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Ausgabe:

1986

Spalte:

34-36

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Bossuyt, Philippe

Titel/Untertitel:

Jésus, parole de la grâce selon Saint Luc 1986

Rezensent:

Burchard, Christoph

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Theologische Literaturzeitung III. Jahrgang 1986 Nr. 1

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des neuen Seins darzustellen" (87), ja, sie schütze die z. B. Rom 3,21 f
begegnende Proklamation der Glaubensgerechtigkeit davor, „bloße
These zu bleiben" (72), läßt sich m. E. nur als eine verstiegene und
völlig haltlose Beschreibung des Sachanliegens pln Theologie kennzeichnen
. Wer unterstellt. Paulus gehe es um die „Abwehreines lediglich
worthaften Gottesbegriffes, der sich seiher letzten Gewißheiten
selber beraubt", darum verweise er die Gemeinde an die „erlebte
Wirklichkeit" der Taufe (102), behandelt das pln verantwortete Evangelium
als einen Scheck, der allererst durch eine sakramentale Erfahrung
gedeckt ist.4 Demgegenüber ist daran festzuhalten, daß Pls die
Gerechtigkeit als ein Wort denkt, das Gott spricht (Rom 1,160- Im
Element des Wortes zu Hause, das Tote lebendig macht. Nichtseien-
des ins Dasein ruft und Gottlose gerecht spricht (Rom 4,5.17), gibt
sich die Gerechtigkeit auch nur in der Begegnung mit diesem Wort zu
verstehen. Vf. ist vorzuhalten, was G. Klein bereits 1967 zum Problem
einer hermeneutischen „Alternative von iustitia imputativa und
iustitia cfTicax" geltend machte: „Daß Gottes Urteilsspruch, gemessen
an seinem ständigen Schaffen, ein Dcfizientes sei, kann nur einer
Ontologie so vorkommen, die ihren Wortbegriff vom Modell der
Information bezieht."4 Wo eine Ontologie dieser Prägung das Feld
beherrscht, bedarf das Kcrygma einer sakramental bestimmten Rückversicherung
, verkommt der pln beanspruchte Glaube zu einer
-Aneignungsform des Heilsgeschehens" (101). Alle gegenteiligen
Beteuerungen (/. B. 102) können den Eindruck nicht verwischen, daß
Vf. einem handfesten Sakramentalismus das Wort redet, bei dem die
Taufe auf eine die pln Texte vergewaltigende Manier zum zweiten
Heilsgrund hochstilisiert wird (vgl. in diesem Zusammenhang die nur
absolute Unkenntnis pln Rhetorik verratende Exegese von
!Kor 15,29 [150(1]). So nimmt nicht wunder, daß die neue Existenz
des Christen als eine „durch Christus bestimmte, in der Taufe
begründete (!) und in Gerechtigkeit sich realisierende" Seinsweise (85)
bestimmt werden kann. Dem entspricht die Feststellung, „Gottes
Heilshandeln in und an der Welt" sei zwar (letztlich?) „im Kreuz
begründet, aber nicht auf das Kreuz beschränkt. Es setzt sich fort in
der Taufe, in der Gott selbst den Menschen in sein Heilswerk miteinschließt
" (161). Eine derartige These ist nur möglich, wenn die pln
Diktion in 1 Kor 1.18 verharmlost, das von Paulus pointierte ttpdnat,
des verkündigten Todes Christi (Rom 6.10) überspielt und damit die
Pointe der pln Taufinterpretation von Rom 6,1 ff verkannt wird.
Denn dort differenziert Paulus eben nicht, wie Vf. weismachen will,
zwischen dem Tod Christi und dem Tod des Täuflings (vgl. 82 u. ö.),
sondern er hält, wie E. Fuchs treffend bemerkt, an der „Unwicdcrhol-
barkeit des Todes Christi" fest: „Die Symbolik der Taufe ist gerade
deshalb möglich und nötig, weil nicht zwischen unserem nur angedeuteten
Tod und unserem wahren Tod unterschieden wird, sondern weil
unser Tod vorweg nur sein (sc. Christi) Tod sein kann."''

Was die vorliegende Untersuchung auszeichnet, ist die Konsequenz
der Argumentation. Was ihr fehlt, sind hermeneutische Umsicht und
°be persuasive Kraft der Interpretation.

Marhurg-C'appel Wolfgang Harnisch

Wenn Vf. meint. Teilungshypothesen zu 2Kor mit Berufung auf W. G.
mmol und U. Börse verwerfen zu können, so sollte er diesen Gewaltstrcich
""cht auch noch durch den Rekurs auf Ph. Vielhauer plausibel erscheinen
ssen (vgl. 177 Anm. .76); denn dieser konzediert zwardic hypothetische Eigcn-
dn Jeder litcrarkritischcn Beurteilung dieses Schreibens (vgl. Die Geschichte der
""■christlichen Literatur. 151). plädiert aber schon im Hinblick auf den Sachvcr-
d '• dati in ein und demselben Brief „nicht gleichzeitig Krieg und Frieden herr-
^ben kann (a a o. 152). seinerseits entschieden für den Kompilations-
vbaraktcr der Komposition.

Daß Vf die Thesen der vorzüglichen Untersuchung von E. Güttgcmanns
r den leidenden Apostel ignoriert und auch die für seine Fragestellung
sonders relevante Arbeit von E. Fuchs. Christus und der Geist bei Paulus,
"["erwähnt läßt, ist mehralsbcfremdlich.

Vgl nur U. Luz. Das Geschichtsverständnis des Paulus. 250ff: (i. Schille.
Ie Liebe Gottes in Christi. ZNW 59.1968.2.70fr.

4 Vgl. E. Fuchs. Die Wirklichkeit Jesu Christi, in: E. Fuchs/W. Künneth.
Die Auferstehung Jesu Christi von den Toten. 151: „Der Glaube fragt nicht
zurück, ob er durch einen Scheck im Safe gedeckt ist."

' Gottes Gerechtigkeit als Thema der neuesten Paulus-Forschung, VuF 12,
1967.10.

1 Die Freiheit des Glaubens. 29.

Bnssuyt, Philippe, et Jean Radermakcrs: Jesus Parole de la Gräce
selon saint Luc. I: Texte. 2: Lecture continue. ttruxelles: Institut
d'Etudes Theologiques 1981. 103 S. et 551 S.gr.8'.bfr710.-.

Ein Kommentar für Pfarrer und Rcligionslehrer, aber auch Laien,
die tiefer in die christliche Botschaft eindringen wollen (2, S. 7). also
für ähnliche Leser wie das Neue Testament Deutsch oder die Zürcher
Bibelkommentare (vgl. E. Schweizer. Das Evangelium nach Lukas.
1982; W. Schmithals. Das Evangelium nach Lukas. 1980). Er unterscheidet
sich von den deutschen Seitenstücken aber schon auf den
ersten Blick durch viele Fußnoten mit Fachliteratur, meist auf französisch
, aber nicht nur (man bekommt so schon beim Blättern einen
Eindruck von der Produktivität der französischsprachigen Bibelwissenschaft
, vor der man nur den Hut ziehen kann). Auch sonst machen
die beiden Professoren vom Brüsseler Institut d'Etudes Theologiques
vieles anders.

Die Übersetzung ist für sich geheftet, zum Danebenlegcn. Sie ist
eine Interlinearversion, lexikalisch, grammatisch und syntaktisch so
konkordant wie möglich gestaltet und graphisch durch verschiedene
Schriftarten, Sternchen, Klammern, u. a. mit Hinweisen auf die Textstruktur
, sich wiederholende Stichworte, alttcstamentliche Zitate, Anspielungen
und Ahnliches ausgestattet. Vieles davon ist nützlich,
manches ja auch in deutschen Bibelübersetzungen üblich (Hervorhebung
von Zitaten, Vergleichsstellcn. freilich als Randmasora übersichtlicher
). Ob die Nachbildung der Textoberfläche dem viel hilft,
der kein Griechisch kann (und der. der es kann, sie braucht), wage ich
nicht zu entscheiden. Unproblematisch ist sie nicht. Denn wenn z. B.
6 6 k. dnoxpiüäi r.Im:v (Lk 10.27) «Or ayant repondu. il dit» wird, weil
das Partizip Aorist ist. könnte sich der besinnliche Leser fragen, was
der Schriftgelehrtc Jesus denn geantwortet hat. bevor er das Doppcl-
gebot der Liebe zitierte. Wenn WQptAoo xa) ah noia 6/ioiojQ (10,37)
«/•'rtfv-rm/fe-sans-cessc, et toi. /ä/v-sans-ecsse semblablcmcnt» ergibt
(die Bindestriche zeigen an. daß der Wortkcttc ein einziges griechisches
Wort zugrundeliegt, «sains-cesse» signalisiert Präsens), bekommt
„Geh hin" m. E. zu viel Gewicht; die Exegese (2. S. 287) verstärkt
das dann noch, indem sie das ganze lukanische Weg-Thema
(vgl. die Sperrung) hineinlegt - oder haben sich die Ausleger hier
umgekehrt von ihrer eigenen Übersetzung beeindrucken lassen? Der
Übersetzungsband schließt mit Arbeitsfragen für den Leser (Wozu
schreibt Lukas nach Lk 1.1-4 sein Evangelium? Wer sind die
„Augenzeugen" und „Diener des Wortes"? An welchen ..Gottesfreund
" richtet Lukas sich?), die ich nützlich finde.

Der Auslegungsband fängt an mit einer Einleitung, die die Einlci-
tungsfragen (gemäßigt konservativ: Zweiqucllenthcorie. aber Lukas
ist Lukas, zwischen 80-85 n. Chr. etwa schreibend) und ausführlich
die Grundzüge der lukanischen Theologie darstellt (2. S. 11-82).
Dann folgt die Auslegung, die konsequent redaktionsgeschichtlich
vorgeht und das durch besondere Aufmerksamkeit auf Strukturfragen
unterstreicht. Sic ist nicht fortlaufend, sondern gegliedert in die Abschnitte
der fünf Sektionen des Evangeliums (1.5-4.44; 5.1-9,17;
9,18-17.10: 17,11-21.38; 22,1-24,53), die B. und R. festgestellt
haben (ausführliche Übersicht S. 29-33). Die Abschnitte sind jeweils
eingeteilt in fünf Kapitel, die die Stellung im Kontext des Doppelwerkes
. Komposition und Struktur, den Text selber, seine Botschaft
und theologische Folgerungen behandeln. Kein Literaturverzeichnis,
aber Autorenregister. Verglichen mit NTD und den Zürchern ist das
Ganze eher eine lukanische Theologie mit eingearbeitetem Kommentar
. Die philologische und historische Erläuterung tritt zurück, die
Einzelexcgcse kommt überhaupt etwas knapp wcg(Lk 1,1-4 werden