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Ausgabe:

1986

Spalte:

510-511

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Pobee, John S.

Titel/Untertitel:

Persecution and martyrdom in the theology of Paul 1986

Rezensent:

Kleinknecht, Karl Theodor

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Theologische Literaturzeitung III. .lahrgang 1986 Nr. 7

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Vier Studien versuchen, je auf ihre Weise, die Forschungssituation
im Blick aufdif einzelnen Evangelien zu charakterisieren. ..Probleme
des Markusevangeliums" verhandeil Martin Heagel. F.r konstatiert
einerseits ein Wiederaufleben des litcrarkritischen Forschungsansatzes
- vor allem in neueren deutschen Kommentaren - andererseits
eine Tendenz zu einen rein redaktionsgeschichtlichen Betrachtungsweise
- so in den USA - und plädiert demgegenüber für einen
Mittelweg: Das Mk-Ev sei eine theologisch klug disponierte ,,dramatische
Erzählung" (226) von einer für antike Verhältnisse „durchaus
respcktable(n) Traditions- und Geschichtstreue" (233). die den keryg-
matischen Gegenwartsbezug, „die unmittelbare Anrede an den Leser
oder Hörer", keineswegs vergißt (236). Auch H. möchte im Mk-Ev
den Niederschlag petrinischer Tradition sehen; andererseits läßt er
hinsichtlich der Thesen von Stuhlmacher und Guelich über die Prägung
des Mk-Ev durch das petrinische Evangeliumsverständnis und
über Apg 10.36-43 als traditionsgeschichtlichc Brücke deutliche
Skepsis erkennen (bes. 260IT). - Hengeis Assistent R. Feldtrteier
steuert einen kurzen ergänzenden Aufsatz „Die Darstellung des
Petrus in den synoptischen Evangelien" bei. der zeigt, daß das marki-
nische Petrusbild ungleich konturenschärfer ist als das der Seitcn-
referenten.

Graham Staitkm schreibt über "Matthew as a Creative Interpreter
of the Sayings of Jesus". Mt erweist sich - so die vor allem an
Ml I 1,28-30 und 25.31-46 exemplifizierte Grundthese-auch da, wo
er Jesusworte ausgestaltet, erweitert und in neuen Kontext setzt, als
schöpferisch, jedoch nicht als innovatorisch (286); er wirkt nicht als
Prophet, der aus geistgewirkter Vollmacht neue Jesusworte einbringt,
sondern als Exeget. der die gegebenen Jesusworle für seine Gemeinde
deutend entfaltet. - I. Howard Maisliall ("Luke and his 'Gospel"*)
Plädiert für die grundlegende Einheit des lukanischen Doppelwerkes:
Lk wollte dessen ersten Teil keineswegs einer vorgegebenen Gattung
••Evangelium" anpassen, für ihn waren die Werke seiner Vorgänger
Picht „Evangelien", sondern Berichte (307). In diesem Sinn muß sein
Werk als ebenso literarisch wie theologisch motivierte Gcschichts-
cr/ählung gelten. - Dcrjohannciseh.cn Frage wendet sich James D. G.
Dunn ("Let John be John. A Gospel for its Time") zu. Es gilt, den
besonderen theologiegeschichtlichen Ort des Joh-Ev zu erkennen,
nämlich die Auseinandersetzung mit dem Judentum des ausgehenden
'•Jhs. auf der Basis einer konsequent weisheitlichen Sohn-Gottes-
s hristologie. Die zentrale Frage ist dabei, wie sich die Christologie mit
dem jüdischen Monotheismus vermitteln lasse. Rätselhall bleibt
dabei das Verhältnis zwischen Freiheit gegenüber der Jesustradition
und Bindung an sie.

Einen patristischen Aspekt steuert Luise Abramowski („Die .Erinnerungen
der Apostel' bei Justin") bei: Justin habe den Titel „Erinnerungen
der Apostel" geprägt „aus Gründen antignostischer Polemik"
und ihn nicht etwa aus der apologetischen Praxis in die Diskussion
mit den Gnostikcrn übernommen (352); eine Evangelienharmonie in
Buchform waren die Mcmorahilien jedenfalls nicht (353).

•.Unbekannte Jesusworle" untersucht Olfried Hoflus mit dem über
Joachim Jeremias' gleichnamiges Buch hinausführenden Ergebnis,
daß es allenfalls 9 Agrapha gibt, gegen die weder inhaltlich noch über-
licl'erungsgcschichtlich gewichtige Bedenken bestehen, und daß es von
diesen wiederum nur 4 gibt, gegen die sich keine begründeten über-
'iel'erungsgeschichtlichen Einwände erheben lassen (Lk 6.5 D;
ThEv82; Hieronymus. In Ephes. 5,2; p Oxyrhynchus 1224). Über
•■Die Evangelien und die griechische Biographie" handelt abschließend
Albrecht Dihle. Er v erweist dabei vor allem auf die Verwandt-
Khafl zwischen den Evangelien und Suetons Kaiscrviten. die. weil
Weder gattungsmäßig noch traditionsgeschichtlich vermittelt, um so
überraschender ist: Erstmals werden hier wie dort „historiographischc
Möglichkeiten eines individuellen Lebensberichtes verwirklieht"
(41 I).

Zumindest einige der gehaltvollen und wichtigen Beiträge dieses
Bammelbandes werden sicher die Diskussion befruchten und weiterführen
. Aber wieweit sich die Absicht des Herausgebers, „der z. T.

richtungslos gewordenen Evangelienforschung einen neuen Impuls zu
geben" (V). allgemein wird durchsetzen können, muß offen bleiben.
Die hier vorgelegten Beiträge sind sicher repräsentativ für einen breiten
, von einem theologischen Grundkonsens bestimmten Sektor exegetischer
Forschung. Außerhalb) dieses Konsenses stehende, aber für
die heutige Evangelienforschung ebenfalls repräsentative Stimmen
vermißt man jedoch. Aber auch innerhalb dieser relativ homogenen
Gruppierung vermag die Gleichgerichtethcit der Forschungsintention
nicht über die z. T. fundamentalen Differenzen in fundamentalen
I ragen (z. B. Bewertung von Quellenkritik und Formgeschichte)
hinwegzutäuschen.

Erlangen Jürgen Roloff

Pobee. John S.: Persecution and Martyrdoin in the Theology of Paul.

Sheffield: JSOT Press 1985. X. 155 S. 8" = Journal for the Study of
the New Testament Suppl. Series, 6. Kart. £ 8.95: Lw. £ 18.50.

Der u.a. in Cambridge ausgebildete, jetzt an der University of
Ghana lehrende Neutestamentler. selbst Glied einer noch unlängst
verfolgten Kirche, unternimmt in seinem kleinen, aber matcrial-
reichen Buch einen sehr konsequenten Deutungsversuch der pauli-
nischen Aussagen zum Thema .Leiden' auf dem Hintergrund der
Märtyrertheologie desantiken Judentums.

Auf eine einleitende Orientierung über 'Forms of Persecution
Mentioned or Alluded to in the Pauline Literature' (I -12) mit rechts-
und kulturgeschichtlichen Grundinformationcn folgt zunächst eine
Skizze dieses Hintergrundes: 'Towards a Theology of Martv rdom in
Judaism' (13-46). Quellengrundlage sind (neben einzelnen Belegen
aus Targum und rabbinischer Literatur) das Buch Daniel und fast alle
einschlägigen zwischentestamentlichen Schriften; deutlich im Vordergrund
des Interesses stehen jedoch solche Texte, die sich auf die
Verfolgungen und Martyrien der Makkabäerzeit beziehen, "within
which the normative theology of martyrdom in Judaism appeared"
(23). Sichtbar wird zum einen das Profil des Märtyrers als eines
Eiferers für Gott (bzw. die Theokratie). der Leiden und im Extremfall
den Tod auf sich nimmt, überzeugt von Gottes Omnipotenz und
Transzendenz, zum anderen das Spektrum von Erklärungsversuchen
des Leidens im Sinne einer "Thcodicy of Martyrdom" (34): 1 eiden als
Züchtigung, als Opfer, als Anwartschaft auf eschatologischen Lohn
bzw. Vergeltung, als Teil messianischer Wehen oder eines kosmischen
Kampfes.

Unter der Übcrschrill 'The Scandal of the Gross of Glory' (47-73)
entwickelt P. die Schlüsselthese des Buches: Die pln. Kreuzestheologie
setzt ein Verständnis des Todes Jesu als Märlyrertod voraus,
"which transforms the shame of the cross into a thing of glory"
(53.72). wodurch die den Christen eigene, positive Wertung des Kreuzes
(gegen Dtn 21.23) überhaupt erst möglich wird. P. stützt diese
These vor allem auf die Selbsthingabeformeln (Gal 1.4 usw.). auf
Rom I 5.3 und auf Phil 2,5-1 I. doch erscheint ihm eine "martyriolo-
gical Interpretation" als Schlüssel für die pln. Kreuzestheologie insgesamt
(wie entsprechende Kurzexegesen u.a. von Rom 3.25; 8.32;
IKor2,8: 11,26; 15,3; 2Kor 5,21; Gal 3.13: Eph 2.1 5: lTim 2.6 zeigen
).

Die Konsequenzen dieses Dcutungsansatz.es für die verschiedenen
Felder der pln. Theologie macht das Kapitel 'The Martyrdom of
Christ and the Kcrygma ofthe Aposlle Paul'(74-92) knapp, aber eindringlich
deutlich: Vor allem für die Sotcriologie (78: "Thus the
wholcdircction ofthe debate about the Law in Paulinc theology stems
front the martyriological interpretation ofthe crueifixion of Christ").
Christologie (79: "His martyrdom is the index of his sonship") und
Ekklesiologie (84f: Taufe und Eucharistie "eelebrate the martyrdom
ol'Christ": 86: "The martyrdom of Jesus significs in the end the crea-
tion of a new pcoplc of God"). aber auch für die Eschatologie und
Ethik ergeben sich in dieser Perspektive zum Teil recht ungewohnte
Akzente.