Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1986

Spalte:

549-550

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Lohse, Eduard

Titel/Untertitel:

Kleine evangelische Pastoralethik 1986

Rezensent:

Winter, Friedrich

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

549

Theologische Literatur/eilung III. .lahrgang 1986 Nr. 7

550

•Itims. Helmut: Moralverkündigung. Aufgaben eines Ethikers heute
(EvTh 46. 1986. 58-46).

Krusehe. Werner: Schuld und Verantwortung(ZdZ 39. 1985.262-265).

Hulies. J, .1.: Ist erlaubt, was möglich ist? Aufgaben einer Ethik der Medizin
(Univ. 4t. 1986. 135-141).

Praktische Theologie: Allgemeines

Lohse, Eduard: Kleine evangelische Pastoralethik. Göttingen: Van-
denhocck& Ruprecht 1985. I86S. 8". Kart. DM 22.-.

Es soll um ..Auftrag und Dienst des Pfarrers" gehen. ..Das Evangelium
bezeugen und glaubwürdigdanach leben, so gut man es vermag."
vi. möchte keine schweren Forderungen aufstellen, sondern fragt:
..Was bedeutet es. Pfarrer in unserer Zeit zu sein, sich den raschen
Wandel der Verhältnisse, in denen wir leben, vor Augen zu rücken
und zugleich (iottes unwandelbare Barmherzigkeit zu verkündigen
?" (7). Aufgrund von vielen Einzelgesprächen, Korrespondenz,
aber auch bisweilen heftigen Diskussionen in Gruppen mit Studenten,
Kandidaten und Pfarrern aller Generationen, auch Pastorinnen, äußert
sieh ein Lehrer und Bischof der evangelischen Kirche zur Sache.
Er will nichts Abschließendes sagen, sondern ist für kritische Rückfragen
offen. Freilich, so wird geistlich begründet: ..Denn für den Auftrag
, dem jeder Plärrer zu dienen hat, gilt das Wort C alvins, nach dem
t hristus in seinen Dienern erkannt und anerkannt sein will - doch so.
daßeralleinderHerrist"(8).

Dreißig Themen kommen zur Sprache: Plärrer. Beruf und Berufung
, Studium der Theologie. Spiritualität. Vikariat. Ordination. Ehe.
f-'emeindc. Gottesdienst. Predigt. Taufe und Abendmahl. Unterricht.
Amtshandlungen. Seelsorge und Diakonie. Gruppen und Kreise. Verwaltung
. Plärrhaus und Familie. Kollegen. Mitarbeiter, Neue Aufgaben
. Fortbildung. Freizeit. Politik. Ökumene. Kritik an der Kirche.
Anfechtungen. Konflikte, Älterwerden. Ruhestand. Zukunft der
Kirche.

Diese Themen, die zu Beginn mehr traditionell, im Fortgang der
Abschnitte jedoch mehr aktuell besprochen werden, sind auf dem
Boden einer soliden lutherischen Kirehliehkeit gewachsen, aber dann
doch auch w ieder allgemein evangelisch ausgefallen. Symptomatisch
lst dafür, daß neben Luther und seinem Kleinen Katechismus auch
Calvin und der Heidelberger Katechismus zitiert werden. An einigen
Stellen schimmert deutlich die Situation der Bundesrepublik durch.
Zumeist aber finden sieh Hinweise, die für'cinc evangelische Kirch-
'ichkeit im deutschsprachigen Raum überhaupt gelten dürften.

Im einzelnen auf sachliche Anfragen einzugehen, ist bei der Fülle
°-r:r Themen nicht möglich. Beobachtungen. Erfahrungen, kritische
und erfreuliche Problemsehilderungen, biblische und theologische Zi-
'atc. Informationen, kirchenjuristischc Sachverhalte, kluge Antworten
, seelsorgerliche und geistliche Hinweise, wenige polemische Auseinandersetzungen
(z. B. mit der Partnerschaft anstelle der Ehe). iele
freundliche Töne, nicht selten „klassisch" wirkende Paränesen eigentlich
zum Schluß jeden Abschnittes: Alles das wechselt bunt miteinander
ab. Es weht eine warme, irenisehe Luft durch das Ganze. Viele
Probleme werden, wie es heute nicht anders geht, ambivalent beantwortet
. Kurzum: Ein überwiegend abgewogenes, kluges und weises
Buch, das zeitgemäß auf F ragen der Existenz des Plärrers nach F unk-
bonen und Person eingehl. Stark wird die Darstellung vor allem dort.
Wo langjährige Erfahrungen des kirchenleitenden Amtes zum Tragen
kommen. So etwas läßt sich sonst kaum in anderer praktisch-theologischer
Literatur ausmachen.

Auf drei Schwierigkeiten soll aufmerksam gemacht werden: 1. Der
Titel bleibt unglücklich. Es geht im Buch nicht nur um ethische
Kragen des Plärrdienstes, sondern um Anmerkungen zu mögliehst
vielen Bereichen des Plärrerlebens. So liegt im Titel eine Engführung
vor, die offenbar nicht in der Intention der Darstellung liegt. Vf. hätte

sonst auch die ethischen Grundprobleme schärfer darstellen und behandeln
müssen; so die grundlegende und heute umstrittene Frage, ob
es ein besonderes Pastoralethos überhaupt gibt. Die mehr indirekt gegebene
Antwort wirkt ambivalent, was gewiß nicht falsch ist. 2. Die
Behandlung der Themen bringt es mit sich, daß stellenweise die Darstellung
von Gemcindeafbcit unter allgemeinen Gesichtspunkten,
Hinweise zum Leben des ..Christen" und spezielle Plärrerprobleme
seltsam miteinander vermischt vorkommen: natürlich zusammengebunden
durch die Erfahrung eines bischöflichen Visitators. Soweit
dabei die Funktionen der Pfarramtsführung zu Wort kommen - z. B.
in den Abschnitten Gottesdienst, Predigt. Unterricht. Amtshandlungen
. Ökumene -. bleiben die Gedanken manchmal doch recht im
Allgemeinen stecken und wirken etwas Undifferenziert. .3. Damit ist
ein methodisches Grundproblem angesprochen: Kirchliches Handeln
wird traditionell unter praktisch-theologischen Aspekten allgemein
abgehandelt, aber dann zugleich auch unter dem speziellen Blickwinkel
des Dienstes des Plärrers. Wie sind die Beziehungen zwischen
praktisch-theologischer und sogenannter „pastorattheologischer" Reflexion
sachlich und methodisch zu verrechnen? Diese Frage ist nach
wie vor nicht völlig geklärt. Sie wird auch in früheren Pastoraltheologien
nicht eindeutig gelöst; z. B. bei Vinet. Harms. Vilmar. Bczzel.
Tcbbe. Im konkreten Fall hätte eine strengere Reduktion auf pastoraltheologische
Hinweise aus der Sieht bischöflicher Erfahrung der
Straflüng gedient und das Cianze noch gewinnender erseheinen
lassen.

( orrigencla: S. 37 - statt Amtsgericht: Angesicht. - S. 176: ..Freuen Sie
sich .. .'*.

Berlin Friedrich Winter

Sehmieder. Tilman, u. Klaus Schuhmacher [Hg.]: Jugend auf dem

Kirchentag. Eine empirische Analyse von Andreas Feige. Ingrid
Lukatis u. Wolfgang Lukatis u.a. Stuttgart: Kreuz Verlag 1985. 318
S. 8". Kart. DM 25,-.

Nach einem Besuchertief von nur 8 000 Dauerteilnehmern bei den
Kirchentagen in Stuttgart 1969 und Düsseldorf 1973 hat der ..Deutsche
Evangelische Kirchentag" (Kirchentag in der BRD) einen rapiden
Aufschwung genommen. Innerhalb eines Jahrzehnts stiegen die
Zahlen auf das I5lächc (Hamburg 1981 118 000. Hannover 198.3
I 14 000), wobei der breite Zustrom von Jugendlichen den Ausschlag
gab. In Hannover waren 66 % der Gesamtteilnehmer junge Menschen
bis 24 Jahre.

Das Phänomen eines derart von der Jugend frequentierten und geprägten
Kirchentages hat viel Beachtung gefunden und zu unterschiedlichen
Deutungen und Spekulationen geführt. (Etwa: Ausdruck
für eine neue Religiosität der Jugend oder Unterwanderung des Kirchentages
durch politische Zielgruppen u. a. ml] Die Arbeitsgemeinschaft
der Evangelischen Jugend in der BRD und Berlin West (aej)
mußte ein vitales Interesse daran haben, über die Motivstruktur, die
soziale Schichtung, die kirchliche Beziehung und Verankerung usw.
der Tausenden jugendlicher Kirchentagsteilnehmcr Erkenntnisse zu
gewinnen. So kam es zu dem vorgelegten Forschungsprojekt einer repräsentativen
Erhebung mittels eines differenzierten Fragebogens, die
ca. I 300 Kirchentagsjugcndlichc erfaßte. Teil I des Bandes
(S. 11-151) betriff] die detaillierte Analyse der Untersuchung. Teil II
(S. I 55-3 10) enthält 12 kommentierende Einzelbeiträge. die auf dem
Hintergrund des Projekts geschrieben wurden.

Hinsichtlich der sozialen Gliederung läßt die Studie erkennen, daß
die jungen Kirchcntagsbesucher „insgesamt zu einem großen Teil die
obere Bildungsschicht repräsentieren" (20). 3.3% haben mittlere
Reife. 39 % Abitur. 10 % sind Studenten, nur 6 % beträgt die Quote
der bereits Berufstätigen, wobei es sieh vornehmlich um Berufe aus
dem Bereich der Sozialarbeit sowie des heilenden bzw. pflcgcrischen
Dienstes handelt. Nur einmal (unter I 300) wird als Berufsbezeichnung
„Arbeiter" angegeben. Es zeigte sieh also, daß auf dem Kirchen-