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Ausgabe:

1986

Spalte:

419-421

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Fox, Michael V.

Titel/Untertitel:

The song of songs and the ancient Egyptian love songs 1986

Rezensent:

Herrmann, Wolfram

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419

Theologische Literaturzeitung 111. Jahrgang 1986 Nr. 6

420

hang verfaßt wurde",4 markiert der Begriff in der Synopse also nicht
die Redaktion schlechthin, da es auch .Berichte' ohne Parallele (z. B.
lChr4,41-43) gibt. Auch der .Bericht*, nicht nur der .Konstruierte
Bericht', kann eine Gattung der Redaktion sein (oder wird eine unbekannte
Quelle vermutet?).

Die Problematik des Begriffs „Theologische Interpretation" sehen
die Vf. selbst (490- Sie wollen ihn auf die Texte IChr 10, 13f; 11,9;
14,2.17; 2Chr 36,13-21 anwenden, „in denen eine vom Kontext
deutlich abgehobene explizite Interpretation geleistet werden will"
(50), wobei vorbehalten bleibt, daß theologische Interpretation
auch in anderen Texten geschieht.

Sehr detailliert wird im Einleitungsteil die „Königschronik" behandelt
und ein bestimmtes Aufbauschema (Alter - Regierungszeit -
Königinmutter - Theologische Beurteilung - Quellenangabe - Tod,
Begräbnis und Nachfolge) herausgearbeitet.

Hinzuweisen ist ferner auf die zusammenfassenden Beobachtungen
zur Redaktion und Komposition (51-62). Vier kompositorische
Techniken werden benannt: Selektion aus vorliegenden Quellen,
Umstellung des Quellenmaterials, Ergänzung durch Sondergut (Texte
mit Interesse an levitischen Aufgaben und Funktionen, Prophetenauftritte
, „Ansprachen" von Königen, Propheten und Priestern,
bestimmte Topoi - wie z. B. Bauen - zur Bewertung der Regierungszeit
der Könige5, Korrekturtexte, theologische Deutesätze) und inhaltliche
Korrekturen der Vorlage6.

Es ist zu wünschen, daß dieses nützliche und anregende Buch nicht
nur in die Hand der Exegeten gelangt.

Leipzig Dietmar Mathias

' Hier vermißt man die Vergleichstexte Esr 5,13-15; 6,3-5.

2 Cf. Augustin: Beobachtungen zur chronistischen Umgestaltung der deute-
ronomistischen Königschroniken nach der Reichsteilung. In: Das Alte Testament
als geistige Heimat. Festgabe für H. W. Wolff zum 70. Geburtstag. Frankfurt
/M.-Bern 1982, 11-50; Kegler: Politisches Geschehen und theologisches
Verstehen. Zum Geschichtsverständnis in der frühen israelitischen Königszeit.
Stuttgart 1977, 113-117.

1 Im Gegensatz zu Th. Willi: Die Chronik als Auslegung. Göttingen 1972,
188, der den Begriff „Gattung" für die Chr nicht gelten lassen will, sondern von
„Erzähl- oder Literaturformen" sprechen möchte.

4 Traditionsgeschichtliche Untersuchungen zum Richterbuch. 2. Aufl. Bonn
1966,395.

5 Welches Verhältnis besteht zwischen dem von P. Welten: Geschichte und
Geschichtsdarstellung in den Chronikbüchern. Neukirchen-Vluyn 1971, übernommenen
Toposbegriff und dem Gattungsbegriff der Vf. ?

6 Hier sieht der Rezensent Gefahren einer unsachgemäßen Benutzung der
Synopse, nämlich wenn die abgedruckte Gestalt der Paralleltexte ungeprüft für
die unmittelbare Vorlage des Chronisten gehalten wird.

Fox, Michael V.: The Song of Songs and the Ancient Egyptian Love
Songs. Madison, Wisc: University of Wisconsin Press 1985.
XXVII, 454 S. gr.8". Lw. $ 32.50.

Um es vorwegzunehmen: Es handelt sich bei vorliegender Publikation
um ein Buch, das auf neue Art und in weitergespanntem Radius
die Probleme des biblischen Hohenliedes angeht, nicht zuletzt durch
einen umfassenden Vergleich mit den ägyptischen Liebesliedern, die
ebenfalls einer gründlichen Analyse unterliegen. Der gelehrten Welt
ist es anheimgegeben, ein Urteil darüber zu finden, inwieweit der Vf.
den Gehalt von Cant angemessen gesehen und das Verständnis
wesentlich vorangetrieben hat im Rekurs auf vermehrte philologische
, soziologische und psychologische Erkenntnisse oder aber -
was ich persönlich nicht meine - sich durch Zeitströmungen in seiner
Bewertung der Dinge bestimmen ließ. Auf alle Fälle ist in Übersetzung
des Textes, kritischen Noten und Erklärungen und auch in ständiger
Auseinandersetzung mit der Literatur eine eigene Kommentierung
des Hohenliedes entstanden.

Der Vf. grenzt nach seiner Auffassung aus, was er zur ägyptischen
Liebespoesie rechnet. Er hält sich an die Numerierung von Alfred

Hermann (Altägyptische Liebesdichtung, 1959) und führt auf, wo er
davon abweichen muß, weil er manche Stücke anders beurteilt, und
weiteres Material bekannt geworden ist. Die ägyptischen Quellen enthalten
ihm zufolge z. T. Anthologien voneinander unabhängiger
Lieder, zum anderen Teil einzelne umfangreiche Lieder oder Liedgruppen
. Vf. gibt zu den Übersetzungen jeweilig erläuternde Bemerkungen
und versteht es, die Lieder in ihrer Eigenart zu beschreiben.
Freilich muß der ägyptologische Teil den Fachleuten zur Beurteilung
überlassen bleiben.

Die ägyptischen Liebeslieder stellen das einzige uns erhaltene adäquate
Vergleichsmaterial zu Cant dar. Ähnlichkeiten und Unterschiede
sind dabei gleichermaßen bedeutsam. Vf. meint, die ägyptische
Liebespoesie sei am ehesten während der Zeit der 18. bis
20. Dynastie in Kanaan bekannt geworden, und die in Cant zutage
tretenden Unterschiede gingen auf fortgesetzte Anreicherung und
Neuformung zurück. Seiner Ansicht nach dienten die Lieder der
Unterhaltung bei Festlichkeiten. Ein solcher Gebrauch dürfte im
Judentum zur Kanonisierung von Cant geführt haben.

In einem kurzen Abschnitt nimmt Vf. zu Sprache, Datierung und
historischem Kontext Stellung. Der geschichtliche Rahmen sei bei
Cant nicht aufweisbar, weil der Spielraum der Ansetzung zu weit ist.
Man muß aber m. E. ähnliche Vorbedingungen wie in Ägypten ins
Auge fassen, nämlich daß der Mensch sich seiner Individualität und
seines persönlichen Erlebens bewußt wurde. Einen Hinweis darauf
findet man S. XIX.

Im Hohenliede nimmt Vf. in vielen Fällen eine andere Abgrenzung
der kleinen Einheiten vor, als es sonst üblich ist. Es fällt auf, daß er
mehrfach eine Anzahl solcher Stücke miteinander verbindet. Er sieht
einen inneren Zusammenhang der Teile auf Grund von öfter Wiederkehrendem
, assoziativer Aufeinanderfolge, durchgehend gleicher
Charakterisierung der Personen und einem losen erzählerischen Rahmen
. Hinsichtlich des eben Erwähnten weist er die Erklärung ausdrücklich
zurück, man könne als durchgängigen Rahmen den Frühling
und den Weg aufs Land konstatieren (S. 218f). Vielmehr habe der
Redaktor oder ein einzelner Dichter aus vielen Liedern ein neues einheitliches
Gedicht geschaffen, indem er sie mit Hilfe konformer Elemente
verwob. Die ägyptischen Liebeslieder zeigen nicht diese Homogenität
.

Man wird zu bedenken haben, daß die Wiederholung gleicher
Motive - z. T. mit denselben Worten - und gleiche oder ähnliche literarische
Gestaltung gattungsbedingt ist oder zumindest sein kann und
nicht bedeuten muß, es liege ein übergreifender poetischer Zusammenhang
vor.

Das Hohelied kann nach Meinung des Vf. nicht als Werbelied,
Hochzeitslied, Liebeszauber, religiöse Allegorie, Lied zur heiligen
Hochzeit oder gar Begräbnislied klassifiziert werden. Derartige Gattungsbezeichnungen
treffen auch bei den ägyptischen Liedern nicht
zu. Im Gegenteil handele es sich generell um Liebeslieder mit der
alleinigen Intention, das Liebesvcrlangen eines Paares zu besingen. Es
ist dem Vf., der öfter betont, die Liebenden würden als unverheiratet
geschildert, die in einer paradiesischen Welt gegenseitiger Zuneigung
leben (S. XII, XXIII, XXV, 231,287), zuzuerkennen, daß er mit guten
Gründen argumentiert.

In einem besonderen Kapitel entfaltet der Vf. die Hauptthemen,
wobei er unter einem Thema ein herausragendes Ereignis, ein Bild
oder ein Wortmuster (verbal pattern) versteht. Als solche Themen,
die nicht durchgängig in beiden Literaturen anzutreffen seien, nennt
er den Preis der (des) Geliebten, die Beschreibung der Liebe(sgefühle),
den Wunsch, das Paraclausithyron (Türklagc). die Liebe im Garten,
den Adel der Liebenden, die Morgenröte, die Liebesfalle, die Fahrt
zum Rendezvous, die Suche nach dem (der) Geliebten und die Einladung
fortzukommen. Er wendet sich dagegen, man könne bei den
gebrauchten Bildern von Verwandlung reden. Dementgegen verließen
die Liebenden in ihrem Verhalten die sozialen Einschränkungen.

Zuletzt werden die Liebe und die Liebenden in den Liebcslicdern
behandelt, und zwar unter folgenden Blickwinkeln: Sprechen über