Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1986

Spalte:

543-545

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Roth, Robert P.

Titel/Untertitel:

The theater of God 1986

Rezensent:

Schwartz, Werner

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

543

Theologische Literaturzeitung III. Jahrgang 1986 Nr. 7

544

Patriarchalisierung fest mit dem vorläufigen Endpunkt einer nekro-
philen androzentrischen Kultur. Was ist passiert? Die ursprünglich
verehrte Göttin wurde vom Vater-Gott entthront; die einst divini-
sierte Große Mutter wird (in der Gestalt der Eva) dämonisiert; die
Geburt des Mannes aus der Frau wird umgekehrt zur Erschaffung der
Frau Eva durch den Vater-Gott Jahwe aus der Rippe des Mannes
Adam; die ursprüngliche Ganzheitlichkeil von körperlichen, emotionalen
, intellektiven Erfahrungen wird - vornehmlich Sexualität
abwehrend und perverlierend - vergeistigt und auf die technologisch-
istrumentelle Vernunft (des Mannes) zugespitzt: „Nach der Reformation
im 16. Jahrhundert können wir heute eine Transformation im
kommenden Jahrhundert erwarten, im Rahmen derer die angedeuteten
Polarisierungen und Dualismen einander entgegenwachsen als
Polaritäten innerhalb einer spannungsvollen und fruchtbaren Einheit,
die sie zusammenhält" (47). - (3) Dieser Diskussionstext führt gerade
den Interessenten/die Interessentin ein in die laufende Diskussion um
das ..Vaterbild als Gottesbild": v ielleicht gelingt manchen von hier
der Einstieg gut, weil Frau Halkes auch Reaktionen einiger männlicher
Theologen auf den feministischen Prozeß einbezieht (51 Ff).
Dabei fällt das Stichwort von einer ..postpatriarchalischen Zeit" (61).
das auf die neue Stellung der Frauen (und Männer), auf die neue transformierte
Gesellschaft hinweist, wofür Feministische Theologie
momentan entsprechende Symbole zu entwerfen versucht: weder
(iott noch allein Göttin, sondern das Göttliche als Energie und Kraft,
als das „Allermitteilsamste" (D. Solle), als "Being" (M. Daly). Wir
sind auf dem Weg zu neuen Gottesnamen und Gottcsbi klein (76). -(4)
Zur Mariologie (81 IT): Die ..Befrciungsmariologic" bringt eine Neubewertung
des Symbols Maria in beiden Kirchen als auch „ein neues
Selbstverständnis von Frauen . . .: autonom (wie relativ auch immer),
kritisch schöpfend und mit einer positiven Wertschätzung der weiblichen
Körperlichkeit, der menschlichen Sexualität und unserer
Emotionalität" (97). -(5) Frau Halkes stellt die klassischen vier Verhältnisbestimmungen
von Frau und Mann vor: Unterordnung (z. B.
Eph 5.23; Gen 3; K. Barth: KD HI/4, 82IT): Zuordnung als Polarität
(Romantik: Gertrud von le Fort: Frau als Supplement des Mannes):
cgalitär-emanzipatorische (abstrakte) Gleichheit incl. Gleichrangigkeit
(Lehmann), Partnerschaft (LKD: Beinert)als letztlich doch duale
Anthropologie; und schließlich das transformative kritisch-feministische
Modell der Ncuwerdung (lOOfT). -(6) Feministische Theologie
schließt als „Lebenshaltung" authentische Lebensformen, ein neues
Lesen der Bibel, neue Gcmeindemodelle. eine neue (die professionell-
versorgerische ablösende) Pastoral ein (131 II). Hier müssen wir noch
mehr an Konkretionen erwarten, an kritischer Problcmalisierung der
Inslitutionalisierbarkeit und strategischen Organisierbarkeit Feministischer
Theologie in unserer nekrophilen, sich sperrenden Gesellschaft
. - (7) Diese Frage nimmt Frau Halkes auf in ihre Vision von
einem „Fest der Umformung", dem Pfingstfest mit der Ausgießung
der Heiligen Geistin als der Mutter aller Glaubenden und als aller
unserer Weltgescllschaft und Mitwelt (Natur) im Namen des Messias
Jesus von Nazarcth Transformierende.

Die Optionen Feministischer Theologie werden klar vorgestellt; die
eigene Offenheit und Verletzlichkeit, das Suchen und Experimentieren
halten sich bis in den Stil hinein durch; die feministisch-
christliche Parteilichkeit sowohl der klassischen Theologie als auch
den radikal-feministischen postchristlichen Kolleginnen (und Kollegen
) gegenüber kommt informativ und disputativ zum Zuge - ein sehr
empfehlenswertes Arbeitsbuch einer der namhaftesten Vertreterinnen
f eministischer Theologie in Westeuropa.

Rehburg-Loccum Uwe Gerber

Roth, Robert Paul: The Theater of God. Story in Christian Doctrines.
Philadelphia. PA: Fortress Press 1985. X. 191 S. 8". Kart.
S 10.95.

Dutzende von Büchern sind in den letzten beiden Jahrzehnten im
deutschen und englischen Sprachbereich erschienen, die die Möglichkeiten
und Grenzen einer narrativen Theologie auszuloten versuchen.
Sie alle gehen zurück auf die einfache Beobachtung, daß die Grundstruktur
biblischer Überlieferung erzählend ist. Berichtet wird die
itory, die (Iott mit dieser Welt und den Menschen hat. wie Israel und
die Kirche sie überliefert haben.

Robert Paul Roth, systematischer Theologe am Luther Northwestern
Theological Seminary in St. Paul. Minnesota, hat schon in
früheren Veröffentlichungen dieser Beobachtung die andere zur Seite
gestellt, daß alle Wirklichkeit nur v/o/r-gebunden wahrgenommen
werden kann, weil sie in ihrem Grund s/on -haft ist. Im vorliegenden
Buch entfaltet er seinen Entwurf systematisch und wendet sich dann
der Frage zu, was mit der christlichen Dogmatik geschieht, wenn die
Kategorie story die üblichen philosophischen Grundbegriffe ersetzt,
die das Fundament christlicher Theologie bisher bildeten, w ie also die
Lehre von der Schöpfung, der Erlösung, von Christus, von der Trini-
tät. der Taufe, der Kirche, der Bibel, der Predigt, der Eucharistie, vom
Dienst des Christen in der Welt und von der Eschatologie zu reformulieren
sind in Begriffen einerv/o/ r-Theologie.

In drei grundlegenden Kapiteln werden Methodologie. Hermeneutik
und Ontotogie einer smn-Theologie entworfen. Anstelle einer
präzisen Definition steht zu Beginn eine eher vage Umschreibung:
". . . what is the category of story? 1t is simple . . . We all know what
stories arc. They have beginnings and endings. They are sequential
occurences in places and limes. They have persons in the drama who
act and are acted upon. There are props or settings which support,
shape. and limit die action and passion of the story. There arc plots
with antieipation. conllict. climax. and resolution. Everybody and
everything has ists story. Story ist the nature of reality. Rcality is
story." (X)

Da die Wirklichkeit vmn-haft ist. kann allein eine narrative Hermeneutik
einen adäquaten Zugang zu ihr erschließen. Im Anschluß
an die hermeneutischen Arbeiten von E. Fuchs, G. Ebeling, C. Levi-
Strauss, P. Ricceur, N.Chomsky u.a. entwirft Roth eine Hermeneutik
, deren Zentrum die Kategorie story ist. Zu ihren Vorzügen
gehört es. daß sie zwischen fundamentalen Widersprüchen zu vermitteln
vermag und sie zu Paradoxa umformuliert, mit denen man leben
kann (I I). So kann sie der paradoxen Wirklichkeil mit ihren unausgeglichenen
Ciegensätzen optimal gerecht werden (37. 96), besser als
alle bisherigen philosophischen Kategorien und Schemata.

Sic kann die drei Bereiche der Wirklichkeit, den Bereich des
Empirischen und Historischen, wahrnehmbar durch die Sinne, den
Bereich der Gedanken, wahrnehmbar durch den Geist, und den transzendenten
Bereich der Offenbarung, wahrnehmbar durch den Glauben
(40). umfassen und Verbindungen zwischen ihnen erschließen.
Mit ihrer Hilfe läßt sich der zeitlichen Qualität der Wirklichkeit
Rechnung tragen. Alle anderen Versuche, die Wirklichkeit ZU
beschreiben mit Begriffen von Idee. Substanz, Sinneseindruck. Prozeß
etc. sind reduktionistisch. Sie verlieren bei ihrem Versuch, die komplexe
Wirklichkeit auf einzelne Elemente zu reduzieren, wichtige Bereiche
der Wirklichkeit aus dem Blick (I 74).

Nimmt man Störy als den Grundbegriff der Theologie, dann lassen
sich ihre einzelnen loci mit seiner Hilfe neu fassen. Roth rekonstruiert
zentrale Inhalte der jüdisch-christlichen Überlieferung in der W eise,
daß sie als Teil-stories vier alles umspannenden story dargestellt werden
, in derdie Welt die Theaterbühne abgibt für das erschaffende und
erlösende Handeln Gottes an den Menschen. AT und NT sind nicht
voneinander getrennt, das Kommen Jesu ist die Klimax, in der sich
allecerfüllt, was vorangegangen ist (75).

Roth zeigt, wie seine vfwi-Thcologic, weil sie einander widersprechende
Züge zusammenzuhalten vermag, die Schwierigkeiten
überwindet, in die die alten konfessionell-dogmatischen Formulierungen
geführt haben. Am Beispiel der C'hristologie und Trinitäts-
Ichre: Christus ist ganz (iott in der verborgenen Wirklichkeit der
Priniläl. und er ist ganz Mensch in der geollenbarten Wirklichkeit
Jesu von Nazarcth. und beide Aussagen sind vereinbar, wie in einem
Schauspiel dieselbe Person zwei Rollen spielen kann (961).