Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1986

Kategorie:

Interkulturelle Theologie, Missionswissenschaft

Titel/Untertitel:

Neuerscheinungen

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

557

Theologische Literaturzeitung III. Jahrgang 1986 Nr. 7

558

Anselms ..Cur deus homo" und alles, was sich auf dieser Linie bewegt
, die ncutcstamcntlichen Grundlagen der Lehre vom Sühnetod
Jesu mit eingeschlossen, stößt bei F. auf kategorische Ablehnung, einmal
mit Rücksicht auf den Islam, zum andern aber auch, weil man
dies dem modernen Europaer - auch ihm weiß F. sich verbunden und
verpflichtet-nicht zumuten könne (137).

Seine unorthodoxe Stellung zur Bibel bereitet F. wenig Skrupel,
denn neutestamentliche Aussagen gehören lür ihn nur zu den „Antworten
", mit Ausnahme der ipsissima vox Jesu, die er vor allem bei
den Synoptikern findet (134). F. ist beständig aufder „Suche nach der
erzführenden Schicht der echten Jesusworte" (184) als dem allein verbindlichen
«Evangile sclon Jesus» (1 34). Eine darauf sich gründende
Verkündigung bewirkt die ..Vergegenwärtigung" Jesu (vgl. 156). Hier
wird das testimonium spiritus saneti internum wirksam (96), das nach
•v für den Glauben des einzelnen von entscheidender Bedeutung ist,
während es in der Kirche als solcher und ganzer kaum wirksam wird.
Daß F. sich zur Kirche ..solidarisch" verhält, ist deshalb das Äußerste
;|n positiver Beziehung, was Vf. zu konstatieren vermag. Im Grunde
steht F. der Kirche äußerst distanziert und als unerbittlicher Kritiker
gegenüber. Er war nicht getauft und hielt es auch zu keinem späteren
Zeitpunkt für erforderlich, das Sakrament an sich vollziehen zu lassen
, ließ auch seine Kinder nicht taufen. F. sagt: ..Wenn ein Christ
Jesus Christus bezeugt, so erfüllt er seine Aufgabe als Zeuge. Bezeugt
er aber die Kirche, so wird er zum Zeugen seiner selbst (automartys!)"
(28).

F. sucht unter modernen säkularen Menschen ebenso wie unter
Juden und Mohammedanern die Brüder zu finden und sich den Zu-
gung zu ihren Herzen zu bahnen. Vf. weist nach, daß F.s Hinneigung
zu Judentum und Islam schon während seines Studiums klar zutage
•rat. Nach F. „verteidigt das Judentum die Transzendenz Gottes gegen
d'e Verlleischlichung Gottes bei den Christen" (171). Geradezu als
-Faures Ideal" bezeichnet Vf. den „Weg des alttestamentlichen
Frophetentums. . . innerhalb eines gesellschaftlichen Rahmens und
°hne Bruch zu diesem" (167) Hingegen ist bei F. „keine theologisch
Zustimmende Äußerung zum Zionismus zu finden. Die Gründung des
Staates Israel erschien ihm als eine Wiederauflebung der hebräischen
Landnahme in Kanaan, die auch die Buren in Südafrika inspiriert und
zur Vernichtung der Hottentotten geführt hatte" (I 70).

Für die Muslime betet F. zu Gott als lür diejenigen. ..die deine
Größe, deine Ehre gegen uns verteidigen" (101). Die Mauer zum
'slam reißt er nieder, indem er „das spezifisch Christliche" zum
••f«aphysischen Götzen" erklärt (148). Außerordentlich folgenschwer
ist F.s These, „daß Jesus nicht alles gesagt hat und daß der
Koran, in seiner Zeit und Umwelt, auch positiv Offenbartes bringt"
(164). F. gelangt so zur „Vorstellung von geschichtlichen Etappen"
derOITcnbarung(l74).

Zutiefst beruht F.s Affinität zum Islam auf folgendem Sachverhalt:
-Der Islam und sein christlicher Interpret (sc. Faure) praktizieren eine
Theologie, die man als .natürliche Theologie im wahren Sinne des
Wortes' bezeichnen kann" (176). Hierzu stimmt auch völlig F.s
Sympathie lür den islamischen Mystiker al-Ghazzali. An ihm faszi-
n'CI"t F. „das nüchterne und rationale Denken in Profanität . . . Die
Gefahr, daß das Denken über den Glauben sich zu einem philosophischen
System verhärtet, bannt al-Ghazzali dadurch, daß er die
pistliche Erfahrung ins Wissenschaft liehe Denken einbringt und so
der Mystik im Islam ihr Heimatrecht zukommen läßt" (183). F. sieht
hier eine Position, die befähigt zu „bedenken, was der Ansturm der
Moderne für den Glauben bedeutet" (ebd.).

Die vielverhandelte Problematik „Mission und Kolonialismus" hat
p .

• 'n voller Breite reflektiert. Dabei stellt er zusammenlässend fest:
•Das Zusammcn-Ankommcn mit der kolonialen und wirtschaft-
"chen Expansion Europas ... ist nicht das Wesen der Mission, sondern
nur ein Akzidens, dessen sie sich entledigen kann und will"
DO).

Für F. sind „Afrikanität" und „Okzidentalität" Totalitäten, und er
h*agt: „Warum die Welt dazu zwingen, sich zu okzidcntalisicren . . .?"

(107). „Sein Herz schlug lür die alte Afrikanität. und er hoffte, daß
Afrika ihr treu bleiben werde." (90) Er betet: „Vater, lehre mich, den
Europäer in mir zu zerstören. Laß mich die Kultur im Burnus als der
meinigen ähnlich betrachten, als eine, die den gleichen Wert hat".
(61)

F.s Theologie steht „in ungewöhnlicher Nähe zum afrikanischen
Denken und zum afrikanischen Zeitverständnis" (90f). Es kann nicht
überraschen, daß das Thema „Einbürgerung des Christentums"
(94IT). verglichen mit der heutigen Durchschnittsmeinung der Missio-
logen, durch F. wieder ausgesprochen nonkonformistisch akzentuiert
wird. F. „lehnt den Begriff, Einheimischmachung* (indigenisation) ab.
denn die Kirche kann weder .einheimisch' noch .autochthon' sein . . .
Sie ist übernatürlich und nicht von dieser Erde" (94). Stattdessen
spricht F. von «naturalisation» im juristischen Verständnis der „Einbürgerung
", von „Naturalisierung" also im Sinn der Verleihung einer
neuen Staatsbürgerschaft, weil dieser Begriff nach Meinung F.s. ohne
weiter zu gehen, als theologisch erlaubt ist, „das Eingehen der Kirche
in die Afrikanität ernst(nimmt)" (ebd.). Für Hoekendijk-Sv mpatlu-
santen muß es schockierend sein, daß nach dem Urteil des Vf. F. -
kein romantischer lutherischer Deutscher des 19.. sondern ein durch
und durch unromantischer französischer Calvinist aus dem zweiten
Drittel des 20. Jh. - die Aufgabe und das Ziel der Mission als Christianisierung
beschreibt. F. habe gespürt, „daß das Christus-Ereignis den
gesellschaftlichen Rahmen nicht sprengen will. Es genügte die Intensivierung
des Vorfindliehen. Eis genügte, die Transzendenz des Immanenten
zum Leuchten zu bringen" (181).

Grundsätzlich fordert F.: „Die Entscheidung, was vom afrikanischen
Glauben und von den afrikanischen Gebräuchen dem Evangelium
widerspricht, steht nur den afrikanischen Christen zu. die
ebenso gut wie der Missionar, oder genauer: auf diesem Gebiet sogar
besser als der Missionar, vom Heiligen Geist geleitet sein können".
(85) Wie weit nach F. die zu respektierende Eigenständigkeit der Afrikaner
im einzelnen zu reichen hat, möge das folgende Bespiel verdeutlichen
: „Wer einer jungen afrikanischen Kirche eine .demokratische'
Verfassung aufzwingt, eine Synode z. B„ der macht aus ihr eine ausländische
Organisation. Man muß sich davor hüten, um jeden Preis
demokratisieren zu wollen, als ob das demokratische System der
Kirche Jesu Christi innewohnend sei und zu ihrem Wesen gehörte!"
(81)

F. kann gewiß nicht als Lehrer der Kirche gelten. Er hat auch nicht
beansprucht, dies zu sein, sondern wußte, daß er den -ismen. die er
überwinden wollte, letztlich auch nur einen „Faurismus" entgegenzusetzen
hatte. Aber so wie F. als tief gläubige Persönlichkeit beeindruckt
- ein Mann, der vier Jahrzehnte lang nachdenkt, redet und
handelt als einer, der täglich mit seinem Ableben zu rechnen hat und
dieses Schicksal in wacher Bewußtheit auf sich nimmt und durchhält
-. so beeindruckt auch seine leidenschaftliche Entschlossenheit.
Brücken zu schlagen. Hier äußert sich eine Spontaneität und Kreativ i-
tät, der man in Kirche und Mission ansteckende Wirkung wünschen
möchte, weil man ihr zutrauen kann, als Werkzeug des heiligen Geistes
über Irr- und Holzwege hinweg zur Entdeckung neuer und dann
auch wirklich gangbarer Wege zu führen.

Leipzig Siegfried Krügel

Engel. Lothar: Theologische Ausbildung in Südostasien. Zur Vollversammlung
der „Vereinigung für Theologisehe Ausbildung in Südostasien" -
ATESEA. 10.-17. Juli 1985. Singapur (ZUM 12. 1986. 16-21).

Guder. Darrell L.: Bc My Witnesscs. The C'hureh's Mission. Message, and
Messengers.Grand Rapids. MI: Eerdmans 1985. XIV. 237S. 8'£ 10.95.

I'adilla. C, Rene: El rcinode Dios y la historia en la tcologia Latinoamerieana
(CuademosdeTeologia 6. 1985. 5-12).

Rasmussen. Tarald: Lutherdom og misjonsethos. Om norsk lekmanns-
kristendomiden 19. ärhundre (NTT 86. I985. I69-I83).

Senior. Donald, and C'arroll Stuhlmucllcr: The hiblical Foundations l'or Mission
. Maryknoll. N. Y.: Orbis Books I983.XI.37I S.gr.8'