollonorakel in Didyma" (S. 210-227. mit
I ~ Abbildungen): „Das Vcrsorakcl des gryneisehen Apollon" (S. 228-237);
-Vesta und die frührömische Religion" (S. 238-262); „C'iccros Gebetshymnus
an die Philosophie" (S. 26.3-266. Kurzfassung einer Heidelberger Akadcmic-
abhandlung 1968): „Celera mitte" (nicht „Cetera Milte", wie auf S. 3.34 und in
den Seitentiteln leider gedruckt ist; S. 334-346); „Der .unbekannte Soldat'. Zu
fropertius I 21. v. 9/10" (S. 347-350): „Antike Hultformulare. Eine religions-
Kcsehiehihehe Inlerprctalion der ovidischen Midas-Erzählung" (neu:

351-370); schließlich die Zusammenfassung der Ergebnisse einer 195.3 von
Philologen, Philosophen und Theologen gehaltenen Ringvorlesung unter dem
T'tel „Mythos und Logos" (S. 371 -.382).

Der letzte Beitrag vollzieht exemplarisch, was auch in den meisten
anderen, auch in thematisch scheinbar abgelegenen. Aufsätzen geschieht
: einen Brückenschlag von der Klassischen Philologie zur religiösen
Welt des abendländischen Christentums (das sich dem Autor
°ß am prägnantesten in Gesangbuchliedcrn darstellt) und bis zu Gegenwartsfragen
. So enthält bereits der erste Band dieser gesammelten
Studien vielerlei auch für den Theologen, nicht nur den Bibclwissen-
schaftlcr. Beachtenswertes; mehr davon ist für den Band II der Scbas-
Rntta, mit den Teilen „Antike und Christentum" und „Nachantike",
zu erwarten. So kann man dem Herausgeber der Serie, M. Hcngel. und
dem Verlag nur dankbar dafür sein, daß diese Aufsätze in so gediegener
Form neu zugänglich gemacht wurden.

Naumburg Nikolaus Walter

"Ott, W. Montgomcry. u. Michael Marmura. Der Islam. II: Politische
Entwicklungen und theologische Konzepte. Stuttgart-
Berlin (West)-Köln-Mainz: Kohlhammcr 1985. XXI. 502 S. gr.
8'= Die Religionen der Menschheit. 25.2. Lw. DM I 10.-.

Hiermit kann der zweite Band der Darstellung der Religion des Islam
in der von Christel Matthias Schröder begründeten und von
Hubert Cancik. Peter Eichcr. Burkhard Gladigow und Martin Grc-
Schat fortgeführten und herausgegebenen Reihe „Die Religionen der

Menschheit" (Bd. 25,2) angezeigt werden. Für den größten Teil des
Werkes (Teil I Die Anfänge 632-750: S. 1-150; Teil II Das Jahrhundert
des Kampfes 750-850: S. 151-256; Teil III Der Triumph des
Sunnismus 850-945: S. 257-319 und Teil V Die islamische Theologie
950-1850: S. 393-487) zeichnet wiederum Professor
Dr. W. Montgomery Watt (Universität Edinburgh, Schottland) verantwortlich
. Den ersten drei Abschnitten liegt im wesentlichen eine
Übersetzung seines Buches "The Formative Period of Islamic
Thought" aus dem Jahre 1973 zugrunde (S. XIII). Den kleineren Teil
des Buches (Teil IV Die islamische Philosophie des Mittelalters:
S. 320-392) hat Professor Dr. Michael Marmura (Universität
Toronto. Kanada) geschrieben. Ein besonderer Dank wird im Vorwort
Herrn Prof. B. Gladigow für seine Hilfe als Herausgeber. Frau
Dr. Sylvia Höfer wiederum für die ausgezeichnete Übersetzung und
Frau Prof. Annemarie Schimmel für das Mitlesen der Übersetzung
und für fachliche Ratschläge ausgesprochen. Außerdem wird bereits
auf den dritten Band der Religion des Islam hingewiesen, der die gesamte
islamische Mystik und muslimische Reaktionen auf den Einfluß
des Westens enthalten (S. XIII; 487) und von W.M.Watt,
A. Schimmel u. a. verläßt wird.

Wie bereits aus dem Untertitel des Werkes ersichtlich wird, kommt
es W. M. Watt vor allem auf die Behandlung der meisten Bereiche des
islamischen Denkens in ihrem politischen Zusammenhang an, wobei
nach chronologischen Gesichtspunkten vorgegangen und der sog.
„formativen Periode" (= die ersten drei Jahrhunderte der islam. Geschichte
), in der sich die wesentlichen Glaubensvorstellungen des Islam
bis zur Ausgliederung der Schiiten und dem typischen Selbstverständnis
der Sunniten herausgebildet haben, besondere Aufmerksamkeit
geschenkt wird. Auf diese Weise lernt der Leser zwar die Umgestaltung
islamischen Denkens an Hand der Aufzeichnung des Wirkens
und Lehrcnä von zahlreichen Personen, Sekten und Schulrichtungen
kennen, muß aber bei diesem überaus reichen Angebot zahlreiche
Rückgriffe, ermüdende Wiederholungen und nicht zuletzt eine Fülle
von Einzelheiten, die das Gesamtkonzept bisweilen eher verwirren als
es zu klären helfen, in Kauf nehmen. Insofern ist zu fragen, ob nicht
eine andere Gliederung etwa nach den sechs Lehrstücken der späteren
islamischen Schulthcologic (Allah. Engel. Bücher, Propheten, Gericht
. Vorherbestimmung) in jeder Hinsicht günstiger gewesen wäre.
Im Unterschied zum ersten Band (vgl. meine Rezension: Watt. W. M.
and A. T. Welch: Der Islam. 1: Mohammed und die Frühzcit-
Islamischcs Recht-Religiöses Leben. Stuttgart 1980. in: ThLZ 107,
1982, 663-665). der trotz einiger Glicderungsmängcl als ein übersichtliches
Lehrbuch angesehen und verwendet werden kann, ist der
zweite Band eine ausgesprochen fachspezifische Arbeit, die sich lediglich
an einen Leserkreis wenden kann, der bereits tief in das Gebiet der
Islamkunde eingedrungen ist und sein Interesse auch an Einzelausein-
andersetzungen mit doktrinären Auffassungen der Muslime und mit
veralteten Vorstellungen von Europäern über die frühe islamische Religion
bekundet. Leider geht durch die vorgenommene Gliederung
auch ein klarer Überblick über die politische und religiöse Expansion
des Islam während der Regierung der ersten vier Kalifen nach
Mohammeds Tod. während der Umayyaden- und Abbäsidendyna-
stie. im Osmanischcn Reich und seinen Nachfolgestaaten verloren (in
Bd. I lediglich auf 12 Seiten dargestellt!)

Im Unterschied zur islamischen Aulfassung, nach welcher der
wahre Islam keinerlei Veränderung unterworfen ist. wird hier vom
Standpunkt westlicher Gelehrsamkeit größter Wert auf die Entfaltung
der islamischen Glaubenslehre und die Entwickung einer differenzierten
Theologie gelegt. Von den ..Kunstkniifen" islamischer Häresio-
graphen (vgl. al-Bagdadi, as-Stthrastäni u. a.), die Zahl der angeblich
von Mohammed vorausgesagten 72 bzw. 73 Sekten durch Gruppierung
nach Ähnlichkeiten. Übernahme populärer Schimpfnamen.
Verringerung oder Ausschluß aus der islamischen Gemeinschaft
sicherzustellen, wird Abstand genommen (S. XVII; 227; 466). Alle
von der häresiographischen Tradition gebrauchten Sektennamen werden
sorgfältig untersucht, wobei sich herausstellt, daß die meisten von