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1986

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493

Theologische Litcraturzeitung III. Jahrgang 1986 Nr. 7

494

Allgemeines, Festschriften

Bentley, James: Martin Niemöller. Eine Biographie. Aus dem Engl,
von K.H.Sibcr. München: Beck 1985. 301 S. m. 9 Abb. 8*.
DM 34.-.

Bentley stützt sein Buch vornehmlich auf lange Gespräche, die er
mit dem neunzigjährigen Niemöller hat führen können, und auf
Studien der Niemöller-Akten im Kirchenarchiv Darmstadt. Daraus
Bringt er viele Exzerpte und Zitate. Weniger zieht er die vorhandene
Literatur über kirchliehe und politische Verhältnisse heran. Das
Ergebnis ist eine unausgewogene und - im Detail wie in der Linienführung
-ungenaue Darstellung.

Für die Zeit um den Ersten Weltkrieg wird in zu starkem Maße
Memoirenliteratur von Marineoffizieren beachtet, ohne daß diese
kritisch genug beurteilt würde. Für die Zeit des Kirchenkampfes bleiben
manche Ereignisse im Ungefähren, die längst erforscht sind. Die
Zeit seitdem wird eher kursorisch und ohne genügende Beachtung der
jeweiligen politischen und kirchlichen Verhältnisse abgehandelt.

Daß der Vf. den kirchlichen Verhältnissen in Deutschland fremd
gegenübersteht, wird schon aus den verwendeten Begriffen deutlich.
Immer wieder wird von Bistümern und Diözesen im evangelischen
Raum gesprochen, wird das Wort „Kirche" für Gemeinde gebraucht,
ja auch die Worte „Pfarrersamt" (275) und „lutheranisch" (209)
lehlen nicht. Da ist statt von Judenchristen von christianisierten
Juden (152), von der „Rezitation" des Glaubensbekenntnisses durch
die bekennende Gemeinde (75), vom „zelebrierten" Abendmahl (159)
die Rede, und die Bestätigung eines Wiedereintritts in die Kirche
erscheint als „Konfirmation" (115). Im einzelnen ist nicht auszumachen
, wieweit der Übersetzer, Karl Heinz Siber, für Fehlgriffe
verantwortlich ist - jedenfalls hat er es versäumt, die angemessenen
deutschen Begriffe zu verwenden. So erscheint denn die Vorläufige
Kürchenleitung mehrfach als „Provisorische" (14011), der Rat der
EKD als Vorstand (208). es wird mitgeteilt, Nicmöllcr habe KZ-Insassen
„draußen stumm aus der Bibel" vorgelesen (175). und Luthers
Vers erscheint in der Rückübersetzung: „Sie mögen Leib. Hab und
Gut. Ehre. Kind und Frau mir nehmen." (177)

Die Beispiele zeigen, daß mit der sprachlichen die inhaltliche Ungc-
nauigkeit Hand in Hand gehl. Da plant von Bodelschwingh. Rcichs-
äckan (statt Reichsdiakon) zu werden (72). da ist Müller „Schifi's-
kaplan" (67). Karl Koch Kirchenpräsident (statt Präses, 81), Niemöl-
■*T selbst „Präsident der Evangelischen Kirchen Deutschlands" (statt
Präsident des Kirchlichen Außenamts der EKD, 197). Die Kirchen
rJer BK werden „abtrünnig" genannt (127), der Ulmer Kirchentag
'934 w ird zur „5. freien Synode" (124), und als Wortlaut der Barmer
Erklärung werden gleich zwei Texte (128/132) mitgeteilt, aber beidemal
nicht der Wortlaut. Gerstein war. heißt es. „in Auschwitz tätig"
(240), und Niemöller, liest man. habe im KZ lür seine Frau Else Verse
•.verfaßt" (166) - während er in Wahrheit dreimal aus dem Zupfgei-
genhansl zitierte („Ach Elslein. liebes Elslcin .. ."). Äußerungen
Nicmöllers gegenüber M. Higgins 1949 werden auf eine Synode nach
Lund verlegt und inhaltlich schief wiedergegeben (2561).

Peinlich wird es. wenn der Vf. seiner Ehrfurcht vor „Weihchand-
'ungen" Ausdruck gibt. Kirchliche Laien erscheinen als „ungeweihte
Vertreter" (48). die Taufe von Nicmöllers erstem Sohn wird als
Niemöllers „erstes Sakrament . . . vollzogen" (47), und aus dem KZ
wird berichtet. Nicmöllcr habe dort vier Jahre „keine einzige richtige
religiöse Zeremonie erlebt", bis katholische Priester für einen Gottesdienst
„ihre geweihte Zelle zur Verfügung" gestellt hätten (1831). -
Obwohl Nicmöllers Frömmigkeit immer wieder auch zutreffend charakterisiert
wird, finden sich daneben glatte Fehleinschätzungen wie
die Mitteilung. Nicmöllcr habe aus dem Gefängnis in Moabit seiner
Familie „traurig" (!) Jesu Worte an Paulus zitiert: „Ein anderer wird
kommen und dich führen, wohin du nicht willst" (163).

Bentleys Mißverständnis Niemöllers wurzelt in der Vorstellung,
„die Persönlichkeit eines Riesen unter den Menschen" (279) vor sich

zu haben. „Im wesentlichen" sei es 1933 Nicmöllers „Verdienst"
gewesen, die BK „aus der Taufe zu heben" (129); nach seiner Inhaftierung
habe der Pfarrernotbund aufgehört, „die treibende Kraft im Kirchenkampf
zu sein" (163). Etwas verwundert bemerkt Bentley die
„zuweilen weltfremd anmutenden theologischen Auseinandersetzungen
über die Bedeutung der Taufe" 1933, stellt am kirchlichen Widerstand
gegen Hitler „zuweilen den Charakter einer theologischen
Disputation" fest (121), und erleichtert vermerkt er. daß der Umgang
mit dem Katholizismus Niemöller später dadurch „erleichtert" worden
sei, „daß Niemöller nie ein Prinzipienreiter war" (244).

Bentleys Buch, schreibt er einleitend, sei „keine historische Abhandlung
; es konzentriert sich bewußt auf den religiösen und weltlichen
Patriotismus Martin Niemöllers" - kein Wunder, daß die Linien diffus
bleiben. Schade, daß der Vf. nicht aus seinen Gesprächen ein Bild des
alten Niemöller und seiner Lebenssicht gezeichnet hat. Auch der
Teilbereich, der Niemöllcrs Wirksamkeit in England nach 1945
schildert, hätte für sich eine sinnvolle Einheit ergeben. Als Biographie
bleibt das Buch ungenügend. Nach wie vor muß man zu Dietmar
Schmidts 1983 aktualisierter Niemöller-Biographie greifen, wenn man
Niemöllers Lebensbild angemessen nachgezeichnet sehen will.

Bremen DietherKoch

Dahlmann-Waitz: Quellenkunde der Deutschen Geschichte. Bibliographie
der Quellen und der Literatur zur deutschen Geschichte.
10. Aull., hg. von H. Hcimpcl u. H. Geuß. Lfg. 48: Abschnitt I 19
(Schluß) - 120 (Schluß). Kart. DM 44,-. Register zu Bd. I u. 2. IX.
496 S. Kart.DM 140.-. Stuttgart: 1 liersemann 1984/85.4.

Über die tieschichte des Unternehmens sowie die Probleme der
10. Aull, berichtete ThLZ 108, 1983! 273: über den letzten Stand
informierte ThLZ I 10, 1985.610. Jetzt ist ein Stand erreicht, dereine
neue Notiz nahelegt. Lieferung 48 bringt den Band 3 zum Abschluß.
Abschnitt 120 berichtet über Thüringen, dessen vielgestaltige Geschichte
sogleich deutlich wird beim Blick auf die Bibliographien.
Literaturberichte. Nachschlagewerke. Atlanten. Zeitschriften, Reihen
, Festschriften, Archive, Bibliotheken. Museen (Nr. 1-81). Der
Abschnitt Religion und Kirche mit den Nummern 407-436 zeigt
diese Vielfalt einmal mehr. Sachsen-Altenburg. Meiningen. Weimar,
das Eichsfeld. Reuß-Greiz. die freie Reichsstadt Mühlhausen, Erfurt.
Gotha und Eisenach: Alle diese Länder und Städte haben ihre besondere
Geschichte auch hinsichtlich der Kirchen. Klöster und Einzelgestalten
. Insgesamt werden dir Thüringen 593 Titel gezählt, zu denen
weitere Hinweise auf anderswo genannte Literatur kommen. Der
Band 4 wird den Teil Landesgeschichte fortsetzen und abschließen.

Die Bände I (1969) und 2 (1971) mit den Abschnitten 1-57 wurden
durch einen Registerband komplettiert, der auf fast 500 Seiten mit
jeweils 4 eng bedruckten Spalten ca. 73 500 Eintragungen bietet.
Weitaus am meisten Platz beansprucht das Verfasserregister (3-458).
Ihm folgen das Register „Personennamen in Sachtiteln" (459-484)
sowie „Ortsnamen in Sachtiteln" (485-496). Band 5 lag sehon 1980
vor und eröffnete den Teil B „Die einzelnen Zeitalter". Abschnitt
158-236 enthalten die Vor- und Frühgeschichte, die Zeit des Frankenreiches
sowie die Epoche bis zum Untergang der Staufer. Band 6
soll mit dem späten Mittelalter einsetzen. Man darf gespannt sein,
wann dieses Unternehmen zum Abschluß kommen wird.

GH.

Giard. Lucc: L'histoire des scienecs. unc histoirc singulicre (Teologia X.
1985.355-379).

Laurentius. Hans: 40 Jahre Evangelische Verlagsanstalt (Standpunkt 14.
1986.141-142).

Movnes. Halvor: Ny konstruksjon av urkristendomniens Historie. TU Jacob
Jcrvclls60-arsdag2l.mai I985(NTT 1985.91-100).

Zimmermann. Wolf-Dieter: Gehorsam des Glaubens. Erinnerungen an Dietrich
HonhocflcUJK 47. 1986. 77-84).