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1986

Kategorie:

Judaistik

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503

Theologische Literaturzeitung III. Jahrgang 1986 Nr. 7

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Polemik stützte (58-71). Von jüdischer Seite beleuchtet E. L. Ehrlich
das Verhältnis ..Luther und die Juden'", den aktuellen Forschungskonsensus
einer einheitlich-dynamischen Entwicklung bei Luther
(kein Bruch!) und sein überwiegend bibeltheologisch ausgerichtetes
Denken in der Judenfrage. ..Ein rassisches Judcnproblem gab es für
ihn nicht, und die wirtschaftlich begründete Ablehnung ist bei ihm
auch nicht das Besondere . . . Die Juden und ihre Existenz waren für
ihn zunächst ein. wenn auch zu rasch gelöstes, theologisches Problem
" (103). betont M. Stöhr.

Die innerhalb der Beiträge des öfteren kritisch beargwöhnte „Enl-
erbungstheorie". wonach Israel durch die Kirche als das ..neue
Gottesvolk" abgelöst wurde, entspricht weitgehend ncutestamentlich-
altkirchlicher Sichtweise. Der katholische Theologe J. Brosseder,
bekannt durch ..Luthers Stellung zu den Juden im Spiegel seiner Interpreten
". München 1972, betont, im Neuen Testament könne man
noch nicht von Antijudaismus sprechen. Anderwärts werden die
judenkritischen Stellen des Neuen Testaments als innerjüdisch-judenchristliche
Kontroversen bagatellisiert in bezeichnendem Unterschied
zu ebenfalls im christlich-jüdischen Dialog initiierten Versuchen, den
A-ntijudaismus des Neuen Testaments interpretativ zu eliminieren.
Manche Beiträge lassen betont die Tendenz spürbar werden. Antijudaismus
als Vorläufer des Rassenantisemitismus in Verantwortung
zu nehmen und den tiefliegenden Unterschied, ja Gegensatz, wie ihn
Brosseder konstatiert, einzuebnen. Man wird aber Brosseder beipflichten
müssen, daß religiöser Antijudaismus nur willkommenes
Ornament, nie aber Konstituens des Rassenantisemitismus war. Der
Beitrag G. B. Ginzels will demgegenüber Luther stärker als ..Kronzeugen
des Antisemitismus" verstehen (189-210). AulJällig ist die
sich terminologisch spiegelnde konzeptionelle Verschiedenartigkeit
mancher Beiträge: Während Johann M. Schmidt („Das Erbe Martin
Luthers im Spiegel seiner Wirkungen auf die .Judenfrage' zu Beginn
des Kirchenkampfes"; 351-367) den Unterschied von ..antijüdisch"
und „antijudaistisch" für unvertretbar hält, versucht H. A. Oberman.
der schon Antijudaismus und Antisemitismus zu Recht scharf unterschied
, jetzt auch den BegriIT Antijudaismus weiter zu differenzieren.
Er unterscheidet zwischen „haßgeladenem Antijudaismus. der antijüdisch
und antisemitisch leicht verwertbar" ist, von dem „essentiellen
, evangelischen, paulinisch-lutherischen Antijudaismus", der
„mit dem Evangelium als Kritik aller Leistungsreligion unmittelbar
und notwendig mitgegeben" ist (382).

E. Bethge arbeitet die Abwehrmomente gegen den Antisemitismus
bei Bonhoell'er heraus, weist aber darauf hin. daß selbst die End-
lässung des Betheler Bekenntnisses von 1933 als eines der deutlichsten
Oppositionsworte der werdenden Bekenntniskirche weder die Judenmission
hinterfragte noch die Problematik der „Enterbungstheorie"
erkannte. Auch K. Barth habe erst 1959 der Judenmission eine Absage
erteilt. Die „Bcerbungs- und Ablösungstheorie" habe die Bekennende
Kirche nahezu durchgängig beherrscht. Asmussen, „damals
lür uns neben Barth der geachtetste theologische Führer der Bekenntnissynoden
" (236). schrieb in seiner Gottesdienstlehre: „Die Zeil des
Judentums ist vergangen." Juden und Heiden „steht die christliche
Kirche in unüberbrückbarem Gegensatz gegenüber, solange sie überhaupt
noch Kirche ist" (Zit. aus Asmussen. Das Kirchenjahr. München
1937. S. 98). Nur Bonhoell'er habe „in ein paar Notizen die hohe
Schwelle einer Vcrwerfungs- und Becrbungs-Ekklesiologie" überschritten
, wobei die Tatsache zu beachten ist. daß er seit 1938 anderen
Widerslandskategorien verpflichtet war, die ein offenes Artikulieren
brisanter Themen verboten (237). Der Reichsbruderrat entwarf noch
1948 ein „Wort zur Judenfrage", von dem Bethge betont, alle
tradierten Antijudaismcn (Enterhungs-, Substitutions-, Straf- und
Fluchtheorien) wie auch die Judenmission seien darin wiedergekehrt
(246). Weitere Aufsätze (so J. Seim über I wand) konstatieren selbst bei
konsequenten Verfechtern der Bekennenden Kirche noch theologische
Defizite; auch gegen W. Vischcrs christologischer Auslegung
des Alten Testaments werden Bedenken erhoben. Schließlich heißt es

sogar: „Bei allen Gegensätzlichkeiten zwischen F. Ciogarten.
H. Vogel. H. Knittermeyer und E. Wolf stimmen sie darin überein.
daß sie das jüdische Gesetz . . . auf eine Ebene mit anderen Ausprägungen
der natürlichen Religion stellen" (.333). G. van Norden
versucht, apologetische Gesichtspunkte des „Bonner Theologenpapiers
" durch Hinweis auf christliche Elemente im Ideologiekonglomerat
des NS-Systems zu entkräften: L. Siegele-Wenschkewitz zeigt
kontrovers zu Oberman „Wurzeln des Antisemitismus in Luthers
theologischem Antijudaismus" auf. B. Klappens isracltheologisches
Programm, für das die Reihenfolge Erwählung und Rechtfertigung
(nicht umgekehrt) konstitutiv ist. um die bleibende Erwählung Israels
theologisch zu sichern, sowie die interessante Analyse von H. Kremers
über katechetische Unterrichtsliteratur schließen den stattlichen
Band, an dem auch M. Stöhr. A. Weyer und von jüdischer Seite noch
P. E. Lapidc und A. H. Friedlander mitarbeiten.

Der Leser gewinnt ein Spektrum historisch-analytischer, wirkungsgeschichtlicher
und programmatischer Arbeit am Problemfeld Luther
und die Juden, das durch manche Kontroversen auch Gegenpositionen
sichtbar werden läßt, wie sie die traditionelle Sichtweise
kennzeichnen.

Leipzig Kurt Meier

Eraade. Steven D.: Knosh and his Generation. Pre-Israelite Hero and
History in Postbiblical Interpretation. Chico, CA: Scholars Press
1984. XVI. 301 S. gr. 8* = SBL Monograph Series. 30. Kart.
$ 19.95; Lw.$ 29.75.

Das Buch ist aus einer Diss. phil. hervorgegangen, die der Univer-
sity of Pennsylvania vorlag. Es behandelt das antike Verständnis des
einen Verses Gen 4.26. das bis in seine mittelalterliche Ausprägung
bei Christen und Juden verfolgt wird. Der Vf. ist nicht so naiv, davon
ein „richtigeres" Verständnis des Verses zu erwarten. Er will auch
nicht einfach eine Auslegungsgeschichte bieten, er will erfahren, was
das Verständnis dieses Textes über die Methoden und Interessen seiner
Interpreten aussagt, wobei durchaus nicht übersehen ist. daß dabei
auch das Potential des Textes sich entfaltet.

In genauem Durchgang wird die Auslegung von Gen 4,26 in der
vor-rabbinischen jüdischen Literatur, bei den Samaritanern und
Mandäern. bei den christlichen Schriftstellern (mit gesonderter Behandlung
der syrischen Literatur) und schließlich in der rabbinischen
Tradition untersucht. Das eigentlich wesentliche Ergebnis ist die
Herausarbeitung der Eigenart der rabbinischen Interpretation, die der
Generation des Enosch die Einführung des Fremdgötterdienstes zuschreibt
. In einem abschließenden Kapitel werden Methode und
Motive solcher Auslegung vorgeführt und zugleich damit der Hintergrund
der positiven Wertung des Enosch in der nicht-rabbinischen
Literatur aufgedeckt.

Das interessante und - auch methodisch - aufschlußreiche Buch
wird durch ein hilfreiches Quellen- und Literaturverzeichnis sowie
durch ausführliche Indices abgeschlossen. Es ist zugleich ein instruktiver
Beitrag zu der Frage nach der Relevanz der Wirkungsgeschichte
einzelner biblischer Texte.

T.H.

Ncusner. Jacob: Lc Judai'sme ä l'aubc du christianisme. Trad. de l'americain
par J.-P. Bagot. Paris: C'crf 1986. 169 S. kl.8' = Lire la Bible. 71. ffr 85.-.

Santo, (icir: Julius Wcllhauscn. Israels og Judas historie. Hovik 1889 - eit
vendepunktfornorskGT forsking?(TTK 56. 1985.249-265).

Taylor, Howard: World Hope in the Middle Last. Edinburgh: Handsei Press
1986. IV. 28 S. 8'. £ 1.25.

Walker. James B.: Israel - ( ovenant and Land. Edinburgh: Handsei Press
1986.11. 13 S. 8'.