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Ausgabe:

1986

Spalte:

417-419

Kategorie:

Altes Testament

Titel/Untertitel:

Synopse zum chronistischen Geschichtswerk 1986

Rezensent:

Mathias, Dietmar

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Theologische Literaturzeitung III. Jahrgang 1986 Nr. 6

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zeln in rabbinischer Hermeneutik haben und länger zurückliegen. Ein
Durchgang der exegetischen Methoden bei Philo und den Targumen
zeigt, daß gewisse anerkannte Prinzipien Richtschnur für die Auslegung
der Schriften waren.

Das Kapitel II beschäftigt sich direkt mit 4QFlor. Es wird über die
Fundumstände, das Aussehen und die Möglichkeit einer Datierung
der Handschrift berichtet. Sie zählt zum jüngeren Teil der Qumran-
literatur und stammt vielleicht erst aus ca. der Mitte des 1. Jh. n. Chr.
Zuerst wird der Text mit vorsichtigen und wohlbegründeten Vorschlägen
für eine Rekonstruktion präsentiert, und danach folgt eine
Ubersetzung mit ausführlichen Anmerkungen. Anhand der Übersetzung
wird eine form-kritische und strukturelle Analyse des Textes
gegeben. Exegetische und hermeneutische Regeln werden im Text
nicht dargelegt, jedoch können auf Grund der Verwendung alttesta-
mentlicher Passagen und ihrer Zusammenflechtung einige Prinzipien
herauskristallisiert werden, die 4QFIor mit der jüdischen Literatur,
die im 1. Kapitel des Buches behandelt wurde, gemeinsam haben. Die
Worte midrasch und pescher kommen beide vor, und Brooke macht
darauf aufmerksam, daß 4QFIor die einzige Qumranschrift ist, die
beide Worte enthält. Das Verhältnis der beiden Worte zueinander
wird von Brooke in der Weise verstanden, daß midrasch der Oberbegriff
sei, der pescher, Brooke übersetzt es mit "the real interpreta-
tion", einschließe. Überhaupt gelte, daß 4QFIor als ein Midrasch
bezeichnet werden könne, das vielleicht in einem liturgischen Zusammenhang
seine Gültigkeit gehabt haben könne, möglicherweise in
Verbindung mit dem Bundeserneuerungsfest in Qumran, das mit dem
israelitischen sogenannten Thronbesteigungsfest vergleichbar ist, welches
möglicherweise gerade für jene alttestamentlichen Texte Sitz im
Leben gewesen ist, auf die 4QFIor aufbaut. In einem Abschnitt über
die Theologie, die darin, wie in 4QFIor das Alte Testament herangezogen
wird, zum Ausdruck kommt, hebt Brooke den messianisch-
eschatologischen Charakter der Handschrift hervor; die Gemeinde
sehe sich selbst im Lichte dieser Eschatologie.

Indem andere Qumrantexte hinzugezogen werden, stellt Brooke in
Kapitel IM einige Aspekte der exegetischen Methode zusammen.
Auch wenn hermeneutische Prinzipien, bestimmt durch einen escha-
tologischen Gedankengang, mit exegetischen Methoden verwoben
sind, müsse man bestrebt sein, die beiden Dinge auseinanderzuhalten
und erkennen, daß die exegetische Methodik in Qumran im wesentlichen
die gleiche sei, wie die der zeitgenössischen jüdischen Literatur
.

Das Buch ist ausgezeichnet disponiert und in einer einfachen und
klaren Sprache gehalten. Es gibt eine vorzügliche Einführung in die
Auffassung der Qumrangemeinde vom Alten Testament.

Kopenhagen Svend Holm-Nielsen

Kegler, Jürgen, u. Matthias Augustin: Synopse zum Chronistischen
Geschichtswerk. Frankfurt/M.-Bern-New York-Nancy: Lang
1984. IX, 241 S. 8' = Beiträge zur Erforschung des Alten Testaments
und des antiken Judentums, 1. Kart, sfr 41.-.

Mit der vorliegenden Synopse zu den Chronikbüchern eröffnen die
Vf. eine neue, von Matthias Augustin herausgegebene Reihe, die die
Brücke zwischen Altem Testament und Judentum auch dadurch
schlagen will, daß sie israelischen Forschern die Möglichkeit zur
Publikation ihrer Arbeiten in deutscher, englischer oder französischer
Sprache bietet. Ist schon dieses Unternehmen an sich begrüßenswert,
so werden nicht nur die Chronikexperten den Auftakt zu schätzen
wissen, sind doch die bereits vorhandenen Synopsen von Vannutelli
und Bendavid nur schwer erreichbar und mit Mängeln behaftet, auf
die die Vf. hinweisen.

Die Synopse hat 3 Teile. Auf die Einleitung (S. 1-69), die in den
Gebrauch einfuhrt, darüber hinaus aber auch eine Gattungsanalyse
derChr sowie eine Auswahlbibliographie bietet, folgt die eigentliche
Synopse (S. 71-232). Der 3. Teil (Gliederung, S. 233-241) führt die
Uberschriften (bestehend aus Gattungsangabc und in Klammer hinzugefügter
inhaltlicher Charakteristik) der 199 Einheiten auf, in die
der Chr-Text der Synopse unterteilt wurde.

Der Abdruck des hebräischen Textes folgt (auch im Schriftbild) der
BHS. Der textkritische Apparat der BHS wurde jedoch wegen der hier
überflüssigen Verweise auf die Paralleltexte und der nur selektiven
Scptuagintaverarbeitung nicht übernommen. Man mag es bedauern,
daß die Vf. auf die Erstellung eines eigenen textkritischen Apparates
aus Kostengründen - die Synopse versteht sich als Arbeitsbuch für
Studenten, Pfarrer und Exegeten - verzichtet haben. Der dafür nötige
Arbeitsaufwand hätte das Erscheinen wahrscheinlich in weitere Ferne
gerückt.

Die Synopse ist dreispaltig angelegt. In der rechten Spalte wird als
Leittext der Chr-Text - und verständlicherweise nur dieser, nicht auch
der von Esr-Neh (mit Ausnahme von Esr 1,1 -3 in der Mittelspalte als
Parallele zu 2Chr 36,220' - fortlaufend abgedruckt. Der Titel der
Synopse könnte zu dem Mißverständnis führen, dort mehr zu erwarten
, da der Begriff „Chronistisches Geschichtswerk" wissenschaftsgeschichtlich
zunächst auf den Zusammenhang Chr-Esr-Neh festgelegt
war. Die linke Spalte enthält die Paralleltexte aus dem Deuteronomistischen
Geschichtswerk (DtrGW). Die mittlere Spalte enthält
Paralleltexte aus den übrigen alttestamentlichen Büchern (besonders
zu IChr 1-7 und 2Chr32). Der Textabdruck wird durch 4 Listen
(S. 13-21) ergänzt, die eine schnelle Orientierung darüber ermöglichen
, ob ein Text eine Parallele hat oder nicht. Liste 1 führt alle
Chr-Texte auf und vermerkt vorhandene Parallelen. Liste 2 führt alle
Texte des DtrGW (von Dtn 1 bis2Kön 25)aufundgibtdieChr-Paral-
lelen an. Liste 3 enthält das chronistische Sondergut, Liste 4 diejenigen
Texte des DtrGW, die in der Chr (und damit auch im Textabdruck
der Synopse) fehlen.

Das eigentliche Proprium der Synopse besteht jedoch darin, daß die
Vf. unter Verwendung eigener Vorarbeiten2 den Chr-Stoff und seine
Parallelen nach Gattungen analysieren und diese Gattungen dann als
Gliederungsprinzip für die Texteinteilung benutzen. Ein Kapitel
wird also nicht fortlaufend abgedruckt, sondern durch Überschriften
in Form von Gattungsbegriffen unterteilt. In einer Klammer ist dem
Gattungsbegriff eine kurze Inhaltsangabe beigetügt. Die Vf. betrachten
ihre Analyse als Anregung für die weitere formgeschichtliche
Arbeit, nicht als ein endgültiges Ergebnis. So wissen sie auch um die
Anfechtbarkeit mancher Begriffsbildung. Hier können nur ein paar
Besonderheiten hervorgehoben werden.

Die Übersicht über die verwendeten Gattungsbegriffe (S. 23-33,
Erläuterung S. 36-51) nennt 20 Gattungen, die in der Chr vorkommen
.1 Ihre Bezeichnung sehen die Vf. als „weitgehend formal gehalten
" (34) an. Es sind; Anordnung, Auftrag, Bericht/Bericht mit Zusätzen
, Konstruierter Bericht/Konstruierter Bericht mit Zusätzen,
Kriegsverlaufsbericht. Chronik, Edikt, Erzählung, Genealogie.
Itinerar, „Königsnovelle", „Legende", Liste, Beschreibendes Lob,
Notiz, Prophetische Redeformen, Register, Schilderung, Theologische
Interpretation, Überschrift. Diese Begriffe werden dann jeweils
noch durch inhaltlich bestimmte Begriffe untergliedert, z. B. Bericht
durch: Bericht allgemein, Baubericht, Eroberungsbericht usw. Es ist
deutlich, daß bei der Gattungsdefinition auch inhaltliche Bestimmungen
eingeflossen sind (Kriegsverlaufsbericht, „Legende",
„Königsnovelle"), so daß die Abgrenzung gegen die rein inhaltlich bestimmten
Unterbegriffe schwer wird.

Beachtung verdient die Verwendung des Begriffs „konstruiert"
durch die Vf. Sie wollen damit literarische Gestalt und Intention von
Texten bezeichnen, in denen „mehrere, zum Teil verschiedenartige
Informationen verbunden, d. h. bewußt komponiert werden" (Intention
der Komposition; Tun - Ergehen - Zusammenhang oder das
Paradigma eines besonderen Gottesverhältnisses), wobei die Konstruktion
in der Eindimensionalität des Tun - Ergehen - Zusammenhangs
liege (35). Es fehle diesen Berichten „die Explizierung eines
theologischen Interesses", sofern nicht „Ansprachen" eingebaut sind
(36). Im Gegensatz zu Wolfgang Richter, bei dem „Konstruktion"
bedeutet, „daß die betreffende Einheit für einen größeren Zusammen-