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Ausgabe:

1986

Spalte:

440-442

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Titel/Untertitel:

Wir-Gefuehl und Regnum Saxonum bei fruehmittelalterlichen Geschichtsschreibern 1986

Rezensent:

Haendler, Gert

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Theologische Literaturzeitung III. Jahrgang 1986 Nr. 6

440

Kirchengeschichte: Alte Kirche

Acta Conciliorum Oecumenicorum. Iussu atque mandato Societis
Scientiarum Argentoratensis edenda instituit Ed. Schwartz, conti-
nuavit J. Straub. Tomus IV, Vol. 3: Index Generalis Tomorum
[-III. Pars 3: Index Topographicus, congessit R. Schieffer. Berlin
(West): deGruyter 1984. XII, 320 S. 4°. Kart. DM 340,-.

Wie der Herausgeber und Bearbeiter Rudolf SchiefTer im Vorwort
schreibt, liegt hier der dritte und letzte Teil des Generalindex' vor, der
ein ebenso monumentales wie unverzichtbares Quellenwerk zur Konzilsgeschichte
der Alten Kirche abschließt. Über die Edition der Akten
der ökumenischen Konzile des 5. und 6. Jhs. besonders in Ephe-
sus, Chalcedon und Konstantinopel und damit zusammenhängender
Materialien, war in ThLZ des öfteren berichtet worden, zuletzt in
ThLZ 110, 1985, 201-202. Der hier anzuzeigende Band enthält auf
dem rückwärtigen Deckblatt eine Übersicht des vierbändigen Gesamtwerkes
mit seinen relativ zahlreichen Buchbinderbänden.

Seit 1914 war man an der Arbeit, 1971 war die Textedition abgeschlossen
, 1974 begann die Herausgabe der Register. In 2 Faszikeln
kam 1982 das Personenverzeichnis heraus. Jetzt liegt, vom selben
Herausgeber betreut, das umfängliche Verzeichnis aller Namen von
Städten, Provinzen, Diözesen, Dörfern, Flüssen und Bergen vor, soweit
sie in den Konzilsmaterialien der Ausgabe begegnen. Die entsagungsvolle
Kleinarbeit angesichts der Fülle der Angaben fordert Respekt
vor der geduldigen Akribie derer ab, die R. Schieffer als Mitarbeiter
im Vorwort (V) auch nennt.

In der Anordnung der lateinischen und griechischen Ortsbezeichnungen
verfährt der Hg. wie in den vorangegangenen Teilbänden zur
Prosopographie. Die Latinität hat jeweils Vorrang, wird aber im Bedarfsfalle
nebenstehend durch die griechischen Namen ergänzt. Die
Vielzahl der Abbreviaturen (für Orts- und Rangbezeichnungen sowie
mitverzeichnete Epitheta) ist in guten Übersichten aufgelöst. Konzilsangaben
, gut lesbar und in Majuskeln verkürzt im Text aufgenommen
, werden erläutert und mit Jahreszahlen versehen (VI).

Die Hauptorte des Konzilsgeschehens sind an der Häufigkeit ihrer
Erwähnung im Register einfach und mit den erforderlichen Spezifizierungen
ablesbar. Für Ephesus waren 48'Kolumnen erforderlich
(131-155), für Nicaea 34 (212-229). Die einzelnen Stellenangaben
sind wieder wie in dem zuvoredierten Register mit den lateinischen
oder griechischen Kontextworten verbunden.

Den Abschluß des Bandes bildet die stattliche Liste der addenda
und corrigenda zum prosopographischen Index (313-320). (Wen aber
wundert angesichts der Fülle der Detailnotierungen und damit gegebenen
Fehlerquellen solcher Korrekturumfang?)

Jeder, der mit wissenschaftlicher Genauigkeit einen Zugang zu den
ökumenischen Konzilsfeldern bekommen will, die von den christlichen
Theologen vor den großen Trennungen in der Folgezeit noch
gemeinsam betreten wurden, hat in dem großen jetzt abgeschlossenen
Werk hervorragende Möglichkeiten. Vielleicht besinnt sich in Zukunft
die wachsende Schar der Ökumeniker auch in verstärktem
Maße auf die einst vorhandene und in den ersten sechs Jahrhunderten
erreichte Gemeinsamkeit. Die textliche Öffnung dazu ist gegeben. Dafür
muß noch einmal all denen gedankt werden, die an dem wichtigen
Unternehmen, zum Teil Jahrzehnte hindurch, mitgewirkt haben!

Görlitz Joachim Rogge

Alexandre de Lycopolis: Contre (a doctrine de Mani, par A. Villey.
Paris: Cerf 1985. 364 S. 8° = Sources Gnostiques et Manicheennes,
2. Kart, ffr 160.-.

Die Arbeit, die 1984 zur Erlangung des Diploms der Ecole Pratique
des Hautes Etudes (Sciences religicuses) vorgelegen hat, bietet nach
einer instruktiven Einleitung eine (erstmalige) französische Übersetzung
und einen ausführlichen Kommentar zu Alexander von
Lykopolis Schrift „Gegen die Lehren Manis", der ältesten bekannten

Streitschrift gegen die Manichäer. Nach Photius war Alexander Erz-
bischof, die Überschrift des Werkes scheint ihn für einen bekehrten
Heiden zu halten. Die Schrift selbst aber stellt sich dar als von einem
nichtchristlichen neuplatonischen Philosophen verfaßt, und zwar am
Ende des 3. Jhs. Sie ist in doppelter Hinsicht interessant, einmal als
frühe Quelle für den Manichäismus und seine Ausbreitung, zum anderen
als Zeugnis eines Neuplatonismus, der nicht unter dem direkten
Einfluß Plotins steht. Der Kommentar richtet dementsprechend in
seinem ersten Teil (zu § 1-13 [= Brinkmann 3,1-9,16]) den Blick
mehr auf die Darstellung des Manichäismus, im zweiten Teil (zu
§ 14-42 [= Br. 9,17-40,6]) auf seine neuplatonische Interpretation
und Kritik. Dabei wird jeweils umfangreiches Vergleichsmaterial angeführt
, das ein Index erfaßt. Der Übersetzung liegt der Text von
A.Brinkmann, Leipzig 1895, zugrunde; daneben ist die kommentierte
englische Übersetzung von P. W. van der Horst und J. Mansfeld,
Leiden 1974, berücksichtigt, ebenso auch im Kommentar.

Das Buch erschließt eine wichtige religions- und philosophiegeschichtliche
Quelle; bedauerlich ist, daß auch griechischer Text nur
in Umschrift geboten wird.

T.H.

Kirchengeschichte: Mittelalter

Eggert, Wolfgang, u. Barbara Pätzold: Wir-Gefiihl und Regnum Saxo-
num bei früh-mittelalterlichen Geschichtsschreibern. Weimar: Bühlau
1984. 328 S. gr. 8' = Forschungen zur mittelalterlichen Geschichte
, 31. Lw. M 60,-.

Der Band vereinigt drei Arbeiten. W. Eggert untersucht „Das Wir-
Gefühl bei fränkischen und deutschen Geschichtsschreibern bis zum
Investiturstreit" (13-176). Rudolf Büchner hatte 1960 gefordert, es
müßten „die historischen Quellen im weitesten Sinn . . . systematisch
befragt werden, was sie mit den Begriffen Wir und Unser bezeichnen"
(15). In diesem Sinne wird ein halbes Jt. aufgearbeitet vom Ende des 6.
bis zum Ende des I I. Jhs. Die Verfasser der Quellen „waren fast ausnahmslos
Kleriker, nicht selten Mönche; die Laien Einhard und Nit-
hard bilden die große Ausnahme" (17).

Kapitell „Präsentation von Möglichkeiten: Bischof Gregor von
Tours und seine Historien" nennt an erster Stelle die christlichen Bezüge
: Unser Gott, unsere Taufe, unser Glaube, unsere Religion. Gregors
Bistum Tours ist „urbs nostra", die Bürger „cives nostri". Bei
„unserem Martin" ist der „Wir-Bezug wohl weniger auf Tours als auf
ganz Gallien gerichtet" (25). Das „nostrum pascha" steht im Gegensatz
zu falschen Osterterminen, ein Bischof ist „frater noster", bei
Konzilien kommt das Wir-Gefühl der Bischöfe deutlich heraus. Eine
Sprachgemeinschaft kann gemeint sein; Gregor fühlte sich „wohl in
einer gemeinsamen literarisch-geistigen Tradition, aus welcher er
auch seine Leserschaft nicht ausschloß" (28). Merowingcrkönigc sind
„unsere Könige", bei einer Niederlage der Franken sind „die Unsrigen
geschlagen". Es gibt bei Gregor eine große „Spannweite der Bezugspunkte
" (29). Das ändert sich in den folgenden Zeiten. Bis zu Karl d.
Gr. sind „die für unser Thema zu untersuchenden Quellen ebenso
spärlich wie die in ihnen anhand der nos- und noster-ßelege auszumachenden
Identifikations-Zielrichtungcn einfach und übersichtlich"
(38). Auch Einhard und Regino bleiben an Vielfalt hinter Gregor von
Tours zurück. „Unser Reich" und „unser König" tauchen sporadisch
auf. „Wie sich diese Entwicklungslinie verstärkt, wie sich ein auf den
Stamm und ein auf das regnum gerichtetes Wir-Gefühl intensivieren
und in einem gewissen Grade gegenseitig durchdringen, ist ein wichtiges
Thema im nächsten Abschnitt." (77) Die Geschichtsschreiber
der ottonischen Zeit „sind entweder selbst Sachsen gewesen oder hatten
doch zumindest enge Beziehungen zum ottonischen Hof. Für
Widukind von Corvey standen die Sachsen im Zentrum, bei Hrosvita
von Gandersheim hebt E. „die Bezeichnung der Deutschen als nostra
gens" hervor (90). Einen „Quantitätsprung" sieht E. bei Thictmarvon