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Ausgabe:

1986

Spalte:

412-415

Kategorie:

Allgemeines

Titel/Untertitel:

Glaube im Prozeß 1986

Rezensent:

Kirchner, Hubert

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Theologische Literaturzeitung Ml. Jahrgang 1986 Nr. 6

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örterungen erwartet, etwa über die im Weltbaptismus teilweise vorkommende
Praxis der Anerkennung der Kindertaufe unter besonderen
Voraussetzungen und den damit verbundenen Verzicht auf
„Wiedertaufe", wird enttäuscht.

Gemeindezucht und ihre Verwirklichung sowie eine bedenklich
zunehmende „Bedeutung des Predigers für die Gemeinde" lassen einmal
mehr neuralgische Punkte der gegenwärtigen innerbaptistischen
Entwicklung und Diskussion erkennen. Ein Vergleich des theoretischen
Anspruchs mit der historischen Entwicklung und der
heutigen Situation, wie sie die Festschrift beschreibt, zeigt bei
kritischer Betrachtung beträchtliche Spannungen. Erneut bestätigt
sich die Erkenntnis, daß Freikirchen unübersehbar von „großkirchlichen
Krankheiten" befallen werden und die heute schrumpfenden
„Großkirchen" freikirchliche Elemente und Praktiken aufnehmen
. Es ist produktiv, diese Festschrift unter dem Gesichtspunkt
von Anspruch und Wirklichkeit zu lesen. Daß Brandt das baptistische
Gemeindeleben in seinen Vollzügen so anschaulich beschreibt, gehört
gerade für Außenstehende zu den besonderen Vorzügen dieser
Publikation.

Zwei Beiträge über die Ursprünge der Baptistengemeinden (Manfred
Bärenfänger) und ein Überblick über den Weltbaptismus (Siegfried
Kerstan) bemühen sich um historische und globale Einordnung
des deutschen Baptismus. Eine knappe Selbstdarstellung aus der Sicht
der Brüdergemeinden (Joachim Zeiger), mit denen die Baptisten seit
über 5 Jahrzehnten einen problemreichen Bund bilden, steht am
Schluß der Beiträge. Hier fallt eine Feststellung auf, die in einer gewissen
Spannung zu anderen Aussagen steht (vgl. z. B. S. 111 ff). Zeiger
schreibt: „Nicht gemeinsamer geschichtlicher Ursprung, auch nicht
ein gemeinsames Bekenntnis zur Frage nach der neutestamentlichen
Taufe (d. h. gemeinsame Taufgesinnung), sondern eine Entscheidung,
die in bedrängter Situation getroffen wurde, haben Baptismus und
Brüdertum miteinander verbunden."(S. 285)

Sehr gute Dienste kann die übersichtliche Zeittafel 1800-1945
(G. Balders) leisten, die durch eine faktenreiche Chronik 1945-1984
(E. Brandt) ergänzt wird. Der „Biographische Anhang", der nur eine
Auswahl aus einem 160 Kurzbiographien umfassenden Manuskript
ist, vermittelt wichtige, vielfach der Forschung bisher nicht zugängliche
Informationen über herausragende Persönlichkeiten des deutschen
Baptismus. Ein umfangreicher Bildanhang sorgt neben den in
den Text eingestreuten Wiedergaben historischer Dokumente für die
Anschaulichkeit des Buches.

Wer den deutschen bzw. westdeutschen Baptismus kennenlernen
will, wie er sich aus der Sicht seiner führenden Vertreter in Geschichte
und Gegenwart darstellt, sollte zu diesem Buch greifen, dabei aber den
Anlaß seines Erscheinens und die Pluralität eines Gemeindebundes
nicht vergessen.

Halle (Saale) Helmut Obst

[Kümmel, Werner Georg:] Glaube und Eschatologie. Festschrift für
Werner Georg Kümmel zum 80. Geburtstag. Hg. von E. Gräßer u.
O. Merk. Tübingen: Mohr 1985. VI, 356 S„ 1 Porträt gr. 8'. Lw.
DM 148,-.

Mit dem Titel der FS sind zwei „Hauptwörter" aus der Fülle des
wissenschaftlichen Schaffens des Geehrten aufgenommen worden.'
Das zweite bestimmt auch nach den Überschriften ausdrücklich die
Hälfte der Festgaben, in der Spanne von Jesus bis 2Petr. Die Beziehung
von Eschatologie und Glaube2 kommt dabei von selbst zur
Sprache.

Von einer grundlegenden Schrift W. Kümmels aus kommt E. Gräßer
, Verheißung und Erfüllung. Werner Georg Kümmels Verständnis
der Eschatologie Jesu (33-49), zu einer Debatte mit zwei
neueren Autoren (M. Trowitzsch und H. Merklein). „So bleibt es also
dabei: Der sachliche Sinn der Botschaft Jesu ist streng aus der Dialektik
von Schon jetzt und Noch nicht als ihrem innersten Konstitutionsprinzip
zu entfalten" (48). - Die beiden Stichwörter der FS vereint
bereits im Titel E. Schweizer, Die Bedeutung der Eschatologie
für den Glauben bei Jesus (277-284); Jesus rechnet eindeutig mit dem
endzeitlichen Festmachen des durch ihn gegenwärtig „schon den
Menschen Zugesprochenen" (283 M.).

L. De Lorenzi, La speranza nostro vanto. Rom 5,2c (165-188)
stellt den Vers in seinen weiten sachlichen Rahmen nicht zuletzt in
Rom; er macht zumal die Gegenwärtigkeit der vorweggenommenen
Heilsgabe der Herrlichkeit Gottes an den Gerechtfertigten sichtbar.
H. C, Kee, Pauline Eschatology: Relationship with Apocalyptic
and Stoic Thought (135-158), vergleicht für die Stoa nicht nur Zukunftserwartungen
, sondern Weltverständnis, Gottesvorstellung usw.;
er stellt stoische Einflüsse bei Paulus heraus, akzentuiert aber stärker
die Unterschiede.

Ch. K. Barrett, Faith and Eschatology in Acts 3 (S. 1-17), beleuchtet
V. 16 (faith), kairoi anapsyxeös (V. 20), apokdtastasis
(V. 21). - R. Schnackenburg, Die lukanische Eschatologie im
Lichte von Aussagen der Apostelgeschichte (249-265), stellt heraus:
„Für Lukas bringt erst die Parusie die Volloffenbarung der Herrlichkeit
Christi, und darum ist sie für sein Christusverständnis unentbehrlich
" (264).

F. Mußner, „Weltherrschaft" als eschatologisches Thema der
Johannesapokalypse (208-227), bringt die Aussagen über Gottes bzw.
Christus' Weltherrschaft und den Kampf um sie in all ihrer Vielseitigkeit
zu voller Geltung. - A. Vögt le, „Dann sah ich einen neuen
Himmel und eine neue Erde..." (Apk21,l). Zur kosmischen
Dimension neutestamentlicher Eschatologie (303-333), nimmt eine
„Neubearbeitung" seines „früheren Versuchs zu Apk 21,1" (304),
Das Neue Testament und die Zukunft des Kosmos (1970), vor; dabei
spielt die z. T. weitläufige Auseinandersetzung mit anderen eine
Rolle, gegen die V. weiter die voll symbolische Deutung vertritt.

Eine Differenzierung, die in dem Band sonst kaum eine Rolle spielt,
wird thematisch bei N. Walter, „Hellenistische Eschatologie" im
Neuen Testament (335-356). W. versteht sie „als Gegenbegriff zur
.apokalyptischen Eschatologie"' (335), der W. durchaus nicht den
„Stellenwert einer .eigentlich biblischen' Eschatologie zuerkennen"
möchte (355). Jede biblische „Bildersprache bedarf immer wieder
neuer, aktualisierender Interpretation" (356).

Es bedeutet keine Wertung der übrigen Aufsätze, wenn für diese
jetzt nur noch Vf. und Titel genannt werden:

F. Hahn, Das Glaubensverständnis im Johannesevangelium (51-69). M.
H enge I, Jakobus der Herrenbruder - der erste „Papst"? (71-104). T. H oltz,
Theo-Iogie und Christologie bei Paulus (105-121). H. H übner. Was heißt bei
Paulus „Werke des Gesetzes"? (123-133). E. Lohse, Jesu Bußruf an die Reichen
Markus 10,25 Par (159-163). C. F. D. Moule, The Function of the
Synoptic Gospels (199-208). J. Ro loff, Pfeiler und Fundament der Wahrheit.
Erwägungen zum Kirchenverständnis der Pastoralbriefe (229-247). P. S t u h 1 -
mache r, Paulus und Luther(285-302).

Eine Elite meist europäischer Neutestamentier hat hier eine dem
reichen Werk des unermüdlich literarisch tätigen Jubilars und seiner
Bedeutung angemessene Gabe vorgelegt.

Halle (Saale) Gerhard Delling

1 Die Aufsätze sind innerhalb der FS nach dem ABC der Vf. geordnet.

2 Über „Glaube und Eschatologie" in Bultmanns betr. Kollegmanuskript
berichtet O. Merk, Zu Rudolf Bultmanns Auslegung des I. Thessalonicher-
briefes(189-198) 197f.

IRahner, Karl:] Glaube im Prozeß. Christsein nach dem II. Vati-
kanum. Für Karl Rahner. Hg. von E. Klinger u. K. Wittstadt.
Freiburg-Basel-Wien: Herder 1984. 888 S. gr. 8". Lw. DM 98,-.

Die Ehrung erfolgte noch rechtzeitig. Wenige Wochen nach dem
Erscheinen des Buches, das Karl Rahner zum 80. Geburtstag (5. März
T984) gewidmet ist, verstarb der Jubilar. Mit ihm ging eine Ära der
katholischen Theologie zu Ende. Und ihr Höhepunkt war das II. Vatikanische
Konzil. Das vorliegende Buch beweist das nachdrücklich.