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Ausgabe:

1986

Spalte:

433-436

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Lona, Horacio E.

Titel/Untertitel:

Die Eschatologie im Kolosser- und Epheserbrief 1986

Rezensent:

Lindemann, Andreas

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Theologische Literaturzeitung III. Jahrgang 1986 Nr. 6

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gewidmet (65-263). In der verhältnismäßig ausführlichen Zusammenfassung
(265-296) arbeitet der Vf. bes. die theologischen Motive
heraus, die in dem Dialog zwischen Paulus und der korinthischen
Gemeinde zum Tragen kommen. Bibliographie (297-314) sowie
Autoren- und Stellenindex (315-322) runden die Studie ab.

Der Abschnitt über das heidnische Opfermahl stützt sich teils auf
(zuverlässige) Sekundärliteratur, läßt aber auch selbständige Auseinandersetzung
mit den Quellen erkennen. W. unterscheidet drei mögliche
Interpretationen des Mahlgeschehens: sacramental, communal,
social, setzt sich eingehender aber nur mit der sakramentalen und mit
der sozialen Konzeption auseinander, wobei einerseits die Mysterienkulte
kritisch durchmustert werden, andererseits die Vereinsmähler
zu ihrem durchaus verdienten Recht kommen. Es dominiert unverkennbar
die Tendenz, eine rein soziale, fast profane Deutung kultischer
Mählcr aufzuwerten auf Kosten der beiden anderen Erklärungsweisen
. Man kann dem Autor noch folgen, wenn er zur Vorsicht beim
Umgang mit dem Sakramentsbegriff mahnt. Aber der Kommunionaspekt
(Gemeinschaft mit den Göttern aus Anlaß eines Opfermahls)
kann so einfach gewiß nicht eliminiert werden. Insgesamt wird man
den Eindruck nicht los, daß hier antikes - und wenig später paulini-
sches - Denken über Gebühr modernisiert wird, um ihm alles für uns
Befremdliche zu nehmen.

Die Auslegung von lKor8 und 10, die den Hauptteil des Buches
ausmacht, ist solide gearbeitet und in vielem hilfreich. An einigen
Stellen gelingt es dem Vf., neue Akzente zu setzen. So weitet er, um
ein Beispiel zu nennen, für 1 Kor 8 den vermuteten Bestand an wörtlichen
Zitaten aus dem Fragebrief der Korinther nicht unbeträchtlich
aus. Er rechnet dazu nicht nur 8.1 (einschließlich „wir wissen"),
sondern auch 8,4-6 (ohne V. 5b), während er 8,8 als paulinische
Korrektur eines korinthischen Schlagwortes beurteilt. Man fragt sich
allerdings, ob dabei nicht der Wunsch, die literarische Einheitlichkeit
von 1 Kor 8-10 zu verteidigen. Pate stand, denn durch dieses Vorgehen
werden in der Tat einige Widersprüche beseitigt, die andernfalls
Argumente für eine Briefteilung an die Hand geben könnten. Bei der
Besprechung der Pcrikope 1 Kor 10,23-11,1 unternimmt W. den Versuch
, schon in der Gliederung 10,28 völlig von 10,27 abzukoppeln.
Die in 10,28 ausgesprochene Warnung vor Opferfleisch sei ganz allgemeiner
Natur und habe mit dem Gastmahl im heidnischen Haus von
10,27 direkt nichts zu tun. Das ist ein origineller Vorschlag, doch
dürfte die enge Abfolge der beiden Verse im Verein mit der parallel
gestalteten Einleitung eher gegen seine Richtigkeit sprechen.

Eine kritische Anfrage kann der Rez. nicht ganz unterdrücken.
Zwar wird im Vorwort S. XII von "reworking" (für die Publikation?)
gesprochen, aber die Literaturhinweise enden im Jahre 1981 (im
Grunde mit verschwindend geringen Ausnahmen sogar schon im
Jahre 1979). Aus der Zwischenzeit bis zum Erscheinungsjahr 1985
liegen Arbeiten vor, die auf weite Strecken hin die gleichen Problem-
leider und die gleichen Texte abdecken.' Es ist schwer einsichtig,
warum jede Auseinandersetzung unterbleibt.

Würzburg Hans-Josef Klauck

' Einschlägig sind vor allem J. Hain:, Koinonia. ..Kirche" als Gemeinschaft
bei Paulus (BU 16). Regensburg 1982 (zu 1 Kor 10,16-21); H. J. Klauck.
Uerrcnmahl und hellenistischer Kult. Eine religionsgeschichtlichc Untersuchung
zum ersten Korintherbrief (NTA NF 15), Münster 1982. 2. Aufl. 1986;
U- J. Efksttin, Der Begriff Syneidcsis bei Paulus. Eine neutestamentlich-
exegetische Untersuchung zum „Gewisscnsbegriff" (WUNT 2/10), Tübingen
1983 (zu 1 Kor 8.7-10; 10.25-29).

Uona. Horacio E.: Die Eschatologie im Kolosser- und Epheserbrief.

Würzburg: Echter 1984. 474 S. gr. 8* = Forschung zur Bibel, 48.
Kart. DM 56,-.

In der Exegese des Kol und des Eph geht es heute nicht mehr primär
L|m das Echtheitsproblcm; vielmehr setzen die Forscher überwiegend
die begründete Annahme der „Unechthcit" voraus und versuchen.

von daher beiden Briefen in ihrer jeweiligen theologischen Absicht
gerecht zu werden. Auch L. in seiner 1980/81 bei R. Schnackenburg
erarbeiteten umfangreichen Habilitationsschrift verfährt nicht anders
(S. 34: „Was zunächst als Arbeitshypothese gelten kann, wird sich im
Verlauf der Arbeit bestätigen."). L. setzt ein mit einem forschungsgeschichtlichen
Kapitel (S. 1 1-82), wobei er zunächst in lexikalischer
Weise das allgemeine Thema „Eschatologie", sodann kurz die
Fragen der Echtheit und der literarischen Beziehungen sowie das religionsgeschichtliche
Problem behandelt; der Gang der neueren Forschung
wird skizziert und teilweise auch ausführlich referiert. Wichtig
für das spätere Ergebnis der Arbeit ist in Sachen Religionsgeschichte
L.s Feststellung, alle in der Forschungsgeschichte vorgetragenen
Theorien führten im Blick auf die Eschatologie des Kol und des Eph
nicht weiter; das gelte nicht nur für die - wie L. meint: veraltete -
Gnosis-Hypothese, sondern auch für den gegenwärtig beliebten Hinweis
auf die - wie L. meint: sehr unscharfe - Größe „hellenistisches
Judentum". Bei der für Kol und Eph kennzeichnenden „Vorstellung
einer in der Taufe realisierten Auferstehung der Gläubigen" sei am
Ende sogar zu fragen, „ob die herkömmlichen religionsgeschichtlichen
Modelle" überhaupt „weiterführen können" (S. 65). In seinen
methodologischen Vorbemerkungen (S. 80-82) stellt L. fest, es
komme darauf an, das Verständnis eines traditionellen eschatolo-
gischen Motivs im jetzigen Kontext zu bestimmen („Rezeption der
Tradition ist alles andere als Wiederholung, vielmehr Kontinuität in
der Transformation", S. 80); die Eschatologie sei in beiden Briefen
kein eigenes Thema, sondern im Kol Element der Christologie, im
Eph Element der Ekklesiologie. Entscheidend sei die Berücksichtigung
der konkreten Entstehungssituation: Kol entstand aus der Kontroverse
mit den Vertretern der „Philosophie", Eph enthält eine
„theologische Reflexion über die Kirche als Antwort auf eine konkrete
Gemeindesituation in der Zeit der Anfechtung und Unsicherheit
", angesichts deren der Verfasser vor allem die Einheit von Juden
und Heiden in der einen Kirche betone (S. 81 Ij.

L. untersucht im zweiten Kapitel „die Eschatologie im Kol"
(S. 83-240), indem er die in Frage kommenden Texte („Einst-Jetzt-
Schema" in l,21f; 3,7f: 2,13; „Revelationsschcma" in 1,24-29;
ferner vor allem 2,11 f und 3,1-4) ausführlich exegesiert. Dabei fällt
freilich eine gewisse sachliche Spannung auf, wie sie in der Untersuchung
an vielen Stellen begegnet: Einerseits gewinnt L. aufgrund der
Exegese gewisse „radikale" Einsichten, andererseits werden diese
dann durch allgemeine theologische Bemerkungen gewissermaßen
wieder „zurückgenommen". So wird von L. richtig konstatiert, daß
„sich das Zukunftsmoment in den Schemata nicht ausdrückt" (S. 120;
vgl. S. 233); dann aber heißt es, es sei „natürlich abwegig, daraus die
Konsequenz zu ziehen, das Zeitmoment im Kolosserbrief sei nahezu
vollständig eliminiert" (S. 119), denn die Zukunftsperspektive bleibe
erhalten „als Imperativ zum Handeln, als Auftrag zur Weltmission,
um das Mysterium allen Menschen zu verkünden" (S. 120). obwohl
auch L. sieht, daß für den Kol die Zeitperspektive bei all diesen
Themen keine Rolle spielt. L.s Satz: „Die Zukunft zeigt sich als die
Zeit der endgültigen Offenbarung der jetzigen (!) Struktur (!) des Heils"
(S. 120) hat m. E. ein wesentliches Moment der Theologie des Kol
erfaßt - nur ist doch zu fragen, ob man dabei wirklich noch von einer
konkreten Zukunftsperspektive sprechen darf.

Zum für ihn wichtigen Thema „Eschatologie und Situation"
(S. 190-240) stellt L. einleitend fest, die Briefe des NT seien
„Gelegenheitstheologie", „Theologie als Antwort auf die von der
Gemeinde gestellten Fragen" (S. 190), was so ja nicht einmal für alle
Paulusbriefe stimmt und für den Pseudonymen Kol keinesfalls gelten
kann. L. bestimmt in eingehender Exegese von Kol 2,16-23 die
Häretiker von Kolossä als „Christen, die einen religiösen Rigorismus
predigen und praktizieren" (S. 230), und zwar unter dem Einfluß jüdischen
Erbes, „das in Kleinasien weit verbreitet war. auch in heidnischen
Kreisen" (S. 231). Anliegen der Häretiker war die Überwindung
der Weltangst durch Askese und Reinigung (S. 232), wogegen PseudoPaulus
vor allem in 2,12 den Gedanken entwickle, daß der Christ in