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Ausgabe:

1986

Spalte:

518-519

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Jones, R. Tudur

Titel/Untertitel:

The Great Reformation 1986

Rezensent:

Wendelborn, Gert

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517 Theologische Literaturzeitung III. Jahrgang 1986 Nr. 7

sieh gegen die Griechen, der Mitwirkung des Papstes gedachte man
nicht" (36). Auch deradoptianisehe Streit wird nur von der Politik her
gedeutet: Der adoptianisehe Streit gab der fränkischen Reichskirche
und Karl selbst kurz nach dem nieänischen Konzil Gelegenheit, sieh
ihrerseits als Hüter des Glaubens - des ehristologisehen Dogmas-aus
eigener Kraft und über die Grenzen des Frankenreiches hinweg zu
erweisen" (38). Das theologische Problem wird nicht erläutert, ein
Zusammenhang mit der Verurteilung des Bilderdogmas wird nur vom
Politischen Zusammenhang her gesehen. Die Frankfurter Synode 794
wird interpretiert: ..Karl halte den Papst tatsächlich unter seine und
der fränkischen Kirche Autorität gezwungen" (39). Freilich behauptete
der Papst ..prinzipielle Positionen" (39). Die theologischen Zusammenhänge
hätte man in einer Anmerkung nennen können (Die
Kirche in ihrer Geschieht«. Feil F. Döttingen 1961. 2. Aull. 1976.
S. 56-61).

Die dramatischen Vorgänge in Byzanz und Rom an der Jahrhundertwende
lieben Alkuin in einem Brief an Karl 799 von einem Imperium
Christianum reden(48). Doch von dieser Formulierung ..führt
kein gerader Weg zum Kaisertum Karls des Groben" (49). Nur indirekt
hat diese universale Sicht den Boden mit bereitet. Der aus Rom
vertriebene Papst fand Zuflucht bei Karl. Dieser fühlte sich über die
Grenzen seines Reiches hinaus zuständig auch für Spanien und das
Heilige Land, doch ..nichts deutet darauf hin. clab er die kaiserliche
Würde erstrebt hat" (50). Möglicherweise hat man aber ..schon in
Paderborn die Übertragung der Kaiserwürde an Karl als die Lösung
aller rechtlichen und politisch-theologischen Probleme erörtert und
grundsätzlich akzeptiert" (52). Mosaiken Papst Leos III. im Lateran
zeigen seine Sicht (54-51). Das Umschlagbild und die Tafel S. 50/51
zeigen den erhöhten Petrus zwischen Papst Leo und König Karl. Die
Kaiserkrönung wird zunächst nach dem Bericht der Lorscher Anna-
len dargestellt (600. danach kommen der Libcr pontiliealis und die
Keichsannalen /u Wort, und erst ganz zuletzt die spätere Darstellung
Einhards. So kommt es zu einem klaren Ergebais: Man ..wird einräumen
müssen, dab Karl durch den Empfang mit kaiserliehen Ehren am
23. November vorbereitet sein mubte. dab man eine Krone nicht
vinem Ahnungslosen überstülpen kann, dab eine Akklamation der
Abrede und Einübung durch viele bedurfte und dab man Karl eine
Unerhörte Naivität unterstellen müßte, wollte man annehmen, er
''Hein habe von allen Vorbereitungen nichts gemerkt" (76). Karl blieb
uen ganzen Winter in Rom. 5 Monate lang, was ..die Übernahme der
uneingeschränkten Herrschaflsrechte an diesem Ort ausdrückte" (80).
I" Byzanz verstand man die Vorgänge kaum; derChronist Theopha-
ncs berichtet von einem Heiratsantrag Karls an die Kaiserin Irene,
■■sicher der abenteuerlichste Gedanke, der im Zusammenhang mit
Karls Kaisertum je aufgetaucht ist" (85). Man fand 803 einen Modus
vivendi. ..Verhandlungen wurden nicht fortgeführt, aber es gab auch
keinen Krieg" (87). Papst Leo III. kam 804 ins Frankcnreieh. er
■stand unter dem Kaiser und wurde wie der vornehmste unter den
Bischöfen des Frankenreiches behandelt" (91). Erst 815 ..war das
Kaisertum der Karolinger auch von Byzanz und damit von aller Welt
unerkannt" (96). Ganz kurz wird der Streit um das filioque erörtert
'y8f). Die Kaiserkrönung Ludwigs des Frommen durch seinen Vater
Karl folgte byzantinischem Vorbild. Man erkennt ..deutliche Züge
lencr Art der Mitkaiserkrönung in Konstantinopel, bei der der Hauptkaiser
selbst dem Mitkaiser die Krone aufsetzte" (100). Dennoch ver-
'■el das karolingisehe Kaisertum rasch. Auf lange Sicht wirkte es aber
nach: Roms Verbindung mit dem Frankcnreieh und dessen Nachfolgestaaten
heb sich nicht auf die Dauer wieder lösen: das ist das weltgeschichtlich
wichtigste Ergebnis des Zusammenwirkens zwischen
Karl und den Päpsten . . . Uber tausend Jahre nach Karls Reichsgründung
lebt im Westen ein Kaisertum . . ." (102). Dem Verlag und den
Herausgebern ist zu danken, dab sie diese geschlossene Arbeit noch
"-'initial posthum vorgelegt haben.

Rostock Gert Hacndlcr

518

Zimmermann, Harald: Papsturkunden 896-1046. 2. Bd.: 996-1046.
Wien: Verlag der österr. Akademie der Wissenschaften 1985. III.
S. 637-1 182. 4". = Österreichische Akademie der Wissenschaften
Philos.-hist. Klasse Denkschriften. 177. Veröffentlichungen der
Historisehen Kommission. IV. öS 770.-: Lw. öS 900.-.

Über Band I der Papsturkunden 896-1046 war in ThLZ I 10. 1985.
616f berichtet worden. In Band II liegen dieselben Probleme vor: Die
Echtheit v icler Urkunden ist umstritten, manche Überlieferung ist als
Fälschung sicher erkannt, oft sind die Originale verloren, man muß
mit Interpolationen rechnen, manche Fragen müssen offen bleiben.
Es wird jedoch über jede Urkunde ausführlich informiert und klar
Stellung genommen. Es handelt sieh um Urkunden von folgenden
Päpsten: Nr. 326-365 von CiregorV. (996-999). Nr. 366-407 von
Silvestern. (999-1003). Nr. 408-442 von Johannes XVIII.
(1003-1009). Nr. 44.3-463 von SergiusIV. (1009-1012).
Nr. 464-549 von Benedikt VIII. (1012-1024). Nr. 550-597 von
Johannes XIX. (1024-1032). Nr. 598-623 von Benedikt IX.
(1032-1045) sowie Nr. 624-6.30 von Gregor VI. (1045-1046). Mit
einer gefälschten Urkunde vom 13.4. 1046 bricht die Sammlung ab.
die Synode von Sutri Ende 1046 kommt nicht mehr in den Blick.
Leider fehlen die erhofften Register. Ein Ottsregister hätte zeigen können
, wie weit der geographische Rahmen gezogen ist. Der Schwerpunkt
licet in Italien; Frankreich und England kommen mehrfach
vor. seltener Spanien und Polen. Unter den deutsehen Städten wird
Magdeburg am häufigsten genannt mit 5 Urkunden. Die Nummern
473. 547 und 567 sind echt, die Nummern 412 und 472 sind
Fälschungen. Die Verlegung des Bistums Zeitz nach Naumburg 1028
wurde von Papst Johannes XIX. bestätigt in einer echten Urkunde
Nr. 581. während eine spätere Bestätigung in Urkunde 596 verfälscht
ist. obwohl sie inhaltlieh kaum von Nr. 581 abweicht. - Der zügige
Abschluß der Edition bei gleichbleibend hoher Qualität ist erfreulieh
. GH.

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Jones, R.Tudur: Ehe Great Reformation. Front Wyclifto Knox- two
eenturies that changed the course of hislory. Leieester: Inter-Varsitv
Press 1985. 288 S. kl. 8-. Kart. £ 3.95.

Der Titel ist insofern irreführend, als reformatorische Bestrebungen
im Mittelalter eingangs nur summarisch behandelt werden Im
wesentlichen handelt es sich bei diesem Buch um einen Abrib der
Reformation des 16. Jh. in ganz. Europa. Darin, dab wirklich ganz
Europa erlabt ist. liegt der eigentliche Reiz des Taschenbuches. Der
deutschsprachige Lutheraner erfährt über Luthers Reformation hier
kaum Neues, und die Behandlung ist zwar wie in allen 38 Kapiteln
sachlich und fair, bewegt sich aber durchweg in den traditionellen
Bahnen. Um so erhellender ist der durch die Nebeneinanderstellung
der Vorgänge in vielen Ländern sieh geradezu aufdrängende Vergleich
. Vf. verfolgt in der Tat die Absicht, die europäische Reformation
des 16. Jh. gerade in ihrer Vielgestaltigkcit erkennbar werden zu
lassen, so gewib er auch um Gemeinsames weib. Als nüchterner
Historiker englischer Schule, der sich, wie das beigelügte Literaturverzeichnis
ausweist, ganz primär auf englische Literatur und nur in Einzelfällen
auf englische Übersetzungen deutschsprachiger Klassiker
stützt, weil.) er. wie sehr sich diese Vielgestaltigkeit aus den sehr differierenden
objektiven Bedingungen ergab, unter denen die Reformation
zu realisieren war. Aber in wünschenswerter Deutlichkeit treten
auch die sehr ins Gewicht fallenden Glaubensunterschiede der einzelnen
Flügel der Reformation sowie die Spannungen innerhalb dieser
Flügel selbst hervor.

Es gelingt dem Vf. recht gut. die Eigenart so grober Reformatoren
wie Zwingli. Bueer. Melanehthon und C alvin herauszuarbeiten. Die
Reformation in deutschsprachigen Städten wird gut an den Beispielen