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Ausgabe:

1986

Spalte:

409-411

Kategorie:

Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Ein Herr, ein Glaube

Titel/Untertitel:

eine Taufe 1986

Rezensent:

Obst, Helmut

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Theologische Literaturzeitung 111. Jahrgang 1986 Nr. 6

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gelisch" (33). Dann setzte die Gegenreformation ein. Raddatz bietet
eine „Vorschrift, nach welcher sich die im Land ob der Ennß heimlich
verborgenen Evangelischen zu verhalten haben" von 1756 (35-37).
Mit Joseph II. setzte sich Toleranz durch, die 1961 im Bundesgesetz
über den Rechtsstatus der Evangelischen Kirche zu einem gewissen
Abschluß kam: „Freie Kirche im freien Staat und - mit den Worten
des Chalcedonense - .nicht Vermischung und nicht Trennung'" (39).
Einen größeren historischen Zeitraum durchschreitet auch Jacob
Allerhand: „Tausend Jahre christlich-jüdisches Mit-, Neben- und
Gegeneinander". Im hohen Mittelalter bestanden in Österreich
Gesetze, „die zu den humansten Judengesetzen des Mittelalters zählten
" (67), 1420/21 kam es jedoch in Wien zur Vertreibung der Juden.
Einem neuen Aufschwung im 17. Jh. folgte die erneute „Liquidierung
des Ghettos 1670/71" (70). Joseph II. brachte einen Fortschritt, doch
spielte um 1900 bei Karl Lueger der „konfessionell-ökonomisch gefärbte
Antisemitismus eine recht erhebliche Rolle" (73). Zuletzt wird
Bruno Kreisky genannt, „ein Bundeskanzler jüdischer Herkunft"
(77).

Die weiteren Beiträge erörtern speziellere Fragen zum Jahr 1683
und der danach folgenden Entwicklung in Österreich. Sie bieten z. T.
sehr aufschlußreiche Details, können aber hier nur genannt werden:

Ernst Christoph Suttner: Orthodoxie und Katholizismus in Österreich.
Leidvollc Kämpfe und befruchtende Partnerschaft im Österreich von einst,
41-66; Heinrich Lutz: Das Türkenjahr 1683 in christlicher Sicht, 80-90;
Walter Leitsch: Die Motive der politisch Handelnden im Jahre 1683:
Leopold I. - Kara Mustafa-Jan Sobieski, 91-116; Walter Obermaier:
Abraham a Sancta Clara als christlicher Prediger. 117-145; Peter Kampits:
Liberalkatholizismus vor 1848-Bernhard Bolzano als Vorläufer des Konzils,
146-156; Wolfgang J. Band ion : Der romantische Katholizismus. Clemens
Maria Hofbaucr und sein Kreis, 157-170; Elisabeth K o vacs: Der Josephinismus
. Bewahrung oder Verlust der kirchlichen Identität? 171-185; Moritz
Csak y: Kulturkampf, Freisinn und Liberalismus im Österreich der siebziger
und achtziger Jahre des 19. Jahrhunderts, 186-199; Karl Vocelka: Thron
und Altar im alten Österreich, 200-211; Willy Lo re n z: Österreich - Klöster-
reich, 212-223; Michael W. Fischer: Mauretische Geheimbünde und
religiöse Toleranz. Ein Rekonstruktionsversuch anhand historischer Bemerkungen
. 224-241; Alexander G iese: Freimaurerei und Religion heute,
242-249; Ignaz Zangeric : Religiöser Frühling nach 1918,.250-260; Viktor
Reimann: Ignaz Scipel und der politische Katholizismus der Zwischenkriegszeit
, 261-273; Maximilian Liebmann: Die kirchliche Hierarchie in
Österreich und das Dritte Reich, 274-293; Erika Weinzierl . Katholischer
Widerstand gegen den Nationalsozialismus in Österreich. 294-307; Wolfgang
Mantl: Die Entwicklung des österreichischen Katholizismus in der Zweiten
Republik, 308-332; Alois Brandstetter: Christliche und antichristliche
Tendenzen in der österreichischen Gegenwartsliteratur, 333-341; Günter
Rombold: Phänomenologie und Problematik christlicher Kunst in Österreich
. Vom Standpunkt des Kunstkritikers und Theologen, 342-350; Oswald
Oberhubcr: Zur Problematik und Phänomenologie der christlichen Kunst.
»•Die Anwesenheit der christlichen Kunst stellt sich in Frage", 351-356;
Richard Barta: Katholikentage. Wege und Irrwege des österreichischen
Katholizismus, 357-370; Erwin Ringel: Religion und Psychotherapie im
Ringen um die Frage nach dem Sinn des Lebens, 371 -382.

Rostock Gert Haendler

Haiders. Günter [Hg.]: Ein Herr, ein Glaube, eine Taufe. 150 Jahre
Baptistengemeinden in Deutschland 1834-1984. Festschrift im
Auftrag des Bundes Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden in
Deutschland hg. Wuppertal: Oncken 1984. 368 S., 68 Abb. auf
Taf. 87

1834 wurde die erste deutsche Baptistengemeinde durch Johann
Gerhard Oncken in Hamburg gegründet. Die vorliegende Festschrift,
"n Auftrag des Bundes Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden in
Deutschland herausgegeben, versucht, aus diesem Anlaß „das Wirken
und die Bedeutung der Väter des Baptismus darzustellen und zu
würdigen", zu fragen, was nach Gottes „Willen ist und sein soll und
was bleibt" (S. 6). Als Titel und damit als „Positionsbeschreibung"
Wurde Eph 4,5 gewählt, weil dieser Vers, wie Günter Hitzemann in
seinem Geleitwort schreibt, „in klassischer Weise die wesentlichen

Inhalte des Bekenntnisses" der Baptisten „zum Ausdruck bringt"
(S. 7).

Neben dem Hg. Günter Balders, der schon mehrfach mit bemerkenswerten
Arbeiten zur Geschichte des Baptismus hervorgetreten
ist, kommen sechs Autoren mit Beiträgen von unterschiedlicher
Qualität und Länge zu Wort. Der Schwerpunkt liegt eindeutig
bei zwei Autoren: Günter Balders (Geschichte des deutschen Baptismus
) und Edwin Brandt (Bekenntnis und Gemeindeleben).

Balders bietet einen wissenschaftlich soliden Abriß der 150jährigen
.Geschichte der deutschen Gemeinden, welcher vielerlei anregende
und weiterführende Impulse aufnimmt. Er ist die wohl zur Zeit beste
Darstellung der Geschichte des deutschen Baptismus von einem Insider
. Gerade der hier erkennbare Versuch einer auf weite Strecken
kritischen Aufarbeitung der eigenen Geschichte ist angesichts der
besonders auf Gemeindeebene (aber nicht nur dort!) traditionell verbreiteten
erbaulich-apologetischen Sicht schätzenswert. Dieser durchaus
recht vorsichtig verwirklichte Grundansatz zeigt sich z. B. bei der
Behandlung des „Hamburger Streites" und bei der Darstellung
Onckens, dem Balders schon früher eine für die Gemeinden bestimmte
Biographie gewidmet hat (Theurer Bruder Oncken, Berlin
1979). Besondere Beachtung verdienen auch die Ausführungen über
die Rolle des deutschen Baptismus „im Dritten Reich und Zweiten
Weltkrieg", die auf einer Analyse der Entwicklung in der Weimarer
Republik basieren, sowie der Abschnitt „Wiederaufbau und Gestaltwandel
(1945-1960)". Sicher ist damit eine Geschichte des Baptismus
in der Zeit des Faschismus noch nicht geschrieben (vgl. S. 122), das
bisherige Wissen wird aber erheblich bereichert. Den damaligen Weg
charakterisiert Balders mit dem Motto: „.Wir bleiben Missionare' -
um jeden Preis." Er zeigt an beeindruckenden Beispielen, wie hoch
der Preis war (vgl. „Die Haltung der Baptisten zur Judenfrage",
S. 101-103). Das Ringen des deutschen Baptismus mit den aus Selbstverständnis
und Tradition erwachsenden Fragen, zu denen nicht
zuletzt Strukturproblcme gehören, durchzieht die ganze Darstellung.
In diesen Zusammenhang gehört - nicht nur, aber auch - der bis heute
spannungsreiche Zusammenschluß mit dem Bund freikirchlicher
Christen, der die Baptisten zumindest olTiziell ihren Namen kostete.

„Auf der Suche nach neuen Wegen (seit i960)" läßt deutlich
Probleme und Aufgaben erkennen, vor die sich der Baptismus heute
in der BRD gestellt sieht. Die wachsende enge Verflechtung auch freikirchlicher
Gemeinden in soziologische Prozesse und Zeitströmungen
ist unverkennbar. Gegen Ende dieses historischen Abrisses dominieren
eindeutig die Fakten, das macht die Darstellung zunehmend
trockener und vordergründig informativ. Balders verzichtet insgesamt
nicht auf baptistische Wertungen und Erbaulichkeit, der historischkritische
Ansatz bleibt aber stets erhalten.

Der sich anschließende sehr kurze (5 S.) Beitrag von Rolf
Dammann „Der Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden in der
DDR" ist lexikalisch angelegt. Hinter den Zahlen und Fakten lassen
sich geistliches Leben, Anliegen und Eigenart der Gemeinden kaum
erkennen.

Wie schon angedeutet, bilden die beiden Artikel von Edwin Brandt
den zweiten inhaltlichen Schwerpunkt der Festschrift. Brandt setzt ein
mit der Frage nach der Autorität der Bibel und nach ihrer Auslegung,
ein Komplex, der durch unterschiedliche Akzentsetzungen den deutschen
Baptismus in manche kritische Situation gebracht hat und - wie
die jüngsten Vorgänge am Hamburger Theologischen Seminar zeigen
- auch weiter bringen wird. Es folgen Untersuchungen zu Bedeutung
und Entwicklung des Glaubensbekenntnisses der deutschen Baptisten
. Im Zentrum baptistischer Theologie, das hebt auch Brandt
hervor, steht die Gemeinde, „Gemeinde der Gläubigen als Alternative
zur Staatskirche". „Mit Recht ist wiederholt daraufhingewiesen worden
, daß der Baptismus keine Tauf-, sondern eine Gemeindebewegung
ist. Die Taufe als das Augenfälligste ist immer nur die Folge
einer tieferen Grundanschauung." (S. 191) In der Konsequenz dieser
These wird die Taufe theologisch, im Unterschied zum Ablauf des
Taufgottesdienstes, kaum behandelt. Wer hier weiterführende Er-