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Ausgabe:

1986

Spalte:

476-477

Kategorie:

Religionspädagogik, Katechetik

Autor/Hrsg.:

Reller, Horst

Titel/Untertitel:

Lernen um zu lehren 1986

Rezensent:

Kaufmann, Hans Bernhard

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Theologische Literaturzeitung III. Jahrgang 1986 Nr. 6

476

Im Unterschied zum „Katholischen Katechismus der Bistümer
Deutschlands" (1955) ist KEK nicht in Frage- und Antwortform gehalten
. Der Stil ist nicht behauptend und feststellend, sondern beschreibend
und argumentierend. Für höchstes theologisches Niveau
bürgt schon der Hauptverfasser, der Tübinger Dogmatikprofessor
Walter Kasper. In seiner ausführlichen, differenzierten, dabei allgemeinverständlich
gehaltenen Information ist KEK am ehesten dem
ökumenischen „Neuen Glaubensbuch" (hg. von Johannes Feiner
und Lukas Vischer, Freiburg 1973) zu vergleichen. Wie dieses steht
KEK auf der Höhe der Forschung, nennt alle wichtigen theologischen
Fragestellungen beim Namen und bettet die Glaubensaussagen ein in
das biblische Zeugnis. Einwände und Zweifel der Zeitgenossen werden
ernst genommen. Sorgfältig werden die Bedeutung und die existentiellen
Folgen der Glaubensaussagen bedacht. Dem Charakter eines Katechismus
entsprechend werden moderne theologische Exponenten
und Schulen nicht ausdrücklich erwähnt. Es fehlt auch ein Anmerkungsteil
.

Anders als der „Evangelische Erwachsenenkatechismus" (hg. von
Werner Jentsch u.a., Gütersloh 1975), der dreimal erwähnt wird
(168f, 246,321), geht KEK nicht pädagogisch-didaktisch vor, sondern
setzt gleich mit der Erörterung der jeweiligen Glaubensfragen ein.
Allerdings ist der Evangelische Erwachsenenkatechismus auch kein
lehramtlich verbindlicher Text wie KEK. Im Protestantismus gibt es
kein exklusives Lehramt, das in der römisch-katholischen Kirche ja
auf Papst und Bischöfe eingegrenzt ist, sondern eine offene, im Prinzip
alle Christen einbeziehende Lehrautorität, neuerdings „gegliedertes
Lehramt" genannt (so im Votum des Theologischen Ausschusses der
Arnoldshainer Konferenz: „Was gilt in der Kirche?", Neukirchen-
Vluyn 1985.45).

Auf weite Strecken liest sich KEK als ein gesamt-christliches Glaubensbuch
. Das gilt insbesondere für die ersten beiden Teile, ausgenommen
die Ausführungen über Engel und Teufel (109-112), über
Urständ und Paradies (128-130) und über Maria (166-182), und im
dritten Teil für die Abschnitte „Das neue Leben im Heiligen Geist"
(221-255) und „Das Leben der kommenden Welt" (398-431). Die relativ
umfangreichen Abschnitte über die Ekklesiologie (256-329) und
die Sakramente (330-397) beschreiben stärker die katholischen Spe-
zifika. Der evangelische Leser gewinnt den Eindruck, daß hier insgesamt
weniger behutsam hingeführt und argumentiert, sondern eher
behauptet wird. Beispiele dafür sind die Ausführungen über Eucharistiegemeinschaft
(360-361) und über den Ablaß (372-374).

Im ganzen Buch fällt der starke biblische Bezug auf (vgl. auch das
vollständige Bibelstellenregister im Anhang). Die heilsgeschichtliche
Linie wird vom Alten zum Neuen Testament und weiter in die Kirchengeschichte
gezogen. Historisch-kritische Bibelexegcse wird
ebenso selbstverständlich vorgeführt wie strenge kirchengeschichtliche
Forschung. Steht der Befund der theologischen Wissenschaft
möglicherweise im Konflikt mit der katholischen Lehrüberlieferung,
dann behält freilich letztere immer recht (etwa 176 jungfräuliche Geburt
Jesu; 202 leeres Grab; 303 Amtsnachfolge des Petrus). Aus der
katholischen Lehrtradition - besonders Tridentinum, Vatikanum II
und auch „Gemeinsame Synode der Bistümer in der Bundesrepublik
Deutschland" (1971-1975) - und aus dem liturgischen Gut wird häufig
zitiert. „Glaubenszeugnis und Glaubenspraxis der Kirche" (178)
sind Bürge für die biblische Legitimität etwa der Mariendogmen von
1854 und 1950. Die katholische Lehre wird dort, wo sie Schwierigkeiten
macht - etwa beim Satz „Außerhalb der Kirche kein Heil"
(264f)-, so bibelbezogen und zugleich so modern wie nur irgend möglich
dargeboten. Aber sie behält dann eben immer das letzte Wort.

„Die katholische Kirche ist ein offenes und kein geschlossenes
System, bei dem man alles von einem einzigen Prinzip ableiten
könnte" (287), heißt es einmal. Doch hat KEK deutlich seine Mitte im
Zeugnis von der Liebe Gottes (etwa 227: Gott hat uns „aus reiner
Liebe auserwählt und für seine Gemeinschaft vorherbestimmt"), ferner
in einer Christozentrik, die doch kein Christomonismus ist. Jesus
Christus wird verstanden als Mitte und Ziel der Geschichte (etwa 128,

262) und als das Geheimnis des Menschen (etwa 124). Andererseits
wird auch außerchristliches religiöses Suchen und außerbiblische
Wahrheit anerkannt (etwa 164: logos spermatikos).

KEK ist stark ökumenisch ausgerichtet. Dabei wird aus der deutschen
Situation heraus das Gespräch kaum mit den Ostkirchen, aber
häufig mit der reformatorischen Position geführt. Viele Kontroversen
des 16. Jhs. um Gnade und Rechtfertigung seien „Scheingegensätze"
gewesen (246), und im „persönlichen Vollzug des Glaubens" sei „eine
erstaunliche Nähe und tiefe Gemeinsamkeit" gegeben (246). Ein Kontroverspunkt
in der Rechtfertigungslehre ist nach KEK nach wie vor
die Frage menschlicher Mitwirkung bei Rechtfertigung und Hcilsver-
mittlung (so 239, 247). Freilich sei die menschliche Freiheit „keine
autonome Freiheit gegenüber Gott, sondern eine geschenkte Freiheit"
(239). Besteht dann aber überhaupt noch eine kirchentrennende Differenz
an diesem Punkt? Luther wird in KEK vorgeworfen, er mache
die Rechtfertigungslehre „einseitig zum Kriterium des ganzen Glaubens
" (236). Doch sagt KEK selbst: „Die Botschaft von der Gnade ist
ja in gewissem Sinn der Inbegriff des ganzen Christentums" (237). Der
Grundkonsens wird dann auch zugegeben: „Christliche Existenz ist
ganz und gar verdankte Existenz, Existenz im Danken. In diesem
Punkt besteht volle Übereinstimmung mit den Reformatoren"
(238).

Eine konfessionelle Hauptdifferenz liege heute „im Verständnis der
Kirche, ihrer Sakramente und Ämter" (247). Den „neuralgischen
Punkt in der ökumenischen Auseinandersetzung um die wahre Kirche
" sieht KEK in der Frage: „Wo begegnen wir also heute dem Wort
der Apostel? Wie können sie gegenwärtig sein bis zum Ende der Zeit?"
(289). KEK vertritt „die Überzeugung der katholischen Kirche, die
eine wahre Kirche Jesu Christi zu sein und die Fülle der Heilsmittel zu
besitzen" (282). Unklar bleibt dabei der kirchliche Status nichtkatholischer
Christen. Es gebe „verschiedene Weisen und Grade der Zugehörigkeit
zur Kirche" (265). Gehören dann nichtkatholische Christen
nur in abgeschwächter Form zu Kirche Jesu Christi? KEK signalisiert
angesichts der Existenz nicht-römischer Kirchen eine Verlegenheit:
„Die Katholizität der Kirche wird nämlich verdunkelt durch die Existenz
anderer Kirchen und Kirchengemeinschaften, die ihrerseits den
Anspruch auf Katholizität erheben. Durch solche Spaltungen verliert
die Kirche nicht ihre Katholizität, aber sie erschweren es der Kirche,
die ihreigene Fülleder Katholizität... auszuprägen" (288).

An manchen Stellen scheint freilich die Selbstbehauptung der
römisch-katholischen Kirche etwas durchbrochen zu werden. Es finden
sich Aussagen, in denen die Kirche relativiert wird: „Die Kirche
ist nicht einfachhin der fortlebende Christus, wohl aber lebt und wirkt
Jesus Christus in der Kirche fort" (275). „Bei allem Endgültigen und
Bleibenden, das sie zu bezeugen hat, lebt die Kirche als Volk Gottes
von der Proklamation, daß nicht sie selbst das endgültige Ziel ist"
(274). Es klingt sogar der Gedanke an, daß die Kirche nicht nur „Kirche
der Sünder" (285), sondern selbst Sünderin, peccatrix sein könnte:
„Gerade die Kirche, die die Vergebung der Sünden verkündet, kann
im Vertrauen auf Gottes Vergebung ihre eigene Schuld bekennen"
(256; vgl. auch 257). Erstaunlich ist auch folgender Gedanke: Das
durch selbstlose Liebe qualifizierte „Reich Gottes" und das durch
Selbstliebe qualifizierte „Reich der Welt" lassen sich „nicht äußerlich
trennen; beide Größen sind sowohl in der Kirche wie in der Gesellschaft
und im Staat miteinander vermischt" (241).

Stuttgart Andreas Rössler

Reller. Horst, u. Rita Grohmann: Lernen um zu lehren. Eltern geben
Vorkonfirmandenunterricht. Unter Mitarb. von H. W. Hastedt.
G. Scholz u. E. Reichelt. Gütersloh: Gütersloher Vcrlagshaus Gerd
Mohn 1985. 144 S. m. Abb. 8° = Priestertum aller Gläubigen
aktuell. Kart. DM 16,80.

Anfang der 80er Jahre wurde den Synoden und Kirchcnleitungen in
der Bundesrepublik Deutschland immer deutlicher bewußt, daß die
Volkskirche nicht nur an ihren Rändern, sondern auch in ihrem Kern