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Ausgabe:

1986

Spalte:

498-500

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Rubinkiewicz, Ryszard

Titel/Untertitel:

Die Eschatologie von Hen 9-11 und das Neue Testament 1986

Rezensent:

Dexinger, Ferdinand

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Theologische Literaturzeitung III. .lahrgang 1986 Nr. 7

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(Ri 5.17) beweist ihm. daß der Stamm zwischen 1160 und 1430
v. Chr. (S. 44) bereits im hohen Norden ansässig war. Die umbenannte
Stadt Laiisch bleibt unter danitischer Regie den Phöniziern in Tyrus
als Handelspartnerin und Gestellerin on Schills- und Hafen-Leiharbeitern
verbunden (S. 56ff). Die ..danitische Überlieferung" von
Micha, dem Lfraimiter. und dem Leviten aus Bethlehem sowie ihrem
ominösen Kultbild (Ri 17-18) stellt in ihrer (irundsehiehl (vgl.
S. I29ff)das Zwischenglied zu den beiden ersterwähnten Geschichtsdaten
: Um 1200 v.Chr. ziehen Danitensippen über das Gebirge
nordwärts, treffen auf den Leviten im Hause Michas, den sie aus
früherer Nachbarschaft (Ri 13-16!) persönlich (!) kennen, nehmen
ihn und das Kultbild mit und gründen mit beiden in Lajisch/Dan ein
eigenes Stammesheiligtum. Und weil dieser Levit mit Jona tan
(Ri 18.30b) identisch und folglich ein Enkel des Mose sein muß
(S. 140IT). Mose aber um 1270/60 geboren wurde (S. 142). gew innt die
Datierung des Nord-Marsches eine neue Stütze.

Schwieriger ist der ..Erzählungskranz über Simson" (Ri I 3- 16) diesem
Geschichtsablauf zuzuordnen. ..Simson. der am wahrscheinlichsten
. . . zwischen I 125 und 1075 v. Chr. zu datieren ist. gehörte zu
einer Danitengruppe. die ein .Lager Dans' zwischen Z.ora und Eseh-
laol bewohnte." (S. 191) Sein Vater Manoach (!) stammte aber aus
dem südöstlich von Jerusalem gelegenen Ort Manocho (!). so nach
Jos 15.59 LXX (vgl. S. 152-165). Simson gehört also zu einer dani-
tischen Splittergruppe, die wohl nur aus einer einzigen (!) Familie
bestand. Sie halte die Nordwandcrung nicht mitgemacht und sich lieher
am Rande des Philistergebietes festgesetzt (S. I92:297ll'u. ö.). Die
Tradition kennt noch zwei ..Lager Dans" (Ri 18.12 13.25) und einen
Felsaltar (Ri 1.3.191"). der 1884 wiederentdeckt worden sein soll
(S. 169ff). - Die Stammessprüchc Gen 49.161"und Dtn 33.22 runden
das Bild vorläufig ab: Dan ist an der Nordgrenze israelitischen Wohngebietes
erschienen, hat mit Geschick und Glück die Stadt Lajisch eingenommen
, gegen Angriffe (von Aramäern?) gehalten und befindet
sieh auf dem Wege zur Anerkennung als vollberechtigter Stamm
(Gen 49.I6:S. 208).

In drei weiteren Kapiteln versucht Niemann, andere sporadische
Nachrichten und verschiedene moderne Ilv polhesen über Dan auszuwerten
. Woher kamen denn die Daniten. bevor sie sieh im judäischen
Gebiet niederließen? Aus der Stämmegencalogie Gen 29.31-30.24
u- ä. Texten könnte man auf eine geschichtliche Verkuppelung Dans
mit Naftali oder mit Benjamin und F.fraim schließen (S. 225IT). Aber
selbst die eigenartige Dan-Notiz in Lev 24.11 kann die gemeinsame
Wanderung mit der Moseschar nicht beweisen (S. 236). Doch soll die
Einwanderung der Judäer wenigstens einen zeitliehen Anhaltspunkt
'ür Ankunft und Wegzug der Daniten in und von Manocho abgeben.
Sie können ..erst eine nicht zu kurze Zeit nach der Ankunft der Mose-
sehar aus der Gegend von Jerusalem weggezogen sein . . .. nachdem
S'v'h nämlich der Levit und Moseenkel inzwischen in Bethlehem
niedergelassen und die Daniten (bzw. sie ihn) kennengelernt hatte(n).
lind zwar mehr als nur einmalig flüchtig, so daß die Daniten ihn später
wiedererkannten (Ri 18.3)" (S. 241). Die Ankunft der Daniten läßt
sich dann um 1225/1220 v. Chr. denken (S. 242). Und woher kamen
sie? Der Num 1.12 überlieferte Danitenname Ammisaddaj verweist
*Ul das südliche Ostjordanland, weil dort vermutlich die Sippengotl-
heit Sadtkq verehrt wurde (S. 248IT). Weitergehende Theorien über
die Verbindung der Daniten mit der einflußreichen ethnischen
Gruppe der Danuna Danunim/Danaoi (so C. TL Gordon:
•A.C. Astour: Y. Yadin) lehnt Niemann jedoch ab (S. 273-291). -
Die Ausgrabungen der Stadt Dan (Teil cl-Qadi: vgl. S. 259-271)
haben bisher wenig konkrete Erkenntnisse erbracht. Doch scheint die
('bernahme der Stadl durch die Daniten nach mäßiger Zerstörung
zwischen Stratum VII und VI erfolgt zu sein (S. 268). Die Eingliederung
Dans in den israelitischen Staat ist an späteren Baukomplexen
abzulesen (S. 271).

Niemann ist bestrebt, aus den äußerst spärlichen Quellentexten
eine zusammenhängende geographisch-chronologische Geschichte
"es Stammes Dan zu rekonstruieren. Er findet nach mancherlei

gewagten Schlüssen (s. o.) folgende Orts- und Ereigniskette: Südliches
Osljordanland (vor 1225 v.Chr.) - Manocho (um 1220 v.Chr.) -
Lager Dans westlich von Kirjat Jearim (kurz vor 1200 v.Chr.) -
Nordwanderung (kurz nach 1200 v.Chr.) - Einnahme von Lajisch
(wenig später) - Abwehr der Aramäer (kurz vor 1050 v.Chr.) -
Eingliederung in den Staat Israel und Ausbau als Grenzfestung
(10. Jh.). So schön das Ergebnis aussehen mag. und so fleißig es mit
allerlei Argumenten und Denkmodcllen unterbaut w ird, so fraglich ist
doch seine Stringenz. Meine Bedenken entstehen vor allem aus der
mangelhaften Galtungsbestimmung der diversen Texte. Wie weit
können uns historische Summarien. Stammessprüchc und - ausgerechnet
- Sagenkränze Belegmatcrial für eine kontinuierliche Geschichtsschreibung
liefern? Welche Funktion, welchen Sitz im Leben
hatten die herangezogenen Texte ursprünglich? Wie weil sind
erzählerische Wandermotiv e etwa auf den Leviten (Jonalan??) oder
Simson übertragen worden? Muß man als Historiker wirklich eine
persönliche Bekanntschaft der Daniten mit dem Leviten und Hauskaplan
des Micha in Ri 18.3 hineinlesen (S. 84)? Ist die Genealogie
von Ri 18.30 tatsächlich ein historisches Dokument? Kann man aus
der Simson-Heldensage mir nichts, dir nichts auf die Existenz einer
Splittergruppe - eine Einlämilieneinheit - von Daniten schließen?
Sind die ..Wunderlichkeiten" der Erzählung nicht Grund genug, „mit
historischer Auswertung sehr zurückhaltend" zu sein (S. 187)? Fragen
über Fragen. M. E. ist der Vf. mit seinen oft sehr interessanten Beobachtungen
einige Schritte zu schnell und zu weit in Richtung auf die
historische Rekonstruktion gegangen. H. Donners Warnungen vor
dem Zuvielwissen wollen (vgl. ATD. Ergänzungsreihe Bd. 4.2 S. V:
Bd 4.1 S. 1 36 Anm. 26) sollten uns in den Ohren klingen.

Gießen Erhard (icrslenberger

Rubinkiewicz. Ryszard: Die Eschatologie von Heu 9-11 und das Neue
Testament. I bers, von H. Ulrich. Kloslerneuburg: Österr. Kathol.
Bibelwerk 1984. VII. I75S. 8" = ÖBS. Österreichische Biblische
Studien. 6. Kart.ö. S. 188.-.

In seiner Habilitationsschrift, die der Theologischen Fakultät der
Katholischen Universität Lublin im Jahre 1981 vorlag und die 1984
in der Reihe Österreichische Biblische Studien als 6. Band veröffentlicht
wurde, geht der Autor dem Einfluß des ffenochbuch.es auf das
Neue Testament nach. Wie er selbst sagt, will er damit seine Forschungen
auf ein weniger bearbeitetes Gebiet richten. Es geht R.
darum, in einer Detailstudie - und an solchen mangelt es in diesem
Bereich noch - den mögliehen Einfluß von Tlen 9-1 I auf das Neue
Testament zu studieren.

Er geht dabei in drei Schritten vor. In einem ersten Schritt soll
Tlen 9-11 in seinem historischen und literarischen Kontext untersucht
werden. Daran sehließt ein spezieller Aufweist der Eschatologie.
wie sie in dem genannten Abschnitt enthalten ist. und schließlieh geht
R. noch der I rage nach, wie weil konkrete Zitate aus dem bearbeiteten
Abschnitt des Tienochbuches im NT nachzuweisen sind.

Damit steht R. zunächst vor der schwierigen Aulgabe, die für seine
Arbeit relevante Texlübei lieferung zu ermitteln. Dabei spricht R.
davon. ..den ursprünglichen Wortlaut von Hen 9-1 I" festzustellen.
Insgesamt will ersieh an die neueste Edition von M. A. Knibb halten.
Zunächst ist R. wohl darin zu widersprechen, daß ..die Fragmente von
Qumran einen unumstößlichen Beweis dafür darfstellen), daß das
Buch Henoch in aramäischer Sprache verfaßt worden ist" (12). Diese
Fragmente machen eine ursprünglich aramäische Sprachform sehr
wahrscheinlich, schließen aber das Hebräische als ursprüngliche
Sprachnorm nicht ganz. aus. Die von R. gemachten methodischen
Feststellungen für die von ihm beabsichtigte Entscheidung, was der
..ursprüngliche Wortlaut" sei (16). übersehen den wesentlichen Umstand
, daß es wahrscheinlich nie einen kanonischen Text des Henoch-
buches gegeben hat. Nichtsdestoweniger benötigt er eine Grundlage
für die Übersetzung des Textabschnittes. die er (26 IT) vorlegt.