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Ausgabe:

1986

Spalte:

455-457

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Sgherri, Giuseppe

Titel/Untertitel:

Chiesa e Sinagoga nelle opere di Origene 1986

Rezensent:

Ullmann, Wolfgang

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Theologische Literaturzeitung 111. Jahrgang 1986 Nr. 6

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Arnobius mit dem Neuplatonismus in Verbindung gebracht wird
(51-55). Nicht nur kommt dabei die Chronologie zu kurz (vgl. 90 u.
124, wo der Neuplatonismus vor Origenes angesetzt wird), sondern es
fehlt auch eine exakte Beweisführung (vgl. 55, mit den Texten, die
nichts beweisen). Noch mehr mangelt es in der Beurteilung der Orthodoxie
des Arnobius an Kritik. Es wird nicht gesagt, was unter Rechtgläubigkeit
zu verstehen ist. Ohne Zweifel mußte Arnobius um 300
nicht fürchten, wegen seinen, damals auch von anderen christlichen
Theologen vertretenen Auffassungen von der menschlichen Seele aus
de communio fidei ausgeschlossen zu werden. Anders verhält sich
jedoch die Sache, wenn man die Rechtgläubigkeit seiner Lehre vom
Menschen und damit von der Seele - das ist das Gleiche; denn homi-
nes sunt animae corporibus clausae (vgl. S. 27) - an der Heiligen
Schrift, der norma normans, bemißt. Oder hätte Arnobius, wenn er
sich an die ganze Bibel gehalten hätte, nicht eine optimistischere
Anthropologie vertreten müssen? Aber eben, das AT galt ihm nicht
viel (vgl. AdvNat 3,12), und das NT stand auch nicht groß im Kurs bei
ihm. Gerade im Hinblick auf die Schriftnähe hätte ein Vergleich mit
den vorausgehenden Autoren, die von der naturhaften Sterblichkeit
und der gnadenhaften Unsterblichkeit der menschlichen Seele ähnlich
dachten, viel weiter geführt (vgl. 79-92). Wie kann man übrigens
behaupten, Gregor hätte die gleichzeitige Schöpfung der Seelen und
der Welt vertreten, wo doch feststeht, daß er die origenische Auffassung
von der Präexistenz der Seele klar ablehnte (93)? Die Frage
nach der Orthodoxie des Arnobius leidet jedoch noch unter einem
anderen Mangel. A. fragt sich nicht weiter, wie Christus, dem der
Mensch die Erkenntnis seiner Natur verdankt (16f). nach Arnobius
sich zum Deus princeps verhält. Ist er Gott, wie dieser, oder einfach
etwas höher als die Götter? Diese Frage wird nicht nur vernachlässigt,
sondern eine Antwort darauf wird vielmehr auch dadurch erschwert,
daß Texte, die offensichtlich vom Deus summus sprechen, auf Christus
gedeutet werden. So geht es nicht an, in AdvNat 2,78 salutaris
Deus als Christus zu verstehen und gar ein „Vertrauen in Christus,
den Offenbarer des Heiles" hineinzulesen (vgl. 11,111,129). Übrigens
ist auch im allerdings eigentlich christologischen Text von AdvNat
1,53 keine Rede von einem „ricorso fiducioso a Cristo" (121). Ganz
falsch ist die Übersetzung von AdvNat 1,65. Es heißt dort nicht, Gott,
der Herr aller Kraft und Sieger über den Tod hätte seiner Menschheit
erlaubt, getötet zu werden (20). Vielmehr hat der virtutum omnium
dominus alque ipsius mortis exstinetor erlaubt hominem suum inter-
fici. So sollte offenbar werden, welche Hoffnung die Seelen vom dein
princeps zu erwarten hätten. Schließlich wird die an sich richtige
These über Christus, der den Menschen ihre wahre Natur kundtut,
fälschlicherweise auf AdvNat 2,60 gestützt (17); denn an dieser Stelle
ist nicht von der Erkenntnis der menschlichen Seele, sondern von der
Erkenntnis Gottes die Rede. Wenn endlich A. sich bemüht, in der
Bibliographie möglichst vollständig zu sein und neben den zwei
Handschriften (es wird nicht gesagt, woher die Angabe der zweiten
stammt) und allen Ausgaben auch die kleinsten Lexikonartikcl angibt,
mag das sehr verdienstlich sein. Mit einer kritischeren Lektüre des
Arnobius selbst hätte er jedoch dem Leser mehr geholfen. Jedenfalls
hätte er dann bei allem Wohlwollen gegenüber seinem Autor nicht geschrieben
, seine Theologie hätte sich in bezug auf Gott und Christus
ganz in der Linie der Bibel und der frühchristlichen Katechese bewegt
(144).

Rom Basil Studcr

Sgherri, Giuseppe: Chiesa e Sinagoga nelle opere di Origene. Milano:
Vita e Pensiero 1982. XXVlIf, 500 S. 8° = Studia Patristica Medio-
lanensia, 13. Kart. Lire 65.000.

Das sattsam bekannte „Jahrhundert der Kirche" scheint in absehbarer
Zeit nicht enden zu wollen. Selbst in historischen Monographien
haben ekklesiologische Themen nach wie vor Hochkonjunktur
. Aber im vorliegenden Fall wird ein Aspekt beleuchtet,
der es den Strukturen des Institutionsdenkens nicht allzu leicht macht.

das Feld der Untersuchung zu behaupten. Denn wo über Kirche und
Synagoge nachgedacht wird, kann jene sich nicht nur mit ihrem
Selbstverständnis befassen. Sie ist mit einem konkurrierenden Glauben
im Bereich der eigenen Überlieferung konfrontiert und das
religionsgeschichtliche Problem ist zugleich ein dogmatisches.

Nach einigen Einzeluntersuchungen und der Abhandlung von Vogt
aus dem Jahr 1974 haben wir hier die 2. ausführliche Monographie
zum Kirchenverständnis des Origenes. Sgherri, der sich durch Abhandlungen
über Origenes' Verständnis des Hebräischen und sein
Verhältnis zur LXX bereits zu Fragen der Beziehung Origenes-Ju-
dentum geäußert hat, geht so vor, daß er in einem einleitenden
Kapitel das historische Material über des Origenes Beziehungen zu
Juden vorstellt, das im Wesentlichen den Forschungsstand der bekannten
Monographie von de Lange dokumentiert. Der aus 6 Kapiteln
bestehende Hauptteil stellt historische Fragen weitgehend zugunsten
eines Aufrisses zurück, der das einschlägige Material zu
Synagoge und Kirche so wiedergibt, daß er zunächst die Jesus nicht
glaubene Synagoge, danach die atl. Synagoge, dann die Konfrontation
von Synagoge und Kommen Christi, dann die Kirche des NT, ihren
Bezug zu Israel behandelt, und zwar so, daß in einem Schlußabschnitt
das eschatologische Heil der Synagoge zur Sprache kommt. Eine mehr
systematische Zusammenfassung und eine Inhaltsangabe in englischer
Sprache runden das Ganze ab. Leider ist der Inhalt der systematischen
Zusammenfassung in das englische Summarium nicht mit aufgenommen
worden, was des Italienischen nicht mächtige Leser hindern
wird, Sgherris Ergebnisse aufzunehmen.

Wenn ich ihn richtig verstanden habe, lag Sgherri besonders daran,
deutlich zu machen, daß man sehen muß, wie unter den Umständen
der Spätantike das Verhältnis von Kirche und Synagoge ein in ganz
anderem Sinn polemisches sein mußte als heute, da Christen einerseits
den Juden als Repräsentanten traditioneller Verfolgermächte
gegenüberstehen, andererseits aber beiden gemeinsam eine nachchristliche
, religiös pluralistische oder agnostizistische Gesellschaft.

Auf diesem Hintergrund arbeitet Sgherri in detailgesättigten Textinterpretationen
heraus, wie das Skandalon des Kreuzes - in ganz
anderer Weise, als das heute nachvollzogen oder auch nur vorgestellt
werden kann - im 3. Jh. noch immer Christen und Juden getrennt hat.
Trotzdem - dies der 2. Schwerpunkt von Sgherris Untersuchung -
differenziert Origenes sein Urteil sehr genau, je nachdem, ob er über
Israel im Ganzen, oder nur über seine Führer, die Priester oder über
Gruppen (Pharisäer, Sadduzäer) oder über die von den Priestern beeinflußten
Massen spricht oder ebenso je nachdem, welcher heilsgeschichtlichen
Epoche die jeweilige Beziehung Volk (Synagoge) -
Kirche angehört. Eines gerät dabei niemals für Origenes aus dem
Blickfeld: Daß die Kirche von Israel herkommt und auch wenn
sie hinsichtlich ihrer Zusammensetzung vor allem eine Kirche ex
ethnon ist, das Heil nur durch Gottes Handeln an Israel zu den Heiden
kommen konnte. Darum ist die Kirche auch ständig in der Gefahr,
demselben Urteil Gottes zu verfallen wie der Unglaube der Synagoge
.

Wenn Sgherri seine Arbeit in der These zusammenfaßt, er glaube
gezeigt zu haben, welches Gewicht dem Verhältnis Kirche-Synagoge
für die Ekklesiologie des Origenes zukomme und daß diese Ekkle-
siologie sich als eine Ekklesiologie der großen Zeiten der Heilsgeschichte
erweise - so kann ich dieser These nicht zustimmen, ohne
einen Einwand zu formulieren: Wenn es sich so verhält wie Sgherri
sagt - war es dann wohlgetan, die Untersuchung nach im Wesentlichen
doch systematisch-ekklesiologischen Themen zu gliedern?
Mußte es in dieser Gliederung nicht zwangsläufig zu Überschneidungen
und Wiederholungen kommen?

M. E. hätte man dem dadurch entgehen können, daß man bestimmte
Komplexe aus dem Werk des Origenes herausgegriffen und
zum Gegenstand der Analyse gemacht hätte, z. B. bestimmte Passagen
der Exodus-Homilien, das 20. Buch des JohComm oder - auch
Sgherri kommt mehrfach darauf zurück -die Auseinandersetzung mit
der Judenrede im Gesamtaufbau von Kala Kelsou.