Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1986

Kategorie:

Philosophie, Religionsphilosophie

Titel/Untertitel:

Neuerscheinungen

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

467

Theologische Literaturzeitung 111. Jahrgang 1986 Nr. 6

468

anhand von Arbeitspapieren und Diskussionsprotokollen vorgestellt.
Gemeinsam ist allen Beiträgen, daß das Phänomen einer „neuen"
oder „wiederkehrenden" Religion nicht getrennt von Religion a se betrachtet
werden kann. Daher nimmt es nicht wunder, daß Konstanten
der religiösen Dimension, wie Kontingenzbewältigung oder Integrationsfähigkeit
der Religion, immer wieder, freilich in unterschiedlicher
und teilweise kontroverser Wertung, Zielpunkte der Erörterung
bilden.

Die Arbeitspapiere: W. Ch. Zimmerli: Wie neu ist die neue Religiosität?
Von Konsistenz und Widerspruch in der Suche nach Unmittelbarkeit (9-24);
C.-F. Geyer: „Neue Mythologie" und „Wiederkehr von Religion" (25-54);
N. Bolz: Thesen über inverse Theologie (55-62); T. Rendtorff: Perspektiven
einer Religionsgeschichte der Neuzeit (63-73); R. P i e p m e i e r: Religions-
begrifTund VernunftbegrifT (74-92); Th. Rentsc h: Thesen zur Kritik der religiösen
Vernunft (93-109); O. Marquard: Miszelle: Zum Versuch einer Psychologisierung
der Religion: Hermann Siebeck (I lOß; A. Sc hwan: Christliche
Hoffnung versus politische Utopie in der Angstgesellschaft. Religiöse Reflexionen
zum Erfordernis einer „Wiederkehr von Religion" (112-123); L. Oeing-
Hanhoff: Kriterien der wahren Religion. Thesen zum Kolloquium „Wiederkehr
von Religion" (124-129).

Die Diskussionsprotokolle, für die Buchfassung leicht bearbeitet, stellen die
andere Hälfte der Veröffentlichung dar.

Daß die Diskussion um das Fragezeichen nach Religion mit dieser
Publikation nicht beendet ist, liegt auf der Hand. Aber es ist ein
dankenswertes Unternehmen, diese aktuelle Problematik, die mit der
Frage nach Religion aufbricht, nicht hinter schalldichten Türen zu
verhandeln, sondern dem Leserpublikum vorzustellen. Zwei weitere
Kolloquien sollen folgen („Wahrheitsansprüchc der Religion heute"
und „Leiden").

R. M.

Dunning, Stephen N.: History and Phenomenology: Dialectical Structure in
Ricoer's. The Symbolism of Evil. (HThR 76,1985,343-363)

Güttgemanns, Erhard: Zur Normativität des Historischen. Wissenschaftstheoretische
und methodologische Reflexionen zum ontologischen Status
„historischer Sätze". (LingBibl 57,1985,7-60)

Schöpf, Hans-Georg: Das „Etsi deus non daretur" und die Naturwissenschaften
. (Standpunkt 13,1985,320-325)

Systematische Theologie: Dogmatik

Foster, Durwood, and Paul Mojzes [Ed.]: Society and Original Sin.

Ecumenical Essays on the Impact of the Fall. New York: Paragon
House 1985. V, 193 S. 8".

Der vorliegende Band enthält vierzehn Beiträge, die für ein ökumenisches
Seminar erarbeitet wurden, das im Februar 1983 in Nassau
(Bahamas) stattgefunden hat. Fünf der Verfasser gehören der Vereinigungskirche
(Unification Church) an:

Young Oon Kim erinnert in "Satan: Reality or Symbol?"
(S. 21-36) an die Satanologie der frühen Kirche, wie sie bei Barnabas
und in den Ignatien nachweisbar sei. Der Protestantismus habe dieses
Gebiet vernachlässigt. Die einzige positive Ausnahme in neuerer Zeit
sei der Schwede G. Wingren. Sarah E. Petersen wendet sich in
"The Fall and Misogyny in Justin Martyr and Clement of Alexandria
" (S. 37-51) gegen die mit der Erbsündenlehre oft verbundene
Frauenfeindschaft und verweist auf Justinus Martyr und Clemens von
Alexandrien, die die Rolle der Frau in der Gemeinde günstiger beurteilt
hätten. Jonathan Wells legt in "Some Reflectionson the Unification
Account of the Fall" (S. 62-72) die differenzierte, streng mono-
genistische Sicht der Vereinigungskirche in der Erbsündenfrage dar.
Vf. betont die Freiheit und Verantwortung des ersten Menschenpaares
, das sich vor dem Fall, der in Gottes Planen nicht vorgesehen war,
im Stadium der Unschuld und Unreife befunden habe. Thomas
Walsh befaßt sich in "The Response toSuffering" (S. 119-132) aus
der Sicht theologischer Ethik unter häufiger Zitation von S. M. Moon
mit dem Problem des Leidens Gottes. Gott leide in Abhängigkeit vom

Handeln der Menschen. In Anlehnung an R. Niebuhr setzt sich der
Vf. für eine Ethik der Verantwortung ein. Lloyd Eby plädiert in "Original
Sin and Human Value" (S. 133-148) für eine von der Wirklichkeit
des Menschen aus argumentierende Anthropologie. In vordergründiger
Manier polemisiert der Vf. gegen den Marxismus, der angeblich
, indem er'Sündigkeit als ontologisches Problem negiere und
menschliches Versagen auf die Erziehung oder die gesellschaftlichen
Verhältnisse zurückführe, Rassismus, Sexismus und Imperialismus (!)
begünstige.

Den vorstehend angeführten Beiträgen ist gemeinsam, daß sie auf
den Lehrgründlagen der Vereinigungskirche ("Divine Principle")
basieren. Die weiteren Autoren gehören verschiedenen Konfessionen
an:

Hans Schwarz (Lutheraner) deckt in "The Human Prospect in the
Light of the Fall" (S. 1-12) den Unterschied zwischen tradierter Erbsündenlehre
und dem Jahvisten auf. Letzterer kenne keine Abhängigkeit
späterer Sünden vom Fall Adams. Die Versuchung sei aus der
Kreatürlichkeit (Schlange) gekommen, nicht aus einem widergöttlichen
Prinzip. Maurice Boutin untersucht die Auswirkungen der
Sünde in der gesellschaftlichen Dimension in "The Fall: Its Factual
Acceptance and Practical Meaning in Contemporary Society"
(S. 13-20) und wertet als symptomatisch, daß bereits die erste Sünde
eine Sünde in Gemeinschaft war. Sulagman S. N y a ng (Moslem) vertritt
in "The Islamic Concept of Sin" (S. 52-61) die These von der
nach dem Fall erhalten gebliebenen Fähigkeit des Menschen, durch
Glaube und gute Werke zum Heil zu gelangen. Allah gebe jedem
Menschen eine Chance. Vf. betont den engen Zusammenhang von
Politik und Moral. Durwood Foster (Methodist) verweist in "The
Fall in Divine Principle" (S. 73-85) auf das ungelöste Problem der
Transmission der Erbsünde sowie auf Widersprüche in der Lehre der
Vereinigungskirche. Dem christlichen Glauben sei die Interpretation
des Kreuzesgeschehens als Sieg satanischer Mächte fremd. Gene G.
James befaßt sich in "The Unification Doctrine of the Fall and the
Problem of Evil" (S. 86-99) mit der Theodizeefrage. Gott habe
willentlich ein erstes Menschenpaar geschaffen, dessen Handlungen er
nicht voraussagen konnte. Dadurch sei ein Moment des Kontingenten
in den Ablauf des Weltgeschehens gekommen. Für das Böse in der
Welt sei der Mensch verantwortlich. J. Deotis Roberts (Baptist)
bezeichnet in "A Good Thing Spoiled" (S. 100-105) die Theologie
der Befreiung sowie die politische Theologie als Schritt auf dem Wege
zum Abbau sündiger Sozialstrukturen. Paul Mojzes (Methodist) will
mit seinem Beitrag "The Cracked Mirror" (S. 106-118) den Dialog
sowohl mit Marxisten als auch mit der liberalen Theologie und der
Vereinigungskirche aufnehmen. Vereinigungskirche und liberale
Theologen stimmen nach Meinung des Vf. darin überein, daß sich
Gottes Ziele mit der Menschheit durchsetzen werden. M. Darrol
Bryant sieht in "Sin and Society" (S. 149-163) die Sündigkeit des
Menschen im Kontext des alltäglichen Lebens bestätigt. Jedoch sei
eine Neuinterpretation von Erbsünde, etwa wie sie sich im Social
Gospel anbiete, vonnöten. Carl Skrade wendet sich in "The Oppo-
site of Sin is Love" (S. 164-182) gegen ein legalistisches Verständnis
von Sünde. Sünde sei der hybride Anspruch des Menschen, Gott
gleich sein zu wollen. Ihr Gegensatz sei nicht Tugend, sondern Liebe
entsprechend der Lehre Jesu.

Eine Fortführung der Diskussion zu den angeschnittenen Sachproblemen
dürfte durchaus wünschenswert sein. Ob sich daraus aber eine
dialogische Koexistenz mit der Vereinigungskirche ergeben kann,
dürfte im Hinblick aufdie eigenwillige und in vieler Hinsieht mythologisierende
Theologie von Divine Principle doch fraglich erscheinen
.

Potsdam Ilse Bertinetti

Schütz, Christian: Einführung in die Pneumatologie. Darmstadt:
Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1985. VII, 332 S. 8* = Die
Theologie. Einführung in Gegenstand, Methoden und Ergebnisse
ihrer Disziplinen und Nachbarwisscnschaftcn. Kart. DM 69,-.