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Ausgabe:

1986

Spalte:

496-498

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Niemann, Hermann Michael

Titel/Untertitel:

Die Daniten 1986

Rezensent:

Gerstenberger, Erhard S.

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495

Theologische Literaturzeitung III. Jahrgang 1986 Nr. 7

496

Altes Testament

Magonet. Jonathan: Form and VIeaning. Studies in Litcrary
Techniques in thc Book of Jonah. Scheffield: Almond Press 1983.
V. 184 S. gr. 8° = Bible and Literature Series. 8. Kart. £ 5.95.

Das anzuzeigende Buch sollte Pflichtlektüre für jeden Alttesta-
mentler und am Alten Testament Interessierten sein, der sich mit dem
Buch Jona beschäftigt, aberauch fürjeden. dem die Diskussion um die
Frage nach den Möglichkeiten literaturwissenschaftlicher Methodik
in der Exegese am Herzen liegt. Dem Vf. gelingt es. ausgehend von
strukturaler Analyse einen Prozeß des Dialogs zwischen dem Leser
und der Überlieferung des Jona-Buches zu initiieren, der sein Modell
im Dialog der Jona-Erzählung mit vorgegebenen Überlieferungen des
Alten Testaments, insbesondere der Exodus-, Elia- und Jcremia-
Überlieferung. hat. Hier ist Entscheidendes und Weiterführendes zur
Theologie des Jona-Buches geleistet.

Der Arbeit des jetzigen Leiters des Department of Bible Studies am
Leo Baeck College in London liegt eine Heidelberger Dissertation von
1974 zugrunde, die 1976 in der Reihe ..Beiträge zur biblischen Exegese
und Theologie" veröffentlicht wurde und 1983 in einer erweiterten
Fassung in der Reihe "Bible and Literature Series" in Sheffield
erneut herausgebracht wurde in der Hoffnung, die Arbeit auf diese
Weise aus dem unverdienten Dornröschenschlaf zu befreien.

M. geht Schritt für Schritt in methodischem "working up" vor von
der Wort- über die Satzebene bis zur tcxtlinguistischen Strukturanalyse
der Erzählung. Auf der Wortebene haben Analyse der Verbverteilung
, semantische Studien zu Vergleich und Kontrast sowie zu Bedeutungsmehrschichtigkeilen
wie auch die Behandlung des Problems der
wechselnden Gottesnamen ihren Ort. Wechsel der Gottesnamen sei
nicht Kriterium zur Differenzierung eines diachronischen Wachstumsprozesses
des Textes, sondern Ausdruck theologisch gezielter
Strukturierung des Textes als eines einheitlichen. In Jona I -3 sei eine
Bewegung zunehmender Erkenntnis der Identität von persönlich-
privaten Elohim und dem Himmelsgott HaElohim mit Jahwe Gestaltungsprinzip
, in Jona 4 dagegen drücke Jahwe den Aspekt grenzenloser
Barmherzigkeit. (Ha-)Elohim aber den Gegenaspekt der Ordnung
aus. Auf der Satzebenc wird das Phänomen des "growing
phrase", der jeweils erweiterten Wiederholung eines Satzes, und seiner
Funktion in der Erzählung angegangen. Von da schreitet die
Untersuchung zur Analyse der Struktur der Erzählung als ganzer weiter
. Mit sehr gewichtigen Argumenten gelingt M. der Nachweis, daß
der Psalm Jona 2.3-10. der sich in Jona 2,3-6a traditioneller
Psalmenmotive bedient, auf die Jonaerzählung hin formuliert wurde
und konstitutiver Bestandteil ist. Dann auch werde das Ganze der
Struktur erkennbar: Jona 2-3 sei als "stepwise strueture" Kern der
jeweils chiastisch-strukturierten Kapitel I und 4. In dieser Struktur
werden im folgenden die Zitate vorgegebener Überlieferungen aufgespürt
und auf ihre Funktion im ganzen hin befragt. Abschließend werden
die bisherigen Analyseebenen in ihrer Aussage für die Theologie
der Erzählung gebündelt: Es wird überzeugend deutlich, daß sich die
Erzählerintcntionen gerade nicht auf einige knappe Sentenzen reduzieren
lassen, sondern daß das Medium der Erzählung der Polysemie
als Aspekt der Wahrheitsfrage gerade Einlaß gewährt und darin der
Mehrschichtigkcit der Erfahrung zwischen Gott und Welt angemessen
sei. So gewinnen Paradox und Ironie eine zentrale Bedeutung in der
Theologie der Erzählung, mit der sich Israel in der Jonagestalt selbst
deute als um Gott wissend und dennoch stets im Versuch, sich ihm zu
entziehen. Liegt darin nicht die tiefste Ironie der Jonagestalt und also
ihre Wahrheit? (Man vergleiche dazu H. Blumenbergs ..Arbeit am
Mythos". Frankfurt/M. 1979.) Ironisch auch ist der Umgang mit der
Tradition und damit befreiend von ihrer Vcrgötzung: Die Sodom-
und Gomorrha-Erzählung muß im Lichte Ninivcs, die Elia-Erzählung
der Gewalt auch gegen die Baalspriester im Lichte der Jona-
Erzählung neu gelesen werden. Ironisch und darin die Freiheit (iottes
wahrend ist schließlich die Distanzierung von Jonas (Israels) Umgang

mit dem Gotteswort, das als ein einmal gesprochenes zum Fetisch gemacht
werden soll. Hier berührt sich die Arbeit von M. mit dem hinreißend
klugen Essay von Klaus Heinrich „Parmenidcs und Jona"
(Frankfurt/M. 1966). Das Thema des Jonabuches, so will es mir
scheinen, ist die Freiheit Gottes, der sich allen Versuchen des Menschen
, Gott zu binden, sei es an das Wort oder an eine Schöplüngsord-
nung. wieder und wiederauch entringt und im Widerspruch gegen alle
Vergötzungen die Freiheit auch erst des Menschen konstituiert. Das
Jonabuch ist darin Position, die in einer Theologie des Alten Testamentes
der Gegenposition bedarf, um selbst nicht falsch zu werden.
Die vorgegebenen Überlieferungen sind in ihrer Wahrheit auch gegen
das Jonabuch immer wieder zur Sprache zu bringen. Wahrheit bedarf
des Dialogs. Im Jonabuch wird er geführt mit der Tradition. Über M.
hinaus wird eine theologische Auslegung des Jonabuches die Wahrheitsansprüche
der vorgegebenen Überlieferungen auch gegen die
Jona-Erzählung zu vertreten haben. Der sich in Wort und Schöpfung
bindende Gott will auch zur Sprache gebracht werden. Wahrheit ist
eine dialektische. Der Theologie des Alten Testamentes wie der Theologie
insgesamt steht es noch aus, eine wahrhaft dialektische zu
werden.

Dem jüdischen Theologen M. ist eine Deutung der Jona-Erzählung
gelungen, die an exegetischer Vermittlung mit dem Text und theologischer
Tiefe ihresgleichen sucht. Fragen insbesondere zur Methode
bleiben aber ollen. Jim Ackerman hat in einem umfänglichen Vorwort
am Beispiel der einschlägigen Arbeit von L. Schmidt (De Dco.
1976) die Defizite lilerarkritischer Arbeilen eingeklagt, die, so Ackerman
, der Theologie nur noch als Argument ansichtig werden, um
literarische Schichten abzuheben. Hier wird der Finger auf eine
Wunde gerade der deutschsprachigen alttestamentlichen Forschung
gelegt. Ob aber die in diesem Forschungszweig gestellten Fragen so
leicht abzutun sind, erscheint mir zweifelhaft. Das Problem der Got-
tesnamen im Jona-Buch ist kaum gelöst, wenn M. zwei divergierende
Systeme in der Verwendung der Gottesnamen in Anschlag bringen
muß. Auch das Problem von Jona 4.5 ist kaum ausreichend damit erklärt
, essolle Jonas Unlogik zur Sprache gebracht werden. Hier sei nur
auf die Auslührungen von P.Weimar (Biblische Notizen 18, 1982.
86-109) verwiesen. Fragen nach der traditionsgcschichtlichen Herkunft
der Stoffe des Buches spielen für M. keine Rolle und werden also
für die theologische Interpretation nicht fruchtbar gemacht. Synchrone
und diachrone Textanalyse müssen zusammenwachsen - und
werden es auch.

Osnabrück Eckart Otto

Niemann, Hermann Michael: Die Daniten. Studien zur Geschichte
eines altisraelitischen Stammes. Göttingen: Vandenhoeck &
Ruprecht 1985. 348 S. gr. 8" = Forschungen zur Religion und
Literatur des Alten und Neuen Testaments. 135. Lw. DM 84.-.

Je mehr das Bild einer geschlossenen altisraelitischen Amphi-
ktyonic als neuzeitliche Übermalung erkannt und abgetragen wird,
desto interessanter muß sich die Einzelgeschichte der Stämme und
Stammesgruppen darstellen. Die Untersuchung der separaten Traditionen
lohnt also den Einsatz von mindestens zwölf Doktoranden.
Nachdem ..Vater" Schunck (Benjamin. BZAW 86, 1963) und ..Sohn"
Niemann nun an zwei Stellen gründliche Arbeit geleistet haben, bleiben
noch mindestens zehn Dissertationsthemen übrig. Nicht erst bei
ihnen taucht die Frage auf. ob überhaupt genügend Quellenmaterial
für die Rekonstruktion der partikularen Stammesgeschichten vorhanden
ist.

Niemann interpretiert zunächst - methodisch korrekt - die Einzel-
texte, die mit der Geschichte der Daniten in Verbindung gebracht
werden können. Aus der Danitcnnotiz Ri 1,341' und einem ergänzenden
Vergleich mit Jos 19.47 f erhebt er einen Landnahmeversuch in
der Ebene Ajalon wenig vor 1200 v. Chr.. der jedoch von den Amori-
terstädten abgeschlagen wurde. Die Danschelte im Deboralied