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Ausgabe:

1986

Spalte:

462-465

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Titel/Untertitel:

A collection of hymns for the use of the people called Methodists 1986

Rezensent:

Minor, Rüdiger

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Theologische Literaturzeitung 111. Jahrgang 1986 Nr. 6

462

Das vorliegende Buch ist eine Erlanger Dissertation von 1980. Der
Druck der Arbeit war angezeigt. Ein geschlossenes thematisches Feld,
über das bislang an einem Ort versammelt kein zusammenhängender
Überblick möglich war, wird gründlich und reichlich vollständig vorgestellt
.

Um den von dem Buch zu erhoffenden Gewinn abschätzen zu
können, muß der Leser zwei Voraussetzungen des Autors berücksichtigen
: Erstens definiert er den Begriff der Evangelienharmonie
nicht von einem vorgefaßten Modell her, sondern läßt das Problembewußtsein
des jeweiligen Verfassers leitend sein, nämlich seine Auseinandersetzung
mit einer Vielzahl von Evangelien und der Frage
nach deren Konsens (S. 28); zweitens gibt das Jahrhundert die Beschränkung
an, so daß spätmittelalterliche Frömmigkeit und frühorthodoxe
Lehrfestigung nur am Rande mehr als in ihrer Eigenart vorgeführt
werden. Es sind also Harmonien, Evangelienreferate und
Synopsen des 16. Jhs. vorgestellt. Für den Autor rechtfertigt dies sich
aus der Fragestellung nach einem allen vier Evangelien gemäßen
Leben Jesu, ebenso aus dem Ergebnis, wonach durch Andreas Oslander
das Thema einer Vereinigung aller Evangelien seine gründlichste
Aufarbeitung erfahren habe, in einem Werk zudem, das Züge der
Harmonie mit denen der Synopse verschmilzt.

Nach sieben Kapiteln gegliedert baut sich das Buch in drei Hauptteilen
auf. In der Mitte steht die Harmonie des Andreas Osiander von
'537; davor werden die altkirchlichen Arbeiten, soweit sie für
Osiander und seine Zeit von Belang sind, weiterhin Gerson sowie aus
'hm oder aus Tatian fließende Arbeiten charakterisiert, danach das
Weiterwirken Oslanders in von ihm abhängigen Arbeiten und Versuche
, die seinem Werk zeitlich folgen.

Solch klare Disposition hängt auch zusammen mit dem genannten
Ergebnis der Untersuchung von Oslanders Werk, welches gemäß der
Einleitung, der synoptischen Übersicht, dem griechisch-lateinischen
Paralleldruck und dem Kommentar erläutert wird. Der äußere Anlaß
Pur Osiander seien Predigten im konfessionellen Streit gewesen.
Osiander habe, um sicher zu argumentieren gegen die Altgläubigen,
sich vorgenommen, das Evangelium von Christus auszulegen, und sei
so auf das Problem eines Konsenses der Evangelien gestoßen. Der
mnerc Grund freilich sei seine Wort-Lehre gewesen, welche in seiner
Gotteslehre gründe. Wenn Wünsch die Harmonie Oslanders in dessen
Gotteslehre fundiert sieht, so verfolgt er neuere Osianderforschung
weiter, welche Oslanders Theologie insgesamt als konsequente Got-
'eslehre zu verstehen sucht. Aus dem Satz: „in Deum non cadit
uccidens", ergebe sich über die Wortlehre, daß kein Widerspruch in
den Evangelien enthalten sein könne. Lassen sich auf die Schrift die
göttlichen Attribute übertragen, folge für deren Auslegung: „Es gibt
eben bei solchen Entscheidungen keine Akzidentien, die der wissenschaftlichen
Diskussion überlassen bleiben und den Glauben unberührt
lassen könnten" (S. 96). Die vier Evangelien warten geradezu
darauf, ineinandergefügt zu werden. Zur vollkommenen Wider-
spruchslosigkeit gehört, daß die zeitliche Ordnung auch eines jeden
Evangeliums gewahrt werde. Daraus folgt wiederum für viele Peri-
kopen ihre „Dissimilierung", das heißt, Parallelperikopen müssen
Wegen der verschiedenen Akoluthie als verschiedene Ereignisse eingeordnet
werden.

Die Wirkungsgeschichte der Harmonie wird ebenso eingehend fürs
'6. Jh. beschrieben wie für die Zeit kritischer Evangelienforschung.
Gegen die neuere Forschung seit der modernen Bibelkritik und gründlicher
als jüngste Osianderdarstellungen kann der Autor die Arbeit
Oslanders würdigen. Wissenschaft sei sie auf ihre Art, indem sie das
Programm Oslanders „Credidi, propter hoc locutus sum" (S. 99),
durchgeführt habe: die Wort- und Gotteslehre des Autors hat sich in
der Harmonisierbarkeit der Evangelien verifiziert. Geschichtlich notwendig
erweise sie sich vor der modernen Bibelkritik, indem sie deren
Weg ex negativo vorbereitet habe: Nur nachdem er so konsequent abgeschritten
worden sei, war ein grundsätzlicher Gegenentwurf zu
einem wie ehedem angezielten, aber unerreichbaren Leben Jesu nach
den Evangelien möglich.

Von dieser Sicht her wäre des Autors Verfahren legitim, die Vorläufer
und Nachfolger Oslanders darzustellen in Hinsicht auf dessen
Frage der totalen Harmonisierbarkeit des Evangelienstoffes. Au-
gustins Lösung, wonach die Evangelisten mit Vorgriffen und Rekapitulationen
gearbeitet hätten, und die Durchführung solchen Programms
bei Gerson werden letztlich von Osiander her als Postulat,
nicht als Aufweis evangelischer Einheit distanziert. Ahnlich ergeht es
den gegen Osiander selbständigen Nachfolgearbeiten. Dennoch sind
alle besprochenen Harmonien in ihrer wissenschaftlichen Arbeit,
Pastoralen Absicht, ihrer Kraft der Komposition, ihrem inneren Ziel
etc. gründlich dargestellt, besonders schön die auf Osiander fußende
Arbeit des katholischen Bischofs Cornelius Jansen.

Zu jedem Werk und Autor sind gründliche Literaturangaben verzeichnet
. (Daß zu der Harmonie von Beringer H. Röttingers Buch
über H. Vogtherr d. Ä. nicht genannt ist, führt zur unnötigen Zögerlichkeit
bei der Zuschreibung des Titelholzschnittes an Vogtherr; bei
Röttinger wäre weiter zu lesen, welche der pädagogischen Textholzschnitte
von Vogtherr, welche von zweien seiner Schüler
stammen.)

Der für die übersichtliche Darstellung so vieler Werke dankbare
Leser fragt sich allenfalls, ob der systematische Ansatz stringent ist:
Wird Osiander von der Gotteslehre her - überzeugend - verstanden,
so kann seine Würdigung nicht erfolgen, indem seine Harmonie als
Konsequenzerfüllung für eine Anschauung steht, welche erst in aller
Härte aufgetreten sein mußte, um überwunden zu werden. Der Autor
nimmt sein Kriterium so aus der modernen Forschungslage, deren
Unverständnis Osiander gegenüber er aufzeigt. Mit der Fixierung
durch solche allerdings nicht thematisierten Rücksichten hängt zusammen
, wie wenig der Autor die Gattung von Harmonie und
Synopse im 16. Jh. in ihrer Dependenz, Ablösung und Verflechtung
mit anderen Gattungen wie Passionen, Spruchsammlungen, Paraphrasen
etc. betrachtet. Er hätte den Gestaltwandel religiöser Lektüre
mit beschrieben und wäre so auf die ausführliche Leben-Jesu-
Darstellung in der Übersetzung nach Ludolf von Sachsen (den
Wünsch nennt, aber nicht bespricht) durch J. Schott, Straßburg 1508,
gestoßen. Es muß dies Werk aus Evangelientexten und altkirchlichen
Kommentaren nicht das gewesen sein, das Osiander als seine Predigtvorlage
nennt, dürfte aber den Charakter des homiletisch und wissenschaftlich
Überwundenen bezeichnen.

Stuttgart Stefan Strohm

Kirchen- und Konfessionskunde

[Wesley, John:] The Works of John Wesley. Vol. 7. A Collection of
Hymns for the use of the People called Methodists. Ed. by F. Hildebrandt
and O. F. Beckerlegge with the assistance of J. Dale. Oxford:
Clarendon Press 1983. XV, 848 S. gr. 8" = The Oxford Edition of the
Works of John Wesley. Lw. £ 45.-.

John Wesley, der Gründer der heute weltweiten Gemeinschaft
methodistischer Kirchen, tritt mehr und mehr ins Blickfeld der Theologen
. Das gilt vor allem für den englischsprachigen Bereich, aber
auch deutsche Autoren - und nicht nur methodistische - haben sich in
jüngerer Zeit mit ihm befaßt. Was diese Arbeiten und eine weiter
verbreitete Kenntnis Wesleys erschwerte, ist das Fehlen einer
kritischen wissenschaftlichen Ausgabe seiner Werke. Die heute noch
allgemein gebrauchte „3. Ausgabe" in 14 Bänden von Thomas
Jackson stammt aus dem Jahr 1821 und ist seitdem unzählige Male
nachgedruckt worden. Sie kann heutigen wissenschaftlichen Ansprüchen
nicht genügen. Zwar liegen für wichtige Schriften (Tagebücher
, Predigten, Briefe) die „Standard-Ausgaben" der britischen
Methodistenkirche aus dem ersten Drittel unseres Jahrhunderts vor,
aber auch sie entsprechen nicht dem heuligen Stand-bzw. sind durch
neues Material überholt.

Vor allem der Anregung des in den USA (Duke-University, Dur-
ham NC) lehrenden Engländers Frank Baker ist der Plan einer neuen