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Ausgabe:

1986

Spalte:

540-542

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Titel/Untertitel:

Bonhoeffer-Studien 1986

Rezensent:

Schjørring, Jens Holger

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Theologische Litcraturzeitung 111. Jahrgang 1986 Nr. 7

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das christliche Kunstschaffen in Afrika südlich der Sahara gegeben.
Kompetente Abhandlungen über Kunst in Afrika1 berücksichtigen
dieses kaum. In gewissem Sinne leistete A. Lehmann eine Pionierarbeit
, die Kunst der jungen Kirchen bei uns bekanntzumachen.2

Das Einleitungskapitel des vorliegenden Bandes gibt einen Überblick
über Problematik und Geschichte der christlichen Kunst in
Schwarzafrika. Unter ,,christlicher Kunst*' verstehen die Autoren,
daß sich Kunst oder Kunsthandwerk mit christlichen Themen befaßt,
denn Kunst selbst ist ja weder christlich noch antichristlich (S. 9).
..Kunst*" meint hier bildende Kunst (vor allem Plastik und Malerei),
wobei die Grenze zum- Kunsthandwerk oft schwer festzustellen ist.
Außerdem wird die Architektur im Schlußkapitel an Hand von Beispielen
für Kirchenbaukunst (einschl. Nordalrikas)einbezogen.

Zur Auswahl der Bilder und Texte heißt es (S. 8). daß vor allem
solche Kunstwerke von Afrikanern berücksichtigt wurden, in denen
christliche Wahrheiten und Wertvorstellungen mit Hilfe afrikanischer
Formen ausgedrückt werden. Afrikanische Künstler, die ganz ..westlich
" arbeiten und oft einen höchst individualistischen Stil haben (wie
Ben Enwonwu aus Nigeria, von dem bekannte Schnitzwerke wie z. B.
die Türen der Residenz des päpstlichen Nuntius in Lagos stammen),
wurden nicht weiter behandelt und werden zu Recht in den Bereich
der Kunstgeschichte verwiesen.

Die Autoren (Text: J. F. Thiel. Ethnologe. Fotos: IL Hell) haben in
jahrelanger schwieriger Sammeltätigkeit das Material zu dem vorliegenden
Band zusammengetragen, und man kann ihnen bescheinigen,
daß ihnen eine repräsentative Auswahl gelungen ist. Sie stützen sich
vor allem auf das katholische Kunstschaffen in Afrika, das allerdings
auch viel umfangreicher und vielfältiger als das protestantische ist.
weil die katholische Kirche einheimische Künstler mehr fördert (z. B.
Organisation von Ausstellungen) und auf die darstellende Verkündigung
größeren Wert legt (z. B. Heiligenbilder. Kreuzwegstationen,
liturgische Geräte). Auch werden einige Beispiele aus den unabhängigen
afrikanischen Kirchen angeführt (S. 229, 277). Darüber hinaus
findet in einem besonderen Kapitel die in Afrika einmalige, weit in die
Geschichte zurückreichende Kunst der äthiopischen orthodoxen Kirche
breiten Raum.

Im Einleitungskapitel setzen sich die Autoren weiterhin mit der
schwierigen Problematik ..Christliehe Mission und Kunst", die in den
größeren Zusammenhang von Evangelium und Kultur gehört, auseinander
. Den christlichen Kirchen ist oft vorgeworfen worden, traditionelles
afrikanisches Kunstgut. das bis auf wenige Ausnahmen höfischer
Kunst keine „Part pour Part", sondern eine religiöse Kunst war.
vernichtet zu haben und damit am Niedergang der traditionellen Kulturen
Afrikas schuld zu sein. Doch gibt es dafür noch weitere Gründe,
die im Vorwort genannt werden: den Wandel in der Ökonomie, der
Sozialstruktur, der politischen Organisation; den Erwerb neuen
Wissens; neue Religionsformen - wozu auch der Islam gehört (der vor
allem in Westafrika und an der ostafrikanischen Küste seit dem
10. Jh. verbreitet ist. was auf S. 1 5 u. 21 anschaulich dargestellt wird),
der ja bckanntcrwcisc die Darstellung des Menschen verbietet. Ein
weiterer wichtiger Faktor wird nur am Rande (z.B. S. 158, 212)
erwähnt, nämlich die Kolonialherrschaft. So wurden beispielsweise
bei der britischen Kolonialexpansion 1897 wertvolle Kulturgüter in
Benin vernichtet. Während die britische, zum Teil auch die belgische,
Kolonialpolitik der ..indirekten" Herrschaß unter Verwendung traditioneller
Machtstrukturerl gewisse Freiheiten auch auf künstlerischem
Gebiet zuließ, wollten die Franzosen und Portugiesen die Afrikaner
assimilieren, so daß eine christliche afrikanische Kunst nicht nötig
war. Erst mit der Erringung der staatlichen Selbständigkeit (für die
Mehrheit der afrikanischen Staaten seit i960) setzt eine bewußte
Rückbesinnung der afrikanischen Völker auf eigene traditionelle
Werte ein. auch auf dem Gebiet von Kultur und Kunst - dieser Aspekt
wurde von den Autoren leider vernachlässigt. Doch heben sie die besondere
politische Rolle der Kunst im südlichen Afrika hervor, wo
sich die Schwarzen in ihrem Kampf gegen die Apartheid mit den Leiden
Christi identifizieren. Besondersaussagekräftig sind in diesem Zusammenhang
die Linolschnitte des südafrikanischen Künstlers
Azariah Mbatha (geb. 1941), auf denen Christus mit einer schwarzen
und einer weißen Gesichtshälfte und mit einer weißen und einer
schwarzen segnenden Hand dargestellt ist (vgl. die Abbildungen auf
S. 281 u. 283), denn erstarb für beide, für Schwarze und Weiße.'

Der vorliegende Band will kein Geschichtsbuch sein, dennoch ist es
zu begrüßen, daß für das Kunstverständnis notwendige historische
Zusammenhänge dargestellt werden: die Geschichte und Verbreitung
des Christentums in Afrika im Überblick (S. 1411) und die Geschichte
der jeweils behandelten Region Afrikas.

Außer den schon erwähnten Kapiteln über Äthiopien und den Kirchenbau
enthält das Buch folgende Kapitel: das alle Kongoreich
(Schwerpunkt: Kruzifixe, Grabsteine); Nigeria und das Zentrum von
Oye Ekiti: Westafrika (Bronzen. Statuetten. Ton und Keramik vor
allem in West-Nigeria, in der Volksrepublik Benin, in der Elfenbein:
küsle und in Ghana); Zentrales Afrika (Kamerun. Kongo. Zaire.
Angola); Südliches Afrika; Ostafrika. In Afrika sind die produktivsten
Gebiete für Schnitzerei West- und Zentralafrika, w ährend in Ostafrika
nur wenige Völkerschaften herausragen, z. B. die Makonde in Tansania
und Mocambique. In Westafrika sind es vor allem die in Südwest-
Nigeria beheimateten Yoruba. bei denen die Plastik eine lange Tradition
hat. die daher auch in dem vorliegenden Band einen breiten
Raum einnimmt. Ausführlich wird der künstlerische Ertrag besehrieben
, den das 1947 von Pater Kevin Garroll in Oye Ekiti im Osten des
Yoruba-Landes gegründete Zentrum hervorgebracht hat. Dort sollte
das reiche Kunstschaffen der Yoruba in der Arbeit der Kirche integriert
werden. Auch nichtchristliche afrikanische Künstler (z. B. ein
Heide und ein Muslim) haben dort hervorragende christliche Kunstwerke
geschaffen, vor allem auf dem Gebiet der Schnitzerei, aber auch
in verschiedenen Kunsthandwerken wie Weberei, Perlenstickerei und
Lederverarbeitung. In den folgenden Kapiteln werden weitere christliche
Kunstschulen und Produktionszentren christlicher Kunst vorgestellt
, so unter anderen Saint Luc und Kahcmba in Zaire (S. 22411).
Cyrenc (bei Bulawayo mit dem bekannten verkrüppelten Künstler Sam
Songo) und Serima in Simbabwe (S. 24611). Rorkes Drift in der Südafrikanischen
Republik (S. 28211). Besonders beeindruckend ist das
moderne vielfältige Kurtstschaffen in der SAR (S. 25811). das im Unterschied
zu den anderen Regionen Afrikas in großem Umläng auch I lo'.'-
und Linolschnitte, Gemälde. Zeichnungen und Radierungen umfaßt.

Bei dem reichhaltigen vorliegenden Material kann in dieser Besprechung
nicht auf alles eingegangen werden, z. B. auf Kunststile.
Themen und Material der Kunstwerke und auf die Architektur. Eine
ausführliche Bibliographie beschließt den Band, der allen an Afrika
Interessierten, besonders Theologen und Kunstwissenschaftlern,
wärmstensempfohlen sei.

I lalle (Saale) Irmtraut! Heims

1 Iskusstvo narodov Al'riki. Moskva 1975; E. Leitzingen, Africa - The Art Ol
the Negro Peoples. Baden-Baden '1960: W. Tagg. The Art of Western Africa;
The Art of Central Africa. Unesco 1967; F. Willen. Africa n Art. New York and
Toronto 1971.

2 A. Lehmann. Die Kunst der jungen Kirchen. Berlin 1955: ders.. Afroasiatische
christliche Kunst. Konstanz 1967.

1 Vgl. Th. Sondermeier, Südafrikanische Passion. Berlin 1979.

Systematische Theologie: Allgemeines

[Bonhoeffer:] Bonhoeflfer-Studien. Beiträge zur Theologie und
Wirkungsgeschichte Dietrich Bonhoeffers. Im Auftrage des
BonhoelTer-Komitees beim Bund der Eväng. Kirchen in der DDR
hg. von A. Schönherr u. W. Krötke. Berlin: Evang. Verlagsansialt
1985. 212 S. 8". Lw. M 11.50.

Der Aufsatzband dient einem doppelten Zweck: Zum einen will er
..Deutungsversuche" vorlegen, also die wissenschaftliche Interpretation
und Verwertung von Bonhoeffers Text ein Stück vorantreiben: