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Ausgabe:

1986

Spalte:

457-459

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Titel/Untertitel:

Studia Patristica. Vol. XVI 1986

Rezensent:

Karpp, Heinrich

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Theologische Literaturzeitung 111. Jahrgang 1986 Nr. 6

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Ich vermute fast, es hätte sich dabei' gezeigt, daß die Verselbständigung
der Ekklesiologic, ein für heutiges Theologisieren so
typisches Phänomen, der Bibelthcologie des Origenes gegenüber in
ein etwas merkwürdiges Licht geriete. Denn diese Bibelthcologie
konnte, wie sie es an einer berühmten Passage des 10. Buches des
JohComm unter Beweis stellt, das Ganze der Heilsökonomie im
Leibe des Passalammes dargestellt finden. Kein Platz bleibt mehr für
eine Verselbständigung der Kirche gegenüber dem Vorgang, in welchem
der von dem erhöhten Christus ausgehende Geist wie Feuer
immer neue Teile der Heilsgeschichte so erleuchtet, daß Menschen
ihre Zugehörigkeit zu ihr zu erkennen vermögen.

Dieser Einwand schmälert nicht die Dankbarkeit für ein Buch, aus
dem vor allem alle die zu lernen hätten, die glauben, dem jüdischchristlichen
Gespräch durch anachronistische Kraftsprüchc und
Pauschalurteile (besonders gegenüber Kirchenvätern!) im Stile von
R. Ruether dienen zu können. Wie man an Sgherris Darlegungen
sieht, dürfteeher das Gegenteil derFal! sein.

Berlin Wolfgang Ullmahn

Studia Patristica. Vol. XVI. Papers presented to the Seventh International
Conference on Patristic Studies held in Oxford 1975.
Part II: Monastica et Ascetica, Orientalia, E Saeculo Secundo,
Origen, Athanasius. Cappadocian Fathers, Chrysostom, Augustine.
Ed. by E. A. Livingstone. With a Cumulativc Index of Contributors
to Studia Patristica Vols. I-XVI. Berlin: Akademie-Verlag 1985.
XI. 614 S. gr. 8° = Texte und Untersuchungen zur Geschichte der
altchristlichen Literatur, 129. Kart. M 120,-.

Der vorliegende Band setzt die Veröffentlichung der Beiträge fort,
die 1975 zur 7. Internationalen Patristischen Konferenz in Oxford
eingereicht wurden. Der erste Teil erschien 1984 als Band XV der
Studia Patristica und wurde in der ThLZ 110, 1985, 748 angezeigt.
Was dort über die Papers und ihre Veröffentlichung allgemein gesagt
Wurde, ist nun bei der Vorstellung des abschließenden zweiten Teiles
fortzusetzen und zu ergänzen.

Werfen wir zuerst einen Blick auf die Gliederung beider Bände. Die
l°6 Beiträge des Kongresses von 1959 waren in 4 Bänden (Stud.
Patr. HI-VI)auf 12 Abschnitte oder Kapitel, die 167 von 1971 (Stud.
Patr. XII-XIV) auf 15 Abschnitte verteilt. Es ist sehr zu begrüßen,
daß die große Vielfalt der Themen, die mit der Zunahme kürzerer Beiträge
gewachsen war, durch Vermehrung der Sachgruppen überschaubarer
geworden ist. (Die durchschnittliche Länge beträgt jetzt
L6 Seiten je Paper gegenüber 10,5 Seiten bei der Konferenz von
1°59.) Neue Kapitel bilden jetzt z. B. die Arbeiten zum 2. Jh. und zu
Chrysostomus.

Aus dem Inhalt des 2. Teils sei besonders das hervorgehoben, was
zur Charakterisierung des Ganzen beitragen kann. Nicht selten werden
historische Probleme durch ganz moderne Fragestellungen neu
beleuchtet und belebt, wenn nicht überhaupt um ihretwillen aufgenommen
. Man könnte z. B. in dem ersten und dem letzten Beitrag
zu den „Monastica et Ascetica" ein verstärktes Interesse an der
sozialen Stellung der Frau erkennen. Del Val bringt eine neue, auch
sozial ausgerichtete Interpretation des „Institutio virginum" des
Leander von Sevilla. Obwohl dieser „Anleitung" die normierende
Struktur fehle, will er sie doch als eine situationsgemäße „Regel" verstehen
, in deren Grundprinzipien die Keuschheit weniger wichtig sei
als die liebende Gemeinschaft, die im Kloster auch die Standesunterschiede
zwischen freien Nonnen und Sklavinnen grundsätzlich
aulhebt. Gegen Ende des (XI.) Kapitels untersucht dann Benedicta
Ward „Apophthegmata Matrum" auf die besonderen Lebensbedingungen
weiblicher Eremiten hin. Unter den „Orientalia" greift
Khoury in einer Untersuchung zu dem Syrer Ephracm das Problem
Oer Sprache auf. das auch in Beiträgen zu Gregor von Nazianz (von
^Pidlik) und zu Augustin (von Kelly) begegnet.

Selbstverständlich sind auch die Beiträge ohne solche Anknüpfung
an gegenwärtige Fragestellungen durchweg lesenswert, weil sie die geschichtliche
Forschung weiterführen und anregen. Das gilt z. B„ wenn
Bray in der Abteilung „E Saeculo Secundo" (XI) Tertullians enge
Verbindung der Heiligkeit (holiness) mit der Keuschheit auf
römisches Erbe zurückführt, ebenso, wenn Devoti zeigt, daß Hera-
kleon von den Psychikern eine mehr geschichtliche als substantia-
listische Auffassung hat, womit er dem Stufendenken des Origenes
recht nahe kommt.

In einem der längsten Beiträge des Bandes prüft Cecile Blanc (in
Kap. XII), wie Origenes das biblische Zitat „Gott ist Pneuma" gemeint
hat. Sie kommt zu dem Ergebnis, er wolle damit nicht Gottes
immaterielles, noetisches Wesen definieren (wozu, fügen wir hinzu, er
den Begriff in anderem Zusammenhang aber auch benutzen könnte,
wie De princ. 1,1,4 zeigt), sondern bezeichne ähnlich wie mit den
Worten „Licht" und „Feuer" im Sinne der Bibel die göttlichen Wirkungsweisen
: «Dieu est pneuma: il vivifie». De Lange scheint dem
Origenes bei seiner Bewertung der Septuaginta im Brief an Afrikanus
etwas zuviel Taktik zuzuschreiben, statt noch mehr mit einem
Schwanken zwischen kirchlichem und wissenschaftlichem Denken zu
rechnen. Das Kapitel schließt W. Ullmann mit einem Beitrag zur
Sophia-Lehre ab, wobei er mit großem, vielleicht allzu großem Nachdruck
versichert, Origenes habe, als er die Sophia zum „christolo-
gischen Grundprinzip" machte, die Logoschristologie nicht auf seine
Weise vertreten, sondern sehr energisch kritisiert.

Von den sechs Arbeiten zum Athanasius sei nur die von Dragas
genannt. Er warnt davor, dem Alexandriner eine reine Logos-Sarx-
Christologie zuzuschreiben, da er sich auch des Logos-Anthropos-
Schemas bediene, und begründet den Einspruch mit scharfen Begriffsbestimmungen
. In einem Paper zu den Kappadoziern (Kap. XIV)
macht Ettlinger auf methodische Gefahren aufmerksam, die bei
modernen Fragen an die Kirchenväter leicht auftreten. Wenn man
etwa wie er selbst deren Meinung über „die menschliche Personwürde
" wiedergeben will, dürfe man nicht einige extreme Äußerungen
zitieren, sondern müsse auch die Stimmen derer zu Gehör
bringen, die im Anschluß an bekannte Bibelstellen wenigstens theoretisch
eine Gleichberechtigung der Frau vertraten, ohne praktische
Folgerungen zu ziehen. Dasselbe Kapitel und das folgende (XV) über
C hrysostomus enthalten mehrere Arbeiten, die dem alten Thema
„Christentum und Antike" neue Einsichten abgewinnen. Sykes legt
dar, daß Gregor von Nazianz als Dichter es für sein selbstverständliches
Recht hielt, die christlichen Inhalte in strengen
klassischen Formen auszusprechen. Nach Natali läßt sich das soziale
Verhalten vieler antiochenischer Christen, mehr als bisher geschehen,
aus dem agonalen Element der griechisch-römischen Kultur herleiten
. Und wie sehr das Verhältnis zur Antike eine praktische
Lebensfrage sein konnte, macht Cioffi anschaulich. Die kunstgemäße
literarische Behandlung einer alten philosophischen Maxime („der
Mensch kann nur durch sich selbst Schaden leiden") erklärt er nicht
als Rückfall des Bischofs Chrysostomus in jugendliche Neigungen,
sondern als „pastorale Kondeszendenz" zu gebildeten Gemeindegliedern
.

Die umfangreichste Abteilung dieses zweiten Teiles ist Augustin
gewidmet und umfaßt neben geschichtlichen und literargeschicht-
lichcn Beiträgen (z. B. dem Zumkellers über die Arbeitsweise des
Afrikaners) vorwiegend theologische einschließlich der Exegese (z. B.
von Babcock zu Rom 9,11-13). Die schon erwähnte Untersuchung
Kellys über Augustins Theorie der sprachlichen Zeichen gehört zu
den wenigen Papers, die dem Einfluß der Väter auf viel spätere Zeiten
nachgehen, in diesem Falle auf die der aristotelischen Tradition zugewandte
grammatica speculativa des 13. Jhs. Das frühe Mittelalter
ist, wie sich schon gezeigt hat, im ganzen öfter berücksichtigt worden.
Dazu zeigt Ray, wie Beda durch Augustins Schrift „De Consensu
Evangelistarum" mit der klassischen Theorie der Geschichtsschreibung
bekannt wurde, die dann zusammen mit den biblischen
Vorbildern seine eigene, einflußreiche Geschichtsschreibung
prägte.

Der Gesamteindruck dieses patristischen Sammelwerkes wäre un-