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Ausgabe:

1986

Spalte:

36-37

Kategorie:

Kirchengeschichte: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Aland, Kurt

Titel/Untertitel:

Kirchengeschichte in Zeittafeln und Überblicken 1986

Rezensent:

Matthiae, Karl

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Theologische Literaturzeitung 111. Jahrgang 1986 Nr. 1

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charakteristischerweise in der Einleitung S. 41 ff besprochen). Das
Buch ist deshalb eher zum Durcharbeiten als zum Nachschlagen für
die Sonntagspredigt gut (die Seitentitel geben denn auch nur Kapitel
und Vers der Sektionen an).

Die Gliederung des Evangeliums, die sehr eigen ist, müßte jemand
beurteilen, der von Textlinguistik etwas versteht, auch wenn B. und R.
keiner Schule folgen und auch keinen Jargon reden. Daß sie sich hier
viel Mühe machen, finde ich an sich gut; wir wissen zu wenig, was eine
Gliederung ist und wie man sie macht. Aber wenn sie vor allem wegen
der drei ,,es geschah" die Weihnachtsgeschichte in 2,1-5.6-14.15-20
einteilen (S. 116), frage ich mich, ob das gegen die übliche Einteilung
in 2,1-7.8-14.15-20 aufkommt, die sich auf Personen und Ort der
Handlung und den Handlungszusammenhang selbst stützt. Die auffälligste
Neuerung ist vielleicht, daß 9,51 weder eine Sektions- noch
auch nur eine Unterabschnittsgrenze markiert (die Sektion ist
9,18-17,7, der Abschnitt 9,18-11,54, der Unterabschnitt 9,18-62).
Daß Lukas mit 9,51 Markus verläßt, sei eine quellenkritische Beobachtung
, kein kompositorisches Argument; außerdem habe er den
Markus/drVen schon mit 9,18 verlassen. Auch daß nicht erst ab 9,51
Ortsnamen fehlen, sondern daß Lukas sie schon in 9,18-50 aus dem
zugrundeliegenden Markusstoff gestrichen habe, spräche dafür, die
Sektion und weitere Untergliederungen in 9,18 anfangen zu lassen
(S. 2550- Aber die Reise, die auch B. und R. für theologisch bedeutsam
halten, beginnt nun erst in 9,51. Und 9,18ffknüpfen an 9,7-9 an;
m. E. erzählt Lukas in 9,18 ff die durch die Speisung unterbrochene
RückkehrderJünger9,10zu Ende.

Es ist in der Anlage des Buches begründet, daß die Auslegung mehr
an dem interessiert ist, was man früher Lukas' Lehrbegriff genannt
hätte, als an der spezifischen Aussage. So heben B. und R. also z. B.
aus den drei Gleichnissen Lk 15 (die B. und R. m. E. zu Unrecht in
dem Singular „Gleichnis" angesagt finden, S. 341) die Liebe des Vaters
hervor, der sich über die Rückkehr der Verlorenen freut. Darüber
kommt zu kurz, daß die Gleichnisse im Kontext des Kapitels die Kritik
an Jesu Verhalten (die B. und R. entschärfen, indem sie V. 2 als
«Qui est-il. . .» paraphrasieren, S. 347) widerlegen sollen und die
Liebe des Vaters nicht nur aussagen, sondern unter Berufung auf sie
dazu auffordern, heimfindende Sünder nicht nur anzunehmen, sondern
zu feiern. Die „interne Dynamik des Evangeliums", die B. und
R. aufspüren wollen (S. 7), ist also mehr der Zusammenhang der es bewegenden
Ideen als die konkrete Bewegung seines Textes. Sie kommt
auch im einzelnen manchmal zu kurz. Daß Priester und Levit in
Lk 10,31 f beruflich verhindert sind zu helfen (S. 285), wird, falls religionsgeschichtlich
überhaupt denkbar, durch die kühle Kürze der
Verse im Vergleich zum Kontext ausgeschlossen. Lk 16,18 verbietet
nicht Ehescheidung, sondern Wiederheirat, läßt sich also nicht so einfach
in Richtung Liebesgebot deuten (S. 357).

Gravierender finde ich, daß Lukas' Theologie bei B. und R. zu
wenig individuelles historisches Gepräge hat. Gewiß sind Lukas' Themen
alle da, aber sie erscheinen zu sehr als Adaption der allgemeinen
christlichen Wahrheiten, wie sie später das System der kirchlichen
Christologie und Trinitätslehre gebildet haben. Die Bedeutung des
Geistes für Lukas wird mit Recht betont. Aber ist er Person (S. 36)? Ist
er z. B. in Lk 1-2 der Beweger der Geschichte (S. 93)? Andererseits
soll er keine Wunder wirken (S. 36); paßt das zu Lk4,16ff;
Apg 10,38? Mit Recht ist auch hervorgehoben, daß Lukas Jesus eng
an den Vater bindet (Geistgeburt, ständiges Beten; daß der verheißene
Thron Davids 1,32 die dextera Patris ist Apg 2,30-33, wird freilich
nicht gesehen). Aber ist es sinnvoll, bei Lukas vom fleischgewordenen
Wort zu sprechen («Sous l'action de l'Esprit-Saint, Marie entänte la
Parole», S. 35, ähnlich öfter)? Es kommt hinzu, daß B. und R. immer
wieder die spezifische Art, wie Lukas seine Theologie kompositorisch
und begrifflich ausdrückt, für (im allgemeinen sachgemäß durchgeführte
) Anpassung an die «mentalite hellenistique» des dritten Evangelisten
und seiner Leser deuten, während Matthäus und Markus viel
„semitischer" dächten und schrieben. So ist die von manchen beobachtete
Enteschatologisierung im Lukasevangelium, mit der die

Parusieverzögerung bewältigt werden soll, gar keine. Sondern weil für
Griechen ein Ende der Zeit nur schrecklich oder gar nicht zu denken
ist, jedenfalls nicht als die schon ins Heute wirkende endgültige Heilsvollendung
, als die es in der christlichen Botschaft gemeint war, hat
Lukas die Naherwartung in die mit und durch den irdischen Jesus bewirkte
, den Alltag durchdringende Heilsvollendung übersetzt, und das
sachgemäß (S. 56ff). Stimmt es wirklich, daß Lukas' Leser in biblischem
Denken so ungeübt waren? Bleibt das, was er macht, nicht
weithin sprachlich und theologisch in Bahnen, die vom griechischsprechenden
Judentum und keineswegs von „Griechen" vorgezeichnet
sind? Wollte Lukas selber gräzisieren und nicht vielmehr das
wohlverstandene Erbe Israels antreten?

Trotzdem denke ich, daß kritische Leser von dem Buch etwas
haben werden. B. und R. haben übrigens Matthäus und Markus ähnlich
bearbeitet (Au fil de fevangile selon saint Matthicu, Brüssel,
2. Aufl. 1974; La bonne nouvelle de Jesus selon saint Marc. Brüssel
1974), die Apostelgeschichte soll folgen.

Heidelberg-Ziegelhausen Christoph Burchard

Kirchengeschichte: Allgemeines

Aland, Kurt: Kirchengeschichte in Zeittafeln und Überblicken.

Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus Gerd Mohn 1984. 125 S. 8" =
GTB/Siebenstern 1411. Kart. DM 9,80.

Historische Darstellungen bringen als Anhang vielfach Tabellen
oder Zeittafeln. Es gibt jedoch auch Veröffentlichungen, die lediglich
chronologische Abrisse zu bestimmten Zeiträumen und Gebieten enthalten
; in ihnen ist meist vielfältiges Material zusammengetragen,
erläutert und aufeinander abgestimmt. - Da derartige Übersichten
sehr beliebt sind, hat der Verlag die Zeittafeln aus der „Geschichte der
Christenheit" noch einmal - inhaltlich gleich, doch in verkleinerter
Form - als Taschenbuch herausgebracht.

In dem Band wird die Geschichte der Kirche in synchronoptischcr
Form (in 4 Kolumnen) skizziert: Die wichtigsten politischen Ereignisse
(Sp. 1) werden dabei zur Geistes- und Kulturgeschichte (Sp. 4)
und der Kirchengeschichte in Beziehung gesetzt. Diese ist unterteilt in
„Äußere Geschichte der Christenheit" (Sp. 2), bei der wichtige Päpste
, Konzilien, einzelne Personen (z. B. J. Eck) usw. eingeordnet werden
, und „Innere Geschichte der Christenheit" (Sp. 3), die Gründung
von Orden, theologische Schriften und ebenfalls einzelne Personen
(z. B. Thomas von Kempen) nennt.

Bei der politischen Geschichte sind im Anfang die Herrscher aufgeführt
, später dann auch wichtige Schlachten und Ereignisse verzeichnet
. Mit fortschreitender Zeit werden die Angaben zahlreicher, besonders
in den letzten 50 Jahren. Auch in die anderen Spalten wird zunehmend
mehr aufgenommen. Wichtige Ereignisse und Personen sind
im Druck hervorgehoben (z. B. Hus, Wormser Konkordat).

Wie bei jeder Zusammenstellung von Daten könnten natürlich
zahlreiche Fragen gestellt werden. (Z. B. Warum wird Herodes d. Gr.
als „I." bezeichnet? Die erste Zürcher Disputation [1523] ist nicht
aufgeführt.) Auch ließe sich über die Aufteilung in den Spalten streiten
. (Warum wird der Tod K. Barths in Sp. 3 und der M. Niemöllers
in Sp. 4 gebracht?) Hier stehen jedoch nicht inhaltliche Einzelheiten,
sondern der Charakter dieser Darstellung als eigenständiger Veröffentlichung
zur Debatte.

Im Titel werden Zeittafeln und Übersichten angekündigt. Er enthält
jedoch eigentlich nur eine wirkliche Übersicht (Anm. S. 18: Christianisierung
der Germanen). Vielleicht rechnet der Autor zu ihnen mehrere
Aufzählungen (z. B. Nobelpreise, erste Vorlesungen Luthers).
Neben solchen notwendigen Zusammenstellungen wünschte man sich
weitere gesonderte Übersichten, bei denen ein „Thema" längsschnittartig
skizziert wird (z. B. Ökumenische Konzilien. Kreuzzüge).

Da für das politische Geschehen nur eine Spalte zur Verfügung