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1986

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

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Neuerscheinungen

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Theologische Literaturzeitung III. Jahrgang 1986 Nr. 6

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wiegen ab 1532 die Erstpublikationen bei weitem. Beim Studium der
Bände stellt sich der Wunsch ein, erwähnte, aber verlorene oder verschollene
Briefe einmal zusammenzustellen und zu gegebener Zeit in
einer Liste zusammenzufassen.

Der Briefwechsel der Jahre 1532/33 verfolgt als Hauptthemen den
Tod Zwingiis, die Sorge um die Zukunft der Reformation in Zürich,
Spannungen mit den Wittenbergern, Vermittlung von Pfarrern, Erteilung
von Rat, das Zofinger Gespräch mit den Täufern, Ehegerichts-
fragen, das Abendmahlsproblem (umfangreiche Stellungnahmen
Bucersl), aber auch Familienangelegenheiten. Theologisch wichtige
Passagen zu politischer Ethik, Sakramentstheologie und Kirchenzucht
verdienen besondere Beachtung.

Die Kommentierung ist im ganzen äußerst zuverlässig und umsichtig
. In Einzelfällen kann man anderer Meinung sein. So dürfte Bd. 2,
40,7f auf Ps 22,7 (nicht: Ps 31,12) angespielt sein. Bd. 2, 60; 98 dürfte
mit „Maria Magdalena", der Auslegungstradition folgend, an
Lk 7,36-50 erinnert sein. Meiner Meinung nach ist der Text von
Bd. 2, 109,11 ohne Konjektur verständlich, wenn man ihn auf den
Vorgang der Beichte bezieht. Zu Bd. 2,118 Anm. 1: Für Peter Hubers
Biographie ergeben sich aus der Selbstbiographie seines Sohnes
Samuel Huber einige weitere interessante Einzelheiten, vgl. G. Adam:
Der Streit um die Prädestination im ausgehenden 16. Jahrhundert,
Neukirchen 1970,80-83.

Der Druck ist außerordentlich sorgfältig gestaltet. Zwei Einzelheiten
: Bd. 2,124,8 muß die Ziffer der Anmerkung „8" statt „48" lauten.
Heißt es Bd. 3, 54,5 wirklich „Ürich"? Dann wäre eine bestätigende
Bemerkung - wie an anderen Stellen - nützlich gewesen.

Die Edition hinterläßt den Eindruck, daß sie sich in guten Händen
befindet. Ihr ist ein guter Fortgang zu wünschen.

Leipzig Ernst Koch

Brecht. Martin: Zwingli als Schüler Luthers: Zu seiner theologischen Entwicklung
1518-1522. (ZKG 96,1985.301-319)

Klueting. Harm: „Zweite Reformation" oder reformierte Konfessions- und
Kirchenbildung?: Zum Problem von Politik und Religion im Konfessionellen
Zeitalter. (MEKCiR 34, 1985,19-40)

Luther für Christen. Eine Herausforderung. Einleitung von W. v. Loewenich.
Textauswahl P. Manns. Freiburg-Bascl-Wien: Herder 1985. 300 S. kl. 8" =
Herdcrbüchcrei, 1249. Kart. DM 12,90.

Maier, Konstantin: Residenz. Koadjutoric oder Resignation. Der Kampf
Erzherzog Ferdinands von Österreich um das Bistum Konstanz. (ZKG 96,
1985.344-376)

Zimmermann. Gunter: Die Publikation von „De revolutionibus orbium
coelestium". (ZKG 96. 1985,320-343)

Kirchengeschichte: Neuzeit

Gericke, Wolfgang: Sechs theologische Schriften Gotthold Ephraim
I-essings. eingeleitet u. kommentiert. Berlin: Evang. Verlagsanstalt
1985. 160 S. 8' = Quellen. Ausgewählte Texte aus der Geschichte
der christlichen Kirche, N. F. 3. Kart. M 10,50; Ausland 14,-.

Dieser von W. Gerickc herausgegebene Band enthält folgende theologische
Schriften Lcssings: „Leibniz von den ewigen Strafen".
-Theses aus der Kirchcngeschichte", „Sogenannte Briefe an den Doktor
Walch". „Über den Beweis des Geistes und der Kraft (1. Schreiben
)", „Das Testament Johannis" und „Über den Beweis des Geistes
und der Kraft (2. Schreiben)". (63-133) Eine Begründung für diese
Auswahl theologischer Schriften Lessings wird nicht gegeben. Vorgeordnet
ist Gerickes Essay zu „Lcssings theologischc(r) Gesamtauffassung
". (9-62) Den Abschluß des Buches bilden Kommentare zu
den genannten theologischen Schriften Lessings (134-160) und eine
kurze Bibliographie der Lcssinglitcratur. Essay und Kommentare
scheuen Wiederholungen nicht und hätten komprimierter und systematisch
profilierter erarbeitet werden können.

Grundlage für W. Gerickes Interpretation von Lessings theologischen
Schriften ist die Auffassung, „daß Lessing theologisch auf der
Tradition des linken Flügels der Reformation fußt, der Tradition
Thomas Müntzers und Valentin Weigels" (Vorbemerkung). Wichtig
für Gerickes Verstehen Lessings ist Harald Schultzes bekannte
Lessinginterpretation. (I3f u. ö.) Lessing ist von der linken reformatorischen
schwärmcrisch-spiritualistischcn Tradition geprägt. (14IT)
Lessing gesteht den Schwärmen „oft sehr richtige Blicke in die
Zukunft" (G. E. Lessing, Gesammelte Werke, hg. P. Rilla, Berlin
1954IT, VIII, 613) zu, wirft ihnen aber vor, die Zukunft nicht erwarten
zu können, sondern jetzt alles zu wollen. (18) Bei Lessing kommt es
zur „Rationalisierung des Spiritualismus" (18). „Das Wesentliche der
spiritualistischen Tradition ist der Gedanke der Teilhabe alles Irdischen
an der Gottheit. Dieser aus dem Ncuplatonismus stammende
Gedanke reicht über die deutsche Mystik, über Nikolaus von Kues,
Giordano Bruno und die .deutschen Naturphilosophen' bis zu Leibniz
, Lessing und dem deutschen Idealismus, zu Fichte, Schelling und
Hegel." (43) - Gericke verabsolutiert Lessings spiritualistische Tradition
und verengt so Lessings theologische „Breite". „Lessings spiritualistische
Grundhaltung" (145, 149) ist anscheinend für Gericke generell
bei Lessing zu finden. Lessing spiritualisiert die biblischen Vorstellungen
von Himmel und Hölle. (138) Lessing hat einen rationali-
stisch-spiritualistischen Oflfenbarungsbegriflf (49): Offenbarung zielt
auf Erziehung und Entschränkung der eingeschränkten Vernunft, auf
.völlige Aufklärung', sittlich vernünftige Vervollkommnung des Menschen
. Sie ist nicht historisch antiquiertes, sondern gegenwärtiges
Wort Gottes im Herzen der Menschen, dem Geist und nicht dem
Buchstaben der Bibel sich ursprünglich verdankendes Wort. -
Unglücklich und unangemessen ist Gerickes Versuch, Lessings Offenbarungsverständnis
an im Handel geläufigen Begriffen wie „Bruttoprodukt
", „Netto" und „Tara" zu illustrieren. (48)

Der „Fels, auf welchen die Kirche erbaut worden,... war nicht die
Schrift . . . und nicht Petrus und dessen Nachfolger", sondern die
„Regula fidei". (Lessing, Ges. Werke, VIII, 420; vgl. Gericke, 49, 85,
96) Immer wieder urgiert Lessing die Vorgängigkeit der „regula fidei"
vor der Heiligen Schrift, (96) die frühe christliche Theologie, insbesondere
Tertullian, zeigt ihm das. (89-109) - Lobenswert sind in
Gerickes Band die Quellenangaben der von Lessing verwendeten
theologischen Literatur.

„Zufällige Geschichtswahrheiten können der Beweis von notwendigen
Vernunftswahrheiten nie werden" (1 16). Hier ergibt sich für Lessing
der bekannte „garstige breite Graben" (117) zwischen historischer
Gewißheit und Glaubenswahrheit. Die Wahrheit des Glaubens
wird für Lessing anderweitig (116) gefunden, in der geistlich inspirierten
Liebe (120). „Lessing ist geneigt, die christliche Religion mit der
christlichen Liebe zu identifizieren." (42) Lessing, der werdende
,,,geistige(r) Christ'" (48) und „Lutheraner" (48). der „.Liebhaber der
Theologie'" (9), den Gericke als einen „der Väter der modernen
Kcrygma-Theologic" (22), als den „Schöpfer der .Urevangeliumshy-
pothese' und als solche(r)n eine(r)n der Begründer der neutestament-
lichen Einleitungswissenschaft" (141) bezeichnet, sieht die Quintessenz
des Christentums (120), das Entscheidende, den evidenten
„.Beweis des Geistes und der Kraft'" in der handelnden Liebe. (154)
Das wird augenscheinlich in Lessings Schrift „Das Testament Johannis
" (118-122).

Jena Udo Kern

Volk, Ludwig [Bearb.]: Akten deutscher Bischöfe über die Lage der
Kirche 1933-1945. V: 1940-1942. XXXVII, 1112S. VI:
1943-1945. XXXVIII, 961 S. Mainz: Grünewald 1983 und 1985.
gr. 8' = Veröffentlichungen der Kommission für Zeitgeschichte.
Reihe A: Quellen, 34 und 38. Lw. DM 168-und Lw. DM 156,-.

Die Anzeige von Bd. V und VI der Bischofsakten ist überschattet
vom Tod Ludwig Volks. Erst 58 Jahre alt, erlag Volk am 4. Dezember
1984 in München einem Krebslciden. Die kirchliche Zeitgeschichts-