Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1986

Spalte:

454-455

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Amata, Biagio

Titel/Untertitel:

Problemi di antropologia arnobiana 1986

Rezensent:

Studer, Basil

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

453

Theologische Literaturzeitung III. Jahrgang 1986 Nr. 6

454

kuierung und Massentötung der jüdischen Bürger. Dementsprechend
bildet das episkopale Ringen um eine angemessen klare und entschiedene
Fassung des Menschenrcchtshirtenwortes von 1943 einen Kristallisationspunkt
(Bd. VI. Nr. 871/1 a-872/II).

In Bd. VI ist, entgegen der ursprünglichen Planung, nahezu die
Hälfte des zur Verfügung stehenden Raumes den Monaten von
April/Mai bis Dezember 1945 gewidmet. So ist dieser Band neben der
dokumentarischen Präsentation der Entwicklung von Januar 1943 bis
zum Sturz des Dritten Reiches zugleich ein gewichtiger Beitrag zur
Nachkriegsgeschichte geworden. Von besonderem Dokumentarwert
sind die mannigfachen Berichte der Bischöfe und weiterer kirchlicher
Persönlichkeiten zur kirchlichen und besatzungspolitischen Lage in
den verschiedenen Bistümern. Stellvertretend seien der „Bericht über
die Lage der Erzdiözese Breslau vom 30. 6. 1945 (Bd. VI, Nr. 996)
und die Denkschrift des Ordinariats Köln (Entwurf) von Mitte Juli
1945 (Bd. VI, Nr. 1 002) genannt. Die ost- und mitteldeutschen
Diözesen sind etwas schwächer dokumentiert als die west- und süddeutschen
, fehlen aber nicht (vgl. z. B. Bd. VI, Nr. 1 068 und
Nr. 1 031 a). Besondere kirchliche und politische Spannungsmomente
enthalten die Situationsberichtc über die Lage der Katholiken in den
Ostgebieten und über das Verhalten des polnischen Klerus und der
polnischen Bischöfe (Bd. VI, Nr. 1042 u. ö.).

Wenige Wochen nach dem Ende des Dritten Reiches war Kardinal
Bertram am 6. Juli 1945 aufschloß Johannesberg verstorben. An
seiner Stelle rückte Kardinal Frings in die gesamtepiskopale Führungsverantwortung
ein. Er hat zahlreiche Besprechungen mit Repräsentanten
der Besatzungsbehörden geführt und z. T. in Gedächtnis-
protoRolIen festgehalten, die verschiedentlich zum Abdruck
kommen. In der Bitte namentlich an die Amerikanische Militärregierung
, „in den Strafgerichten über das System des Unheils die Grundsätze
der Gerechtigkeit und Menschlichkeit walten zu lassen und die
Schuld des einzelnen durch persönliche Überprüfung, also nicht pauschal
zu bemessen", haben sich in Bayern Kardinal Faulhaber und
Landesbischof Meiser zusammengetan (Bd. VI, Nr. 1 006a und
Nr. 1 066).' Im übrigen bieten die Dokumentarstücke bis Dezember
1945 über die tagcsaktuellen und handlungspraktischen Aspekte
hinaus ein reiches Gedankenarsenal zur Schuldfrage und zu den
Ursachen der deutschen Katastrophe (pars pro toto: Hirtenwort
Gröbers vom 8. Mai 1945 = Bd. VI, Nr. 976). Nicht als apologetisch
akzentuiert gelesen werden sollten Sätze, wie sie Essener Geistliche
Mitte Mai 1945 an die Britische Militärregierung formulierten:
»• •. war ihre (seil, der Essener Katholiken) Haltung nicht etwa nur
durch Verwerfung von offenbar ungerechten Maßnahmen des Regimes
bestimmt, sondern - und darin war sie typisch für die Stellungnahme
aller bewußten Katholiken und gläubigen Protestanten in
Deutschland - durch eine grundsätzliche Ablehnung der wesentlichen
Ideen des Nationalsozialismus. Aus religiösen, weltanschaulichen
Gründen bäumte sich die christliche Volksseele innerlich auf gegen
e'n System, das die Menschenrechte mit Füßen trat..." (Bd. VI,
Nr. 978). Wie immer man dann „Verwerfung" auf der Skala von
Widerstand näher verortet, ob als Nonkonformismus, Resistenz,
Dissidenz, Dissens oder auch als aktive Tat: Die hier zum Ausdruck
kommende Tatsache einer Kluft zwischen Teilen der christlichen
Bevölkerung und dem NS-Regime bedarf widerstandsgeschichtlich
der vertieften Aufmerksamkeit.

Vom technischen Standard sind auch die beiden hier angezeigten
Bände des Dokumentarwerks mit gewohnter Solidität gearbeitet.
Besonders zu erwähnen sind die beigegebenen Auszüge aus dem
Besuchsverzeichnis Bertrams (Bd. V,XXIIff;Bd. VI, XXI ff) sowie die
Aufstellung der Teilnehmer der Fuldaer Bischofskonferenzen von
1933-1945 und des Konveniats von Kevelaer (Bd. VI, XXIV bis
XXVII bzw. XXV1II0. Klei nere Versehen sind bei der Masse des
bearbeiteten Materials und der schwierigen Druckbetreuung unvermeidlich
(z. B. Bd. V, S. 81, Anm. 1 Schaeffer statt Schaefer; S. 75,
Anm. 5 verweist auf Nr. 558, Anm. 8 statt richtig auf Nr. 550,
Anm. 8; Bd. VI, S. 545, Anm. 3 ist das Biogramm Asmussen nicht

völlig korrekt u. ä.). Offen bleibt vorerst die Frage, ob und wann der
1980 angekündigte Ergänzungsband (vgl. Bischofsakten IV, Vorwort),
dessen Notwendigkeit sich aus der Erschließung weiterer Aktenstücke
für den Zeitraum bis August 1936, insbesondere des Nachlasses
Bertram ergeben hat, vorgelegt werden kann. Auch unter diesem Gesichtspunkt
dürfte sich die durch den Tod Ludwig Volks gerissene
Lücke noch auf längere Zeit auswirken. Den Bearbeitern, der „Kommission
für Zeitgeschichte" und dem Verlag ist für die sechs Bände der
Bischofsakten, die zur Standardausrüstung der kirchlich-zeitgeschichtlichen
Forschung gehören, aufrichtiger Dank zu sagen.

Leipzig Kurt Nowak

1 Zu den Bänden I und II ThLZ 104, 1979, 205-207; III und IV ThLZ 108,
1983,210-212.

! Repgens Gedenkansprache im vollen Wortlaut in: Deutsche Tagespost
vom 18. 12. 1984. - Weitere Würdigungen erfolgten u. a. durch Oskar Simmcl
SJ: Zcitgeschichtler und vorzüglicher Stilist. Zum Tode von P. Ludwig Volk SJ.
In: Deutsche Tagespost vom 11.12. 1984; Ulrich von Hehl in: KNA Nr. 87
vom6. 12. 1984;FAZNr. 276vom6. 12. 1984.

' Eigens für protestantische Rezipienten sei auch auf den Anhang von Bd. V
hingewiesen, der, wie die Anhangteile des Dokumentarwerks insgemein, Platz
für Stücke unterschiedlichster Provenienz bietet. Unter den Nummern 20* und
20a* finden sich Schriftsätze vom 28. 10. 1940 und vom 4. 6. 1940 der DEK-
Kirchenkanzlei/Geistlicher Vertrauensrat an Hitler.

Dogmen- und Theologiegeschichte

Amata, Biagio: Problemi di Antropologia Arnobiana. Roma: LAS
1984. 172 S. Scienze Religiöse, 64. Kart. Lire 18.000.

Obwohl Arnobius von Sicca nicht zu den großen Autoren des
christlichen Altertums zählt, findet seine Schrift Adversm Nationes
(AdvNat) auch heute noch einiges Interesse. Jedenfalls konnte A. in
der Einleitung und im umfassenden Literaturverzeichnis zu seiner
Untersuchung über die Anthropologie des afrikanischen Rhetors aus
der Zeit des Diokletian auf eine ganze Reihe neuerer Publikationen
hinweisen, die sich vor allem vom religions- und philosophiegeschichtlichen
Standpunkt aus mit der genannten Apologie befassen.
Er selbst untersucht darin die Fragen, die die Psychologie und die
Anthropologie betreffen. In einem Appendix geht er zudem auf die
Frage des einen Gottes bei Arnobius ein. Der erste Teil über die
menschliche Seele ist in drei Kapitel gegliedert. Zuerst wird die Lehre
des Arnobius über die Natur, die Herkunft und die Bestimmung der
Seele vorgestellt (15-32). Darauf wird diese Lehre im Hinblick auf
ihren Philosophie- und theologiegeschichtlichen Zusammenhang
(33-97) sowie auf ihre Orthodoxie (98-104) gewürdigt. Der zweite
Teil ist dem Menschen gewidmet. Zuerst erfolgt wiederum eine Darstellung
der Lehre des Arnobius selbst: Der Mensch in seiner Natur,
seiner Vernünftigkeit, seiner Verantwortung, seiner Herkunft, seiner
Bestimmung, seinem Verhältnis zur Welt und zu Gott (107-121). Es
folgt die Frage über das Böse in der Welt (122-128). Schließlich wird
das anthropologische Denken, besonders sein pessimistischer Zug von
der Zeitgeschichte her beurteilt (129-136). Der erwähnte Appendix:
Das Problem des einzigen Gottes bei Arnobius (ein Abdruck einer in
Oxford 1983 vorgetragenen Kommunikation) (137-144) sowie die
Bibliographie, ein Verzeichnis der Stellen aus AdvNat, ein Verzeichnis
der anderen Zitate und der Namen und das Inhaltsverzeichnis
beschließen das Ganze.

Entgegen den landläufigen, eher abschätzigen Meinungen über die
Schrift Adversm Nationes sucht A„ den 2. Teil dieses Werkes von seiner
literarischen Eigenart und seinem geschichtlichen Kontext her in
ein günstigeres Licht zu stellen. Das gelingt ihm auch weitgehend.
Allerdings geschieht es zum Teil auf Kosten der Genauigkeit. Es mag
noch angehen, daß Arnobius ohne weiteres als Lehrer des Laktanz
hingestellt wird, obwohl dies keineswegs von allen angenommen wird.
Schwerer wiegt hingegen die Art und Weise, wie die Seelenlehre des